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BMF-Vorschlag zur Anpassung des ErbStG

Eckpunkte-Papier des BMF für eine Neuregelung der Erbschaftsteuer für Unternehmensvermögen

Hintergrund

Das BVerfG hat den Gesetzgeber mit seinem Beschluss vom 17. Dezember 2014 über die Unvereinbarkeit der Verschonungsregeln für Unternehmensvermögen mit dem Grundgesetz verpflichtet, eine verfassungskonforme Neuregelung bis zum 30. Juni 2016 auszugestalten (vgl. hierzu insbesondere Newsletter Steuerrecht Sonderausgabe ErbSt). Trotz des langen Zeitraums scheint das BMF eine zeitnahe Lösung zu favorisieren. Vor einem Gespräch auf Bundes- und Länderebene über die Erbschaftsteuer im März dieses Jahres sind Eckpunkte des BMF für eine mögliche Umsetzung des BVerfG-Beschlusses bekannt geworden.

Die wesentlichen Verfassungsverstöße

Das BVerfG machte die Unvereinbarkeit der Verschonungsregeln an drei Kriterien fest:

Größenordnungen

In der derzeitigen Ausgestaltung wird Betriebsvermögen grundsätzlich unabhängig von dessen Größenordnung begünstigt. Hierin sieht das Bundesverfassungsgericht insoweit einen Verstoß gegen die Verfassung, als die Verschonung über kleine und mittlere Unternehmen ohne eine etwaige Bedürfnisprüfung hinausgehe und sich infolgedessen als unverhältnismäßig darstelle.

Lohnsummenregelung

Bei einer Beschäftigtenzahl von bis zu 20 Arbeitnehmern werden Betriebe nach derzeitiger Rechtslage von der Lohnsummenregelung ausgenommen. Dieser Umstand führt aus Sicht des BVerfG zur Unverhältnismäßigkeit der Norm, da ein Großteil der deutschen Unternehmen per se nicht unter die Lohnsummenregelung falle. Der ausgerufene Zweck der Arbeitsplatzerhaltung durch die überproportionale gesetzliche Ausnahme könne folglich nicht erreicht werden.

Verwaltungsvermögen

Betriebliches Vermögen wird aktuell selbst dann uneingeschränkt begünstigt, wenn es bis zu der Hälfte seines Wertes aus – grundsätzlich nicht zu begünstigendem – Verwaltungsvermögen besteht. Eine Abstufung sieht das Gesetz nicht vor: Besteht das Vermögen auch nur geringfügig zu mehr als der Hälfte aus Verwaltungsvermögen, fällt die Begünstigung in Gänze weg. Beide Umstände führen aus Sicht des BVerfG zur Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz.

Die wesentlichen Eckpunkte

Das BMF zieht die nachfolgenden Neuregelungen zur verfassungskonformen Ausgestaltung in Erwägung:

Größenordnungen

Die Verschonung von begünstigtem Vermögen soll in seiner derzeitigen Form – die Einhaltung der Haltefristen und der Lohnsummenregelung vorausgesetzt – grundsätzlich bis zu einer Freigrenze von EUR 20 Mio. gewährt werden.

Bei Übersteigen dieser Freigrenze soll die Begünstigung von einer individuellen Bedürfnisprüfung abhängig gemacht werden. Der Erwerber müsste mithin nachweisen, die Steuerschuld nicht aus bestehendem eigenen oder geerbtem privaten Vermögen begleichen zu können. Insoweit sei es zumutbar, dass bis zu 50 Prozent dieses Vermögens zur Tilgung der Steuerlasten eingesetzt werden.

Eine Stundung der Steuer soll erfolgen, sofern Vermögensgegenstände zur Tilgung der Steuer zunächst liquidiert werden müssten. Als letztes Mittel soll überdies ein Erlass für den Fall, dass die sofort verfügbaren Mittel nur teilweise zur Begleichung der Steuerlast ausreichen, in Betracht kommen.

