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Gewerberaummiete bleibt auch während coronabedingter Schließung geschuldet

Das Thema „Coronavirus“ bzw. „COVID-19-Pandemie“ hat im Immobilienrecht in den vergangenen Monaten erhebliche Beachtung gefunden. Eine der ersten Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie intensiv diskutiert wurden, betraf die Auswirkungen behördlich angeordneter Betriebsschließungen auf Gewerberaummietverträge.

In unserem Beitrag vom 30. März 2020 „Mögliche Auswirkungen des Coronavirus auf das Immobilienwirtschaftsrecht“ haben wir die Auswirkungen und die Folgen der Pandemie für das Mietvertrags-, Bauträgervertrags-, Werkvertrags-, sowie das Kaufrecht beleuchtet. Hierbei sind wir zum Ergebnis gelangt, dass coronabedingte Schließungen weder eine Höhere Gewalt (Force Majeure), noch die Unmöglichkeit nach § 275 BGB oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB begründen. Auch haben wir feststellen dürfen, dass Mietern von Gewerberäumen kein Mietminderungsrecht zusteht, da ein Mietmangel nicht vorliegt. Nunmehr wurden die bislang ersten gerichtlichen Entscheidungen – des Landgerichts Heidelberg, Urteil vom 30. Juli 2020 - 5 O 66/20 sowie des Landgerichts Frankfurt a. M., Urteil vom 02. Oktober 2020 – 2-15 O 23/20 – zur Mietzahlungspflicht während der COVID-19-Pandemie veröffentlicht. Beide Gerichte kommen zum Ergebnis: Gewerberaummiete bleibt auch während coronabedingter Schließung geschuldet.

In diesem Beitrag stellen wir die aktuelle Entscheidung der 15. Kammer des LG Frankfurt a. M. vor, die in ihrem Urteil auf die Entscheidung des LG Heidelberg verweist.

1. Sachverhalt

Die Mieterin – eine große Textil-Filialkette – mietet Geschäftsräume für eine Filiale zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts in Frankfurt am Main. Im Zuge der COVID-19-Pandemie verordnete das Land Hessen die Schließung sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels, also auch des Geschäfts der Mieterin, in der Zeit vom 18. März 2020 bis zum 20. April 2020. In diesem Zeitraum entrichtete die Mieterin die Miete nicht in vollem Umfang. Die Vermieterin machte nach erfolgloser außergerichtlicher Zahlungsaufforderung die Miete gerichtlich geltend – mit Erfolg.

2. Begründung der Entscheidung

Das Landgericht Frankfurt a. M. bestätigt, dass behördliche Schließungsanordnungen wegen der COVID-19-Pandemie grundsätzlich weder zum Entfall der Mietzahlungspflicht noch zu einer Mietminderung führen. Auch stellt die Anordnung keinen Teil der Unmöglichkeit dar. Solange der Mieter das Risiko trägt, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können, führen befristete Schließungen zudem nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Hierzu im Einzelnen:

2.1 Mietminderungsrecht

Die 15. Kammer des LG Frankfurt a. M. erklärt im Urteil vom 2. Oktober 2020 – 2-15 O 23/20, mit Verweis auf die o. g. Entscheidung des LG Heidelberg, dass kein Mietminderungsrecht vorliegt. Zwar können auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Beschränkungen zu einem Mangel führen. Vorausgesetzt werde hierfür aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Der Gewerberaum als Mietsache war auch während der coronabedingten Schließung zur Nutzung geeignet. Das hoheitliche Einschreiten bzw. die Untersagung beschränkte nicht die Nutzung der Mietsache, ihre Lage oder Beschaffenheit, sondern die Art des Geschäftsbetriebs der Mieterin. Diese fällt in den Risikobereich der Mieterin, so dass ein Mietmangel nicht vorlag.

2.2 § 275 BGB - Unmöglichkeit

Zur Unmöglichkeit erklärt die 15. Kammer des LG Frankfurt a. M. ausdrücklich, dass eine coronabedingte Schließung der Geschäftsräume ausschließlich die Nutzungstätigkeit der Mieterin betreffe, nicht dagegen verändere sie die Gebrauchsverschaffungspflicht der Vermieterin. Aus diesem Grunde lag auch keine Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB vor. Vielmehr habe die Vermieterin, wie es ihrer Hauptleistungspflicht entspricht, die Mietsache in gebrauchstauglichem Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die Mieterin nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, liegt nicht an der Sache selbst. Ein Entfall der Gegenleistungspflicht der Mieterin und folglich der Mietzahlung war damit unbegründet.

2.3 § 313 BGB - Wegfall der Geschäftsgrundlage

Auch zum Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB nahm die Kammer in der o. g. Entscheidung Stellung. Zwar könne die Schließung einer Filiale durchaus zu einem „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ des betreffenden Gewerberaummietvertrages führen. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB sei jedoch bei der anzustellenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls auf die vertragliche Risikoverteilung abzustellen. Im vorliegenden Falle hatte die Mieterin das Verwendungsrisiko der Mietsache (mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können) zu tragen. Eine entsprechende vertragliche Risikoübernahme der Mieterin schließe – abgesehen von extremen Ausnahmefällen – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei der Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Extreme Ausnahmefälle durch die Schließung sind grundsätzlich der Eintritt von existenziell bedeutsamen Folgen für die Mieterin, wie etwa einer Existenzgefährdung oder einer vergleichbaren unzumutbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung. Sind die Tatbestände – wie vorliegend – nicht erfüllt, so bleibt es für die Mieterin weiterhin zumutbar, am unveränderten Vertrag festzuhalten. Das Gericht lehnte einen Wegfall der Geschäftsgrundlage aus diesem Grunde ab.

3. Ausblick und Bewertung

Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a. M. lässt erkennen, dass Gewerbemieter zumindest nicht generell Mietminderungen oder den Ausschluss der Mietzahlungspflicht wegen behördlicher Schließungsanordnungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie geltend machen können. Allerdings deuten beide Gerichte darauf hin, dass bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage gegeben ist. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Rechtsprechung zu den Corona-Maßnahmen im Mietrecht entwickelt und in welchen Fällen außergewöhnliche Umstände im Sinne des § 313 BGB angenommen werden.

In jedem Fall wird eine einvernehmliche Lösung zwischen den Mietvertragsparteien empfohlen. In einer solchen kann die Höhe der Miete sowie etwa vereinbarte Stundungen, Mietreduktionen etc. vereinbart werden. Nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter wird an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sein. Insbesondere wird ihm an der dauerhaften wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters gelegen sein. Vereinbarungen zwischen den Mietparteien sind im Rahmen eines schriftformgerechten Nachtrags zum Mietvertrag festzuhalten.

Gerne beraten und unterstützen wir Sie bei entsprechenden Gesprächen und Vereinbarungen. Kommen Sie gerne auf uns zu.

Klaus Beine

Dr. Angela Kogan

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Immobilienrecht Gewerbemiete Betriebsschließungen Corona

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