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Subventionskontrolle: Herausforderungen für Unternehmen im EU-Binnenmarkt

Die EU hat im Jahr 2023 einen neuen Regelkomplex erlassen, um wettbewerbsverzerrende Einflüsse durch Subventionen von Drittstaaten auf den Binnenmarkt einzudämmen. Die eingeführten Meldepflichten und Kontrollbefugnisse der Kommission stellen Unternehmen vor zahlreiche Herausforderungen.

Hintergrund

Der Wettbewerb gilt als ein unabdingbarer Bestandteil des europäischen Binnenmarktes. Zu dessen Erhaltung und Schutz gibt es in der EU verschiedene Kontrollinstrumente, beispielsweise Regelungen zum Markverhalten von Unternehmen, zu Unternehmenszusammenschlüssen und zur Vergabe öffentlicher Aufträge innerhalb der Mitgliedstaaten der EU. Bis zu diesem Jahr gab es jedoch keine Möglichkeit, wettbewerbsverzerrende Auswirkungen drittstaatlicher Subventionen (also solcher Staaten, die nicht der EU angehören) auf den Wettbewerb im Binnenmarkt zu kontrollieren und zu verhindern.

Mit dem Erlass zweier Verordnungen hat die EU nun darauf reagiert und diese Lücke geschlossen. Hierbei handelt es sich um die "Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen" (EU) 2022/2560 (von hier an FSR genannt) und die dazugehörige "Durchführungsverordnung zur Festlegung detaillierter Vorschriften für die Durchführung von Verfahren" (EU) 2023/1441 (von hier an Durchführungsverordnung genannt). Ziel ist es, bei jeglicher wirtschaftlicher Tätigkeit im Binnenmarkt wettbewerbsschädigende Effekte von Subventionen aus Drittstaaten zu unterbinden. Für Unternehmenszusammenschlüsse und die Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren sind diese neuen Regelungen besonders bedeutsam.

Die zuletzt verabschiedete und in Kraft getretene Durchführungsverordnung normiert Detailfragen des Prüfungsverfahrens.

Der Fokus dieses Beitrags liegt in der Erläuterung der neuen Verfahrensregeln und des Handlungsbedarfs für Marktteilnehmer.

Verfahrensüberblick

Das Kontrollverfahren durchläuft mehrere Phasen. Nachdem der Kommission ein Zusammenschluss oder die Teilnahme an einem Vergabeverfahren gemeldet wurde, führt die Kommission eine Vorprüfung durch. Bei Anhaltspunkten kann die Kommission aber auch von sich aus die Vorprüfung einleiten (ex officio), und zwar bezogen auf jegliche wirtschaftliche Tätigkeit.

Gelangt die Kommission zu dem vorläufigen Ergebnis, dass eine Wettbewerbsverzerrung durch eine Subvention vorliegt, geht sie zur eingehenden Prüfung über. Am Ende dieser Phase steht die finale Entscheidung darüber, ob die Zuwendung wettbewerbsverzerrend ist. Die Kommission kann dann den Beteiligten Pflichten auferlegen, um die Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Die Unternehmen können jedoch auch der Kommission Handlungsvorschläge unterbreiten, welche geeignet sind wettbewerbsverzerrende Auswirkungen zu verhindern.

Was gilt jetzt für Unternehmen?

Die neue Kontrolle bedeutet für Unternehmen, dass sie eventuell neuen Pflichten ausgesetzt sind. Gerade die Meldepflicht spielt für Unternehmen eine wichtige Rolle, da bei Missachtung Bußgelder von bis zu 10% des Gesamtumsatzes im Vorjahr drohen. Doch nicht nur die Meldepflicht, sondern auch Informationsanfragen der Kommission, Nachprüfungen in den Geschäftsräumen oder die Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten können aktuell werden.

