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Neues Beschlussmängelrecht für Personengesellschaften – Wechsel zum Anfechtungsmodell

Seit dem 01.01.2024 gelten durch das „Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ (MoPeG) für Personengesellschaften neue Regelungen für Beschlussfassungen und Beschlussmängel: Für OHG, KG und GmbH & Co. KG wurden die Regelungen an diejenigen der Kapitalgesellschaften angepasst und damit gesetzlich das sog. „Anfechtungsmodell“ eingeführt. Ergänzend sind vertragliche Regelungen über das Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen sinnvoll.

Neuerungen für OHG, KG und GmbH & Co. KG – Alte Probleme bei GbR und Partnerschaft

Vor der Einführung des MoPeG gab es für Personengesellschaften kaum gesetzliche Regelungen zu Beschlussfassung und -mängeln. Auch wenn die Gerichte in den letzten Jahren immer wieder Entscheidungen zu einzelnen Fragen getroffen haben, blieb in weiten Teilen große Unsicherheit in Bezug auf die Voraussetzungen für Gesellschafterbeschlüsse sowie die Folgen mangelhafter Beschlüsse. Die am 01.01.2024 in Kraft getretene Gesetzesreform sollte diesen unbefriedigenden Zustand beheben und klare gesetzliche Regelungen schaffen. Das ist gelungen, allerdings nur teilweise, so dass weiterhin vertragliche Regelungen in Gesellschaftsverträgen sinnvoll sind.

Beschlussmängelrecht bei OHG, KG und GmbH & Co. KG - Anfechtungsmodell

Bei den Personenhandelsgesellschaften, insb. also OHG, KG und GmbH & Co. KG, hat sich der Gesetzgeber von den Regelungen für GmbH und AG inspirieren lassen. Bei Beschlussmängeln gilt nun das sog. „Anfechtungsmodell“, wenn nicht die Gesellschafter individuell andere Regelungen getroffen haben. Nach den neuen §§ 110 ff. HGB sind fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich wirksam, aber anfechtbar.

Beschlüsse sind nach § 110 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HGB nur dann ausnahmsweise von Anfang an nichtig, wenn sie durch ihren Inhalt gegen grundlegende, unverzichtbare Rechtsvorschriften verstoßen. Dazu gehