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Umsatzsteuerliche Sonderregelungen für Gebietskörperschaften

Umsatzsteuerliche Sonderregelungen für Gebietskörperschaften – BMF-Schreiben vom 22. Mai 2023 zu Anwendungsfragen bei der dezentralen Besteuerung nach § 18 Abs. 4f und 4g des Umsatzsteuergesetzes (UStG)

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich in einem Schreiben zur dezentralen Besteuerung von Bund und Ländern geäußert. Das BMF bietet damit eine Orientierung für alle, die mit der dezentralen Umsatzbesteuerung und der Organisation von Gebietskörperschaften zu tun haben.

Hintergrund

Dem Grundsatz der Unternehmenseinheit folgend haben Bund und Länder – als juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) – lediglich ein Unternehmen. Dies gilt, obwohl sie mehrere Betriebe gewerblicher
Art (BgA) unterhalten. Hieraus folgt, dass von der jPöR nur eine einheitliche Steuererklärung abzugeben ist und ihr gegenüber auch nur ein einheitlicher Umsatzsteuerbescheid ergehen kann (zentrale Erfassung). Dass diese Vorgehensweise in der Praxis der Gebietskörperschaften Bund und Länder inklusive ihrer Organe (bspw. nachgeordnete Behörden) weder praktikabel noch beherrschbar ist, lag bereits lange Zeit auf der Hand.

Weiter verkompliziert wurde diese Ausgangslage durch die divergierende ertragsteuerliche Behandlung, wonach jPöR mit jedem von ihnen unterhaltenen BgA Körperschaftsteuer- sowie Gewerbesteuersubjekt sind und eine gesonderte Steuernummer erhalten.

Aus Gründen der Vereinfachung beruhte die bisherige Besteuerungspraxis auf diversen Billigkeitsregelungen der Finanzverwaltung, etwa den Unternehmer mit seinen BgA nicht zentral zu veranlagen, sondern grundsätzlich jeden BgA des Bundes bei dem Finanzamt gesondert zu veranlagen, in dessen örtlicher Zuständigkeit der Betrieb zuständig ist. Diese verwaltungstechnischen Vereinfachungsregelungen ließen aber unberührt, dass materiell-rechtlich allein die jPöR der umsatzsteuerliche Unternehmer und zutreffender Bescheidadressat ist.

Mit Einführung des § 2b UStG erübrigt sich die bisherige Anknüpfung an den körperschaftsteuerlichen BgA-Begriff. Stattdessen begründet jede selbständig ausgeübte nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (wirtschaftliche Tätigkeit) die Unternehmereigenschaft der jPöR, sodass diese nicht mehr nur innerhalb ihrer BgA steuerbare und steuerpflichtige Umsätze zu erklären haben. Infolgedessen entfällt auch die bisher im Billigkeitswege praktizierte dezentrale Besteuerung der BgA.

Einführung einer dezentralen Umsatzbesteuerung von Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften
Bund und Länder

Entsprechend zum materiell-rechtlichen Systemwechsel mit Einführung des § 2b UStG wurde mit dem Jahressteuergesetz 2020 das dezentrale Besteuerungsverfahren der jPöR eingeführt. Gemäß § 18 Abs. 4 f UStG können Organisationseinheiten als eigenständige Steuerpflichtige auftreten, wenn das die übergeordneten Organisationseinheiten so wollen.

Damit soll bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt werden und zudem die Erfassung steuerbarer Umsätze an der sachnäheren Behörde erfolgen, um den bürokratischen Aufwand gering zu halten. Den Gebietskörperschaften wird mit dieser Regelung die Möglichkeit eröffnet, ihr umsatzsteuerliches Unternehmen in getrennt umsatzsteuerlich geführte Bereiche aufzuteilen und insoweit autonom ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen, mit getrennten Steuernummern. Trotz der besonderen steuerverfahrensrechtlichen Kompetenzverteilung gilt die Körperschaft des öffentlichen Rechts, also die Gebietskörperschaft (der Bund oder das jeweilige Land), als einheitliches Unternehmen.

Die Abgabe der Umsatzsteuererklärung obliegt nicht dem Unternehmer, sondern den jeweiligen Organisationseinheiten der Gebietskörperschaft, d. h. des Bundes oder des Landes. Für Kommunen ist die dezentrale Besteuerung nicht anwendbar, sodass diese weiterhin eine Umsatzsteuererklärung für die gesamte unternehmerische Betätigung der Gemeinde abgeben müssen.

Zu den Rechten und Pflichten zählen neben den Steuererklärungspflichten Verwaltungsverfahren, Rechnungsprüfungsverfahren, gerichtliche Verfahren in Steuersachen sowie Straf- und Bußgeldverfahren. Die steuerverfahrensrechtlichen Pflichten sowie die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verantwortlichkeiten liegen damit bei der Leitung der jeweiligen Organisationseinheit und nicht etwa bei einem Ministerpräsidenten oder einer Ministerpräsidentin als Vertreter(in) des Unternehmens „Land“.

Die Regelung ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Sie ist jedoch erst anwendbar, wenn die Gebietskörperschaften unter die Regelung des
§ 2b UStG fallen. Dies ist – soweit sie von der Option des
§ 27 Abs. 22 UStG Gebrauch gemacht haben – nach derzeitigem Stand spätestens ab dem 1. Januar 2025 der Fall.

BMF-Schreiben vom 22. Mai 2023

Praktische Fragen, etwa, was unter einer Organisationseinheit zu verstehen ist sowie klare Abgrenzungskriterien, nach denen die Zuordnung von Umsätzen zu einer bestimmten Organisationseinheit zu erfolgen hat, werden im BMF-Schreiben vom 22. Mai 2023 erörtert.

Das BMF-Schreiben enthält die Verwaltungsauffassung zur Definition der Organisationseinheiten und zur Flexibilität bei ihrer Bildung. Des Weiteren behandelt es Details zu speziellen Situationen, z. B. zu Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, die zu verschiedenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören, sog. janusköpfige Einrichtungen.

Darüber hinaus werden Überschreitungen von Betragsgrenzen und die einheitliche Ausübung von Wahlrechten dargestellt. Das Schreiben bietet außerdem Hinweise zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens für Organisationseinheiten einschließlich Steuererfassung, elektronischer Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen und der Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für Organisationseinheiten.

Darüber hinaus enthält das Schreiben Sonderregelungen für die örtliche Zuständigkeit. Zu Fragen des Vorsteuerabzuges bei unternehmerisch tätigen jPöR wird ein gesondertes BMF-Schreiben angekündigt.

Praxishinweis

Die Bildung von Organisationseinheiten – und mit ihr die Delegation der beschriebenen Rechte und Pflichten auf die sachnähere Behörde sowie die Übertragung der Verantwortlichkeiten auf die Leitung der jeweiligen Einheit – ist nicht verpflichtend. Erklärt die Gebietskörperschaft, dass für sie die Regelungen der dezentralen Besteuerung nicht zur Anwendung kommen sollen, ist das Unternehmen wie jedes andere Unternehmen in einem einheitlichen Verfahren zu besteuern. Hier gilt es bei einer Gesamtbetrachtung aller Organisationseinheiten zu prüfen, ob von der Verzichtsmöglichkeit Gebrauch zu machen ist.

Zu beachten ist zudem, dass die dezentrale Umsatzbesteuerung nur für die Behörden des Bundes und der Länder gelten, nicht aber für andere jPöR, die auch viele, teilweise über das ganze Bundesgebiet verstreute, selbständig agierende Einheiten unterhalten. Damit sind etwa die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ebenso wie Stiftungen des öffentlichen Rechts und Kammern von den Regelungen nicht betroffen.

Wir empfehlen, das vollständige BMF-Schreiben sowie den ebenfalls geänderten Umsatzsteuer-Anwendungserlass durchzulesen, um ein umfassendes Verständnis der behandelten Themen zu erlangen. Die Umsetzung der dezentralen Besteuerung, die gemeinsam mit § 2b UStG stattfindet, erfordert insbesondere, nicht nur die Vorgaben des § 2b UStG innerhalb eines Tax-CMS sachlich zu integrieren, sondern in Anbetracht der geplanten dezentralen Umsatzbesteuerung von Bund und Ländern auch Compliance- und Erklärungspflichten rechtssicher zuzuordnen.

Markus P. Linnartz

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Gebietskörperschaften Umsatzsteuer dezentrale Besteuerung

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