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Unternehmenstransaktionen – Warum im Medizinprodukterecht erhöhte Vorsicht geboten ist

Die Medical Devices Regulation (nachfolgend „MDR“) wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf Transaktionen im Medizinproduktesektor aus. Medizinproduktrechtliche Besonderheiten müssen sowohl bei der Frage der Erwerbsform als auch bei der Due Diligence unbedingt berücksichtigt werden.

In den letzten Jahren fanden zahlreiche M&A-Transaktionen im Bereich des Medizinprodukterechts statt. Dies liegt zum einen an den Zusammenschlüssen kleinerer und mittlerer Unternehmen, die Skalen- und Synergieeffekte nutzen möchten. Zum anderen haben sich durch die voranschreitende Digitalisierung viele Start-ups auf dem Markt etabliert, die neue Technologien im medizinischen Bereich bereitstellen. Insbesondere deutsche Unternehmen gehören zur absoluten Weltspitze und wecken die Begierde ausländischer Investoren.

Transaktionsstruktur

Wird ein Unternehmen erworben, das in die Herstellung oder den Vertrieb von Medizinprodukten involviert ist, kommt der Transaktionsstruktur große Bedeutung zu. Da Erteilung und Bestand von Produktzertifizierungen den Unternehmenswert maßgeblich mitbestimmen, ist deren Übergang auf den Erwerber von entscheidender Bedeutung. Ein wesentlicher Aspekt ist daher die Frage, ob ein Share- oder Asset Deal diese Besonderheiten besser erfasst. Welche Transaktionsstruktur vorzugswürdig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.

Share Deal

Grundsätzlich gilt der Share Deal bei einer Transaktion im Medizinproduktebereich als die weniger aufwändige Variante. Das hängt insbesondere mit der Tatsache zusammen, dass mit den Anteilen an der Zielgesellschaft auch die daran anhaftenden Rechte und Pflichten übergehen. Dies kann im Hinblick auf die regulatorischen Vorgaben einen erheblichen Vorteil darstellen. Da sich der Wert eines Medizinproduktes vor allem danach bestimmt, ob hierfür eine rechtliche Zulassung – wie insbesondere eine CE-Kennzeichnung – vorliegt, ist deren Übergang für den Erwerber von besonderem Interesse. Im Unterschied zum Asset Deal behält das erworbene Unternehmen bei einem Share Deal seine rechtliche Identität bei. Es kommt nicht zu einem Wechsel in der Person des Herstellers und die CE-Kennzeichnung bleibt, ebenso wie andere Zulassungen und Genehmigungen, erhalten.

Der Übergang erfolgt jedoch nicht bedingungslos, sondern ist an die Voraussetzung geknüpft, dass sowohl die Firma als auch die interne Organisation wie z.B. die existenten Qualitätssicherungssysteme und die Verantwortlichkeitsverteilung im Rahmen der Produktüberwachung des Zielunternehmens beim Übergang unverändert bleiben. Wird die Ablauf- oder Aufbauorganisation verändert, ist zumeist eine Neuzertifizierung notwendig. Auch wenn der Erwerber ausnahmsweise das Unternehmen umfirmiert, wird aufgrund der Namensänderung des Herstellers eine Neuzertifizierung sowie eine Anpassung der Kennzeichnung erforderlich.

Ein weiterer Vorteil des Share Deals ist, dass sämtliche unternehmensinternen und -externen Beziehungen unangetastet bleiben. Eine Ausnahme hiervon besteht nur, wenn in der Vertragsbeziehung zu einem Dritten eine Klausel aufgenommen wurde, die dem Dritten das Recht einräumt, sich bei Änderung der Beteiligungsverhältnisse einseitig vom Vertrag zu lösen (Change-of-Control-Klauseln). Auch bei gegebenenfalls gewährten Fördermitteln bedarf es diesbezüglich eines genaueren Blickes.