a) Höchste Relevanz: Meldepflichten

Die neue Kontrolle führt, wie bei anderen Wettbewerbskontrollen auch, zu Meldepflichten. Aufgrund der empfindlichen Geldbuße bei Missachtung der Pflicht (bis zu 10% des Gesamtumsatzes im Vorjahr) und des erheblichen Informationsaufwandes, sollten Unternehmen besonders aufmerksam sein.

i) Meldepflicht bei Zusammenschlüssen

Die Meldepflicht bei Unternehmenszusammenschlüssen setzt ein, wenn
- eines der fusionierenden Unternehmen, das zu erwerbende Unternehmen oder das Joint Venture einen Gesamtumsatz von über 500 Mio. Euro in der Union erwirtschaftet haben,

und

- die Beteiligten zusammen in den drei Jahren vor dem Zusammenschluss insgesamt Zuwendungen in Höhe von mindestens 50 Mio. Euro von Drittstaaten erhalten haben. Die Meldung erfolgt durch Ausfüllen und Einreichen des von der Durchführungsverordnung bereitgestellten Formulars. Es müssen verschiedene Angaben gemacht werden, u. a. zum Zusammenschluss selbst oder zu den Beteiligten.

Der größte Aufwand wird bei den Informationen zu den Zuwendungen auferlegt. Dabei kann man drei Typen an Zuwendungen oder Subventionen identifizieren, die auch zu unterschiedlichem Informationsbedarf der Kommission führen.

Die meisten Informationen werden für solche Subventionen gefordert, die mindestens 1 Mio. Euro betragen, in den drei Jahren vor Beteiligung am Zusammenschluss gewährt wurden, und in der FSR als besonders kritische Fälle aufgelistet werden (Gewährung an notleidende Unternehmen, unbegrenzte Garantien für Schulden und Verbindlichkeiten, nicht OECD-konforme Exportkredite und alle Zuwendungen, die den Zusammenschluss erleichtern). Der erhöhte Aufwand ergibt sich daraus, dass zu jeder Subvention detaillierte Angaben gemacht und entsprechende Unterlagen eingereicht müssen (u.a. zu Höhe, Herkunft, genaue Beschreibung, mögliche Bedingungen).

Geringere Anforderungen werden an Subventionen gestellt, die zwar mindestens 1 Mio. Euro betragen und in den letzten 3 Jahren gewährt wurden, aber sonst nicht unter die kritischen Fälle in der FSR fallen. Diese Zuwendungen müssen in der Tabelle des Formulars, sortiert nach Anmelder und Staat, aufgelistet werden. Auch bei Zuwendungen, die grds. in diese Gruppe fallen würden, gibt es Ausnahmen (z.B. allgemeine Stundungen bzw. befristete Steuerbefreiungen von Abgaben, Steuerermäßigungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Erwerb von Dienstleistungen oder Waren im ordentlichen Geschäftsgang).

Ausgenommen von der Pflicht zur Angabe sind solche Zuwendungen, die unter 1 Mio. Euro liegen. Allerdings kann die Kommission zu allen Zuwendungen, auch denen unter 1 Mio. Euro, Informationen verlangen.

ii) Meldepflicht im Rahmen von Vergabeverfahren

Meldepflichten bestehen auch im Zuge der Teilnahme an Vergabeverfahren, die unter das EU-Vergaberecht nach dem 4. Teil des GWB fallen, mit Ausnahme von Aufträgen im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Begründet wird dies damit, dass der Wettbewerb in einem öffentlichen Vergabeverfahren beeinträchtigt werden kann, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer durch drittstaatliche Subventionen in die Lage versetzt wird, ein ungerechtfertigt günstiges Angebot abzugeben. Im Rahmen von Vergabeverfahren, die die unten aufgeführten Schwellenwerte erreichen, entsteht die Meldepflicht, wenn die Unternehmen in den letzten drei Jahren vor Teilnahme drittstaatliche finanzielle Zuwendungen erhalten haben (sog. „Meldung“).

