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Gesetzlicher Mindestlohn für Bereitschaftszeiten

Bundesarbeitsgericht vom 29. Juni 2016 – 5 AZR 716/15

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer ist als Rettungsassistent beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach dem Arbeitsvertrag die Regelungen des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) Anwendung. Die danach regelmäßige Wochenarbeitszeit beträgt 39 Stunden. Entsprechend der tariflichen Sonderregelung zu Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst wird die wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers, bestehend aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeit, auf durchschnittlich 48 Stunden festgesetzt. Das Bruttomonatsgehalt beträgt EUR 2.680,31 nebst Zulagen. Der Arbeitnehmer machte geltend, er erhalte sein Entgelt für 39, nicht etwa für 48 Wochenstunden. Für die Bereitschaftszeit leiste der Arbeitgeber also keine Vergütung, zumindest keine, die dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht. Die tarifliche Vergütungsregelung zu Bereitschaftszeiten sei daher auf Grund des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unzulässig geworden. Er verlangte eine übliche Vergütung von brutto EUR 15,81 je Arbeitsstunde für geleistete Bereitschaftszeiten im Januar und Februar 2015.



Entscheidung

Nach Auffassung des BAG sind Bereitschaftszeiten mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Dieser sei für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen. Zur vergütungspflichtigen Arbeit rechnen auch Bereitschaftszeiten, während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort – innerhalb oder außerhalb des Betriebs – bereithalten müsse, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Im Ergebnis lehnte das BAG einen weiteren Vergütungsanspruch dennoch ab, da dieser schon erfüllt sei. Bei maximal 228 Arbeitsstunden, die der Kläger mit Vollarbeit und Bereitschaftszeiten in einem Monat tatsächlich leisten könne, erreiche die gezahlte Monatsvergütung von EUR 2.680,31 den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zu EUR 8,50 = EUR 1.938,00 monatlich) nicht nur, sondern übersteige ihn. Damit sei das Mindestlohngesetz eingehalten.



Konsequenzen für die Praxis

Entsprechend dem Urteil des BAG vom 19. November 2014 (5 AZR 1101/12) zum Mindestentgelt in der Pflegebranche hat das Gericht nun für den gesetzlichen Mindestlohn bestätigt, dass Bereitschaftszeit vergütungspflichtige Arbeitszeit ist. Für die Einhaltung des Mindestlohngesetzes genügt es aber, wenn durch den Bruttomonatslohn sowohl die Vollarbeitszeit als auch eine zusätzliche Bereitschaftszeit abgegolten und der gesetzliche Mindestlohn insgesamt eingehalten wird.



Praxistipp

Zum einen sollten Arbeitgeber sicher gehen, dass das Monatsgehalt für Vollarbeit und Bereitschaftszeit insgesamt dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht. Es ist demnach durchzurechnen, ob pro geleistete Arbeitsstunde durchschnittlich EUR 8,50 (ab 1. Januar 2017 EUR 8,84) gezahlt werden. Zum anderen muss klar sein, dass die Bereitschaftszeit zur regelmäßigen, vertraglich bereits geschuldeten Arbeitszeit gehört. Nur dann wird sie mit der vertraglichen Vergütung abgegolten. Andernfalls wird der Arbeitnehmer erwarten können, dass seine zusätzliche Arbeitsleistung gesondert honoriert wird. Weiter zu beachten hat der Arbeitgeber den Unterschied zwischen Bereitschaftszeit und Rufbereitschaft. Die in dem Urteil entwickelten Grundsätze zum Mindestlohn für Bereitschaftszeiten lassen sich nicht ohne weiteres auf die Rufbereitschaft übertragen. Hier wird die Vergütung mit dem Mindestlohn nur in den Fällen erforderlich sein, in denen der Arbeitnehmer auch tatsächlich arbeitet.



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