Asset Deal

Der Asset Deal stellt im Bereich der Medizinprodukte oftmals die aufwändigere Transaktionsvariante dar. Dies beruht auf dessen rechtlicher Struktur, bei der einzelne Wirtschaftsgüter aus der Gesellschaft herausgelöst und auf den Käufer übertragen werden.

Da Zulassungen an die Firma des Herstellers gebunden sind, macht jede Änderung der Organisationsstruktur eine Neufirmierung erforderlich. Hiervon ausgenommen sind lediglich Medizinprodukte der Klasse I, bei denen ein Unternehmen die Zertifizierung selbst vornehmen kann. Ein zeitintensiver Zertifizierungsprozess kann nur umgangen werden, indem einzelne Betriebsstätten unverändert übernommen werden. Da in diesem Fall eine Neubewertung aufgrund der bereits vorhandenen Dokumente erfolgt, reicht eine Anzeige an die Benannte Stelle aus. Auch hierbei ist der Erwerber als Neuhersteller jedoch verpflichtet, das Produkt entsprechend neu zu kennzeichnen. Ausnahmsweise kann der Mehraufwand des Asset Deals aufgrund steuerlicher Aspekte gerechtfertigt sein.

Due Diligence

Im Vorfeld einer Transaktion bedarf es einer sorgfältigen Prüfung und Analyse des Zielunternehmens im Hinblick auf dessen wirtschaftliche, rechtliche, steuerliche und finanzielle Verhältnisse (sog. Due Diligence) durch den potenziellen Erwerber. Im Rahmen hochregulierter Märkte, wie dem der Medizinprodukte, kommt dieser Prüfung eine besondere Bedeutung zu.

Die Due Diligence soll aufzeigen, inwiefern das Zielunternehmen den strengeren Anforderungen der MDR gerecht werden kann und welche potenziellen Haftungsrisiken für den Erwerber bestehen. Dabei muss zunächst ermittelt werden, welche Regulierungsvorschriften für das hergestellte oder vertriebene Produkt gelten. Aufgrund teilweise nur marginaler Unterschiede zwischen dem Medizinprodukterecht und ähnlichen Sparten wie dem Arzneimittelrecht kann bereits diese Zuordnung Schwierigkeiten bereiten.

Ist der Anwendungsbereich der MDR eröffnet, so spielt die Einordnung des Zielunternehmens eine entscheidende Rolle. Je nachdem, ob das Unternehmen als Hersteller, Importeur oder in einer anderen Rolle tätig wird, werden besondere rechtliche Pflichten wie Dokumentationserfordernisse oder Überwachungs- und Prüfpflichten ausgelöst. Aus diesem Grund bedarf es einer genauen Untersuchung, ob die für die Zertifizierung notwendigen regulatorischen Vorgaben eingehalten werden und zukünftig eingehalten werden können. Werden innerhalb der Due Diligence Risiken ausfindig gemacht, sollten diese adäquat durch die Abgabe von Garantien, durch Freistellungen oder durch eine Kaufpreisreduktion im Unternehmenskaufvertrag abgebildet werden. Im Hinblick auf die strengen Anforderungen der MDR kann es im Einzelfall auch sinnvoll sein, bestimmte Voraussetzungen als aufschiebende Bedingung auszugestalten.

Ausblick und Anmerkungen

Die Neuerungen der MDR verschärfen die bereits bestehenden Schwierigkeiten einer Unternehmenstransaktion im Medizinprodukterecht. Hersteller haben durchweg zu gewährleisten, dass ihre Produkte den regulatorischen Anforderungen genügen. Außerhalb der EU gestaltet sich der Übergang von Zulassungen und Genehmigungen als noch komplizierter und kann im Einzelfall sehr zeit- und ressourcenintensiv sein.

Wird ein Verkauf oder Erwerb eines solchen Unternehmens erwogen, sollten frühzeitig Spezialisten hinzugezogen werden, die neben den steuerlichen Auswirkungen der Transaktionsstruktur auch die regulatorischen Vorgaben im Blick behalten und Haftungsrisiken eindämmen können.

Benjamin Knorr
Andreas Scheffold

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Medical Devices Regulation CE-Kennzeichnung

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