Lohnsummenregelung

Anstelle der Grenze von 20 Arbeitnehmern soll die Lohnsummenregelung von dem Unternehmenswert abhängig gemacht werden. Unternehmen mit einem Wert von bis zu EUR 1 Mio. würden zwecks Entlastung von Verwaltungs- und Bürokratieaufwand von der Lohnsummenregelung ausgenommen.

Verwaltungsvermögen

Die Abgrenzung von begünstigungsfähigem Vermögen und schädlichem Verwaltungsvermögen soll neu ausgerichtet werden. Zukünftig würden Vermögensgegenstände nur dann begünstigt, wenn diese überwiegend dem Hauptzweck des Betriebes dienen. Dies sei der Fall, wenn Wirtschaftsgüter zu mehr als der Hälfte für betriebliche Zwecke, die losgelöst keine Vermögensverwaltung darstellen, verwandt werden. Läge mithin nach der neuen Definition nicht begünstigungsfähiges Verwaltungsvermögen vor, käme insoweit eine Verschonung nicht in Betracht. Lediglich ein Verwaltungsvermögensanteil von zehn Prozent sei unschädlich für die vollumfassende Begünstigung des Betriebes einschließlich des grundsätzlich nicht begünstigungsfähigen Vermögens.

Reaktionen und mögliche Auswirkungen

Die vorgeschlagene Bedürfnisprüfung gleicht der steuerlichen Offenlegung sämtlicher Vermögensverhältnisse. Folglich müsste auch grundsätzlich steuerlich nicht verhaftetes Privatvermögen aufgedeckt werden. Darüber hinaus ist fraglich, welche Vermögensgegenstände des Privatvermögens überhaupt herangezogen werden dürfen und können. Bis dato steht lediglich die Hälfte des Gesamtwertes im Raum. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass einerseits Vermögen, dessen Veräußerung unbillig wäre, und andererseits angemessene Familienwohnheime umfasst werden könnten.

Im Hinblick auf die angedachte Ausnahme von der Lohnsummenregelung in Abhängigkeit vom Unternehmenswert dürfte es fraglich sein, ob die Verhältnismäßigkeit nunmehr gewahrt wird. Es wird wiederum eine Vielzahl an Unternehmen geben, die unter der potentiellen Freigrenze liegen.

Die Umkehr der Abgrenzung weg von nicht begünstigungsfähigem Verwaltungsvermögen hin zu begünstigten Wirtschaftsgütern könnte grundsätzlich Rechtssicherheit schaffen – dennoch dürfte es Streitigkeiten über die Zuordnung zu betriebsnotwendigen Zwecken und einer Vermögensverwaltung geben.

Die Vorschläge des BMF lösten auf Länderebene zwiespältige Reaktionen aus. Insbesondere die Finanzminister der Länder Bayern und Baden-Württemberg lehnten die Reformvorschläge als mittelstandsfeindlich und die Familienunternehmen benachteiligend ab. Diesbezüglich bedürfe es weitreichender Ausnahmen. In anderen Bundesländern, beispielsweise Nordrhein-Westfalen, gab es wiederum erste Zusprüche.

Fazit für die Praxis

Die latente Rechtsunsicherheit beinhaltet einerseits Risiken, anderseits kann hingegen existentes Gestaltungspotential im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage vor einer Neuregelung ausgenutzt werden. Es bietet sich unter Umständen an, dem Gesetzgeber im Rahmen der Nachfolgeplanung zuvor zu kommen und in den Grenzen der bisherigen verfassungskonformen Ausgestaltung Verschonungsmöglichkeiten zu Lebzeiten auszunutzen.

Die Vorschläge des BMF könnten jedoch zu einer Verschärfung der bisherigen Verschonungsregelungen führen. Insbesondere eine mögliche Rückwirkung dürfte ihrerseits Abgrenzungsschwierigkeiten nach sich ziehen. Zu begrüßen wäre definitiv eine Neuregelung ex nunc.

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