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Beschleunigte Vergabeverfahren für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen

Der Zustrom von Flüchtlingen und Asylsuchenden fordert von Staat und Kommunen kurzfristig Lösungen für Unterbringung und Versorgung. Soweit dafür Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträge vergeben werden müssen, findet Vergaberecht Anwendung.

Unverzügliche Leistungsbeschaffung und rechtssichere Vergabe lassen sich dabei in Einklang bringen. Darauf haben hingewiesen

  • das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit „Rundschreiben zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen“ vom 24. August 2015 - Az. IB6-270100/4 – und unter Bezugnahme darauf auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit Erlass vom 25. August 2015 – Az. BI7-81063.6/2;
  • die EU-Kommission durch „Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat zu den Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik“ vom 9. September 2015 – COM(2015) 454 final.



Zusammengefasst lautet die Aussage dieser Mitteilungen, dass für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte, die den Regelfall bilden dürften, das Haushaltsrecht ein geeignetes Vorgehen ermöglicht. Verwiesen wird auf

  • die Regeln zur Beschleunigung von Vergabeverfahren durch Festlegung entsprechend kurzer Angebotsfristen (s. § 10 VOB/A, § 10 VOL/A);
  • die Wahl eines freihändigen Vergabeverfahrens in Fällen beson-derer Dringlichkeit aus Gründen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte (s. § 3 Abs. 5 Nr. 2 VOB/A, § 3 Abs. 5 Buchst. g VOL/A); in der gegenwärtigen Situation dürfte dies – so die genannten Mitteilungen – regelmäßig gegeben sein.



Für Vergaben ab den EU-Schwellenwerten von EUR 5.186.000 für Bauleistungen und EUR 134.000 bzw. EUR 207.000 für Liefer-und Dienstleistungsvergaben verweisen BMWi und EU-Kommission auf:

  • das beschleunigte nicht offene Verfahren (s. § 10 EG Abs. 2 Nr. 6 VOB/A, § 12 EG Abs. 4 VOL/A, § 7 Abs. 2 VOF), wobei die Voraussetzung besonderer Dringlichkeit wie vorstehend so auch hier in der Regel als gegeben angenommen werden kann;
  • das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (§ 3 Abs. 5 Nr. 4 i.V.m. § 10 EG Abs. 3 Nr. 2 VOB/A, § 3 EG Abs. 4 Buchst. d VOL/A, § 3 Abs. 4 Buchst. c VOF).



Voraussetzungen sind dafür nach der EuGH-Rechtsprechung: ein unvorhergesehenes Ereignis, dringliche und zwingende Gründe sowie ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und der Unmöglichkeit, die Fristen einzuhalten (Einzelheiten dazu s. auch BMWi-Rundschreiben vom 09.01.2015 – IB6-270100/14). BMWi und EU-Kommission sehen diese Voraussetzungen in der gegenwärtigen Situation als regelmäßig gegeben an.

Vorsorglich ist anzumerken, dass das BMWi stets vom Regelfall in der gegenwärtigen Situation ausgeht und die EU-Kommission in den Schlussfolgerungen ihrer Mitteilung ausdrücklich auf das Erfordernis einer Fall-zu-Fall-Entscheidung hinweist. Es ist also insbesondere im Auge zu behalten, inwieweit im Verlauf der weiteren Entwicklung die Gründe für die Nutzung beschleunigter Vergaben unverändert weiterbestehen oder nur noch fallweise gegeben sind. Entsprechend sollten die Auftraggeber die Anregung im BMWi-Rundschreiben beachten, „stets zu prüfen, ob im Zusammenhang mit der Versorgung einer noch nicht genau abzuschätzenden Zahl von Flüchtlingen mit Liefer- und Dienstleistungen auf das Instrument einer Rahmenvereinbarung zurückgegriffen werden kann“.

Bei Interesse stellen wir Ihnen alle genannten Dokumente auf Anfrage gerne zur Verfügung.

Bitte wenden Sie sich an: Timm R. Meyer

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