Bei Vergabeverfahren, die die Schwellenwerte zwar erreichen, das Unternehmen aber in den letzten drei Jahren keine meldepflichtige drittstaatliche finanzielle Zuwendung erhalten hat, müssen demgegenüber nur in begrenztem Umfang Angaben gemacht werden und eine Erklärung abgegeben werden, dass keine Meldepflicht vorliegt (sog. „Erklärung“). Drittstaatliche Zuwendungen gelten nicht als meldepflichtig, wenn ihr Gesamtbetrag in den letzten drei Geschäftsjahren niedriger als 200.000 Euro war (sog. „Deminimis-Beihilfe“).

Die maßgeblichen Schwellenwerte sind überschritten, wenn

a) das geschätzte Auftragsvolumen mindestens 250 Mio. Euro (netto) beträgt und

b) den am Angebot beteiligten Unternehmen (einschließlich Hauptunterauftragnehmer und Hauptlieferanten) in den drei Jahren vor der Meldung finanzielle drittstaatliche Zuwendungen von insgesamt mindestens 4 Mio. Euro pro Drittstaat gewährt worden sind.

Im Falle einer Losaufteilung des Auftrags liegt eine meldepflichtige drittstaatliche Subvention vor, wenn der geschätzte Auftragswert den genannten Schwellenwert von 250 Mio. Euro (netto) übersteigt und die Lose, auf die eine Bewerbung erfolgt, insgesamt einen Wert von mindestens 125 Mio. Euro (netto) haben. Die Höhe der drittstaatlichen Zuwendung muss auch hier mindestens 4 Mio. Euro betragen.

Für öffentliche Vergabeverfahren besteht eine Besonderheit darin, dass die Meldung oder Erklärung mit dem Teilnahmeantrag bzw. dem Angebot an den Auftraggeber übermittelt wird und nicht direkt an die Kommission erfolgt. Der Auftraggeber muss seinerseits bereits in der Auftragsbekanntmachung angeben, dass die Bewerber/Bieter der Melde- oder Erklärungspflicht unterliegen, und muss die eingehenden Dokumente an die Kommission weiterleiten.

Zur Einreichung ist das in der Durchführungsverordnung bereitgestellte Standardformular „FS-PP“ („Public Procurement“) zu verwenden. Dort ist aufgeführt, welche Informationen der Anmeldende im Einzelnen vorlegen muss.

In einer Meldung sind danach folgende Angaben zu machen:

a) eine Kurzbeschreibung des öffentlichen Vergabeverfahrens,
b) Angaben zu dem bzw. den Anmeldern (Unternehmen),
c) Angaben zu den drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen,
d) ggf. eine Erläuterung, warum das Angebot nicht ungerechtfertigt günstig ist,
e) ggf. Angaben zu etwaigen positiven Auswirkungen der drittstaatlichen Subventionen,
f) eine Liste sachdienlicher Unterlagen und
g) eine unterschriebene Bescheinigung, dass die bereitgestellten Angaben wahr, richtig und vollständig sind.

Wird nur eine Erklärung abgegeben, so genügen Angaben zu dem Vergabeverfahren und dem Unternehmen und die unterschriebene Bescheinigung über die Richtigkeit der Angaben.

Wenn dem Unternehmen die im Formular FS-PP abgefragten Informationen nicht mit zumutbarem Aufwand zugänglich sind, kann eine Befreiung bei der Kommission beantragt werden.

Im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren führt die Kommission spätestens 20 Arbeitstage nach Eingang einer Meldung die entsprechende Vorprüfung durch, danach kann ggf. die eingehende Prüfung eingeleitet werden. Bei Eingang einer Erklärung kann die Kommission ggf. von Amts wegen ein Verfahren einleiten. Während der Vorprüfung und der eingehenden Prüfung können alle Verfahrensschritte des Vergabeverfahrens fortgesetzt werden. Es darf allerdings kein Zuschlag erteilt werden.

Wenn die Kommission im Rahmen der Vorprüfung oder der eingehenden Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass keine den Wettbewerb verzerrende finanzielle Zuwendung eines Drittstaats vorliegt, erlässt sie einen Beschluss, keine Einwände gegen die Auftragsvergabe zu erheben. Kommt die Kommission hingegen zu dem Ergebnis, dass eine wettbewerbsverzerrende Zuwendung gegeben ist, kann sie das Unternehmen zu Maßnahmen verpflichten, die die Verzerrung vollständig und wirksam beseitigen, oder – wenn dies nicht in Betracht kommt – einen Beschluss erlassen, mit dem die Zuschlagserteilung des öffentlichen Auftrags an das betreffende Unternehmen untersagt wird.

iii) Handlungsbedarf

Wie dargestellt, können Unternehmen erheblichen Informationspflichten in Bezug auf finanzielle Zuwendungen aus Drittstaaten unterliegen. Aufgrund der 3-Jahres-Grenze reicht diese Verpflichtung zeitlich auch nicht unerheblich weit zurück.

Um in Zukunft erheblichen Aufwand in kurzer Zeit zur Aufbereitung der relevanten Informationen und damit zusammenhängende hohe Kosten zu vermeiden, sollten Unternehmen diese Informationen für Zuwendungen aus der Vergangenheit vorsorglich identifizieren und zur Verfügung halten und für die Zukunft ein System etablieren, um die erforderlichen Informationen kontinuierlich zu allen Zuwendungen zu erfassen und abrufbereit abzuspeichern.

Die Kommission hat auch die Befugnis, von sich aus eine Vorprüfung zu beginnen. Dabei kann es nicht nur Unternehmen treffen, die einen Zusammenschluss planen oder an einem Vergabeverfahren teilnehmen wollen. Die notwendige Vorsorge sollte also jedes Unternehmen betreiben.

Die Kommission ermutigt die Unternehmen auch dazu, vorab mit ihr in Kontakt zu treten, um so den Aufwand früh genug abschätzen zu können. Es besteht die Möglichkeit, dass die Kommission auf Antrag gewisse Informationen ausklammert und die Beteiligten diese auch nicht erbringen müssen.

b) Sonstige neue Regeln

Die Durchführungsverordnung gibt für verschiedene Handlungen im Laufe des Verfahrens verschiedene Fristen vor. Diese reichen für unterschiedliche Vorgänge von fünf bis zu 65 Tagen, in einigen Fällen kann die Kommission die Frist auch flexibel festlegen.

An einigen Stellen können vertrauliche Informationen als solche gekennzeichnet werden, um ihre Verbreitung zu vermeiden. Möglicherweise muss die behauptete Vertraulichkeit auch begründet werden. Erachtet die Kommission derart eingestufte Informationen nicht als vertraulich, wird sie den Betroffenen hiervon in Kenntnis setzen und hat auch die Möglichkeit, die Information offenzulegen.

Nach Abschluss der eingehenden Prüfung können Unternehmen verpflichtet werden, der Kommission künftig und über einen gewissen Zeitraum zur Einhaltung der Verpflichtungen, erhaltenen Zuwendungen und weitere Beteiligungen an Vergabeverfahren Bericht zu erstatten.

Fazit

Die Durchführungsverordnung bringt neue Pflichten und Herausforderungen für Unternehmen. Besonders relevant ist dabei die Meldepflicht für Zusammenschlüsse und der Teilnahme an Vergabeverfahren. Grund hierfür ist die hohe drohende Geldbuße bei Missachtung und der hohe Aufwand, welcher mit dieser Pflicht einhergeht.

Unternehmen sind daher gehalten, für die Vergangenheit möglicherweise relevante Informationen zu identifizieren und bereitzuhalten und für die Zukunft ein System zur Erfassung dieser Informationen zu etablieren.

Tassilo Klesen
Christopher Theis

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

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Unternehmenszusammenschluss Wettbewerbsverzerrung Meldepflicht Vergabeverfahren

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