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Übertragung von kommunalen Pflichtaufgaben: Rettung der Beistandsleistung?

Verfügung betreffend Umsatzsteuer; Übertragung von kommunalen Pflichtaufgaben mit befreiender Wirkung vom 15. Februar 2023,
LfSt Bayern S 7107.1.1 – 30/4 St33, UR 2023, 699-701

Hintergrund

Die o. g. Verfügung gibt eine Verständigung der Referatsleiterinnen und Referatsleiter Umsatzsteuer des Bundes und der Länder wieder und fügt sich in eine Reihe von Stellungnahmen der Finanzverwaltung ein, die der Förderung eines rechtssicheren Umgangs mit den neuen Regelungen des § 2b UStG dienen soll. Der Versuch des Gesetzgebers, mit § 2b Abs. 3 UStG Beistandsleistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) systematisch vor der Umsatzsteuerbarkeit durch gesetzliche Typisierung zu retten, war nicht erfolgreich. Die Europäische Kommission hatte hiergegen ein Vertragsverletzungsverfahren vorbereitet. Als Reaktion hierauf ruderte die Finanzverwaltung mit
BMF-Schreiben vom 14. November 2019, in BStBl. I 2019, 1140, zurück, sodass nun in der Praxis auch bei Erfüllung seiner Tatbestandsmerkmale das Vorliegen „größerer Wettbewerbsverzerrungen“ in jedem Einzelfall geprüft werden muss. Die bundesweit geltende Verfügung stellt für die Übertragung von Pflichtaufgaben auf andere jPöR – insbesondere bei interkommunaler Zusammenarbeit – besondere Voraussetzungen für das Fehlen der Wettbewerbsrelevanz auf. Dabei ist die zentrale Frage: wie ist § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG auszulegen?

Inhalt der Verfügung

Ausgangspunkt der Verfügung ist die Feststellung, dass die entgeltliche Übertragung einer Pflichtaufgabe mit befreiender Wirkung auf eine andere jPöR einen Leistungsaustausch darstellt, selbst wenn eine gesetzliche Grundlage für eine Aufgabenübertragung existiert, die eine Übertragung nur auf eine andere jPöR zulässt (z. B. Art. 7 BayKommZG, § 3 Abs. 5 GO NRW i. V. m. §§ 23 ff. GkG NRW, § 8 KGG Hessen, § 1 NKomZG).

Eine Umsatzbesteuerung kommt aber nur dann in Betracht, wenn die übernehmende jPöR – entweder eine andere Kommune oder ein Zweckverband – als Unternehmer einzuordnen ist. Unternehmer ist die jPöR aber nur, wenn die Leistungen, die diese im Rahmen der Aufgabenübertragung erbringt, nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. Im Rahmen von auf Gesetz beruhenden Leistungen zwischen jPöR stellt § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG klar, dass eine größere Wettbewerbsverzerrung nicht vorliegt, wenn die Leistungen nur von jPöR erbracht werden können.

Um die entgeltliche Übertragung von Pflichtaufgaben – insbesondere im Bereich der gemeinschaftlichen Selbstverwaltung – ab Geltung des
§ 2b UStG ab dem 1. Januar 2025 nicht umsatzsteuerbar und -pflichtig werden zu lassen, haben die Referatsleiterinnen und Referatsleiter Umsatzsteuer des Bundes und der Länder den Anwendungsbereich des
§ 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG erweitert, indem nunmehr ein ausdrücklicher gesetzlicher Vorbehalt der öffentlichen Hand nicht mehr erforderlich ist. Denn dieser ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bei Pflichtaufgaben systemimmanent. Es kommt letztlich vielmehr darauf an, dass „… die befreiende Wirkung als besondere rechtliche Rahmenbedingung maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der die Aufgabe übertragenden jPöR hat, die Leistung von der anderen jPöR in Anspruch zu nehmen

(BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2016,
III C 2 - S 7107/16/10001, BStBl. I 2016, 1451 Rn. 26).

Als Voraussetzungen für eine Nichtsteuerbarkeit bei der Übertragung von Pflichtaufgaben legt die Verfügung somit folgende Punkte fest:

  1. Zweckvereinbarung, die ausdrücklich festlegt, dass die Pflichtaufgabe mit befreiender bzw. delegierender Wirkung übertragen wird.

  2. Vorliegen einer gesetzlichen Pflichtaufgabe (auch Teilaufgaben fallen darunter).

  3. Befreiende bzw. delegierende Wirkung der Aufgabenübertragung ist maßgebliches Motiv für die übertragende jPöR.

Im Ergebnis wird daher im Rahmen von Auftragsverhältnissen, d. h. eine jPöR „mandatiert“ die andere jPöR zur Ausführung von entgeltlichen Leistungen als Erfüllungsgehilfen, eine größere Wettbewerbsverzerrung bejaht.

Überraschend sollen auch Gebäudereinigungsleistungen für kommunale Liegenschaften durch ein gegründetes Kommunalunternehmen nicht umsatzsteuerbar sein, da für die Gemeinde zum ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte die Reinigung und Erhaltung der Räumlichkeiten von gemeindlichen Einrichtungen gehört (z. B. Rathaus, Wasserwerk, Bauhof, Schulen, Kindertagesstätte und Feuerwehrhaus).

Bewertung und Folgen für die Praxis

Mit der Verfügung soll verhindert werden, dass die gemeinschaftliche Selbstverwaltung im Rahmen der Erledigung von Pflichtaufgaben sowie die schuldbefreiende Übernahme von (Teil-)Aufgaben anderer jPöR nicht ab dem 1. Januar 2025 umsatzsteuerpflichtig wird. Grundsätzlich sind das Ziel der Verfügung und die Bereitschaft der Finanzverwaltung zur Lösung der ungewollten Besteuerung von Leistungen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Pflichtaufgaben zu begrüßen. Denn in vielen Fällen ist es auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoller, sich zur gemeinsamen Aufgabenerledigung zusammenzuschließen. Diese Verfügung kann daher als Planungsgrundlage für derartige Strukturüberlegungen aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht dienen. Trotzdem darf bezweifelt werden, dass diese Verfügung in der dargestellten Reichweite Bestand haben wird. Zwar werden sich jPöR dieser Verfügung bei der Besteuerung derartiger Strukturen gerne bedienen.

Allerdings werden insbesondere bei den Teilaufgabenübertragungen – v. a. wenn diese im Kern isolierte, privatwirtschaftliche Dienstleistungen wie z. B. Reinigungsleistungen betreffen – private Unternehmen sich entweder im Rahmen der Ausschreibung oder etwaigen Konkurrentenklagen zur Herstellung der wettbewerbsneutralen Besteuerung gegen diese Auslegung wenden, da zumindest diese Tätigkeiten nicht der öffentlichen Verwaltung vorbehalten sind. Insoweit erscheint die in der Verfügung vorgenommene extensive Auslegung der Finanzverwaltung der Beistandsleistung als äußerst zweifelhaft.

Eine Rettung der Beistandsleistung ist daher – wenn überhaupt – nur zum Teil geglückt.

Marcus Mische
Fabian Buker

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Marcus Mische

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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Fabian Buker

Rechtsanwalt, Wirtschaftsjurist (Universität Bayreuth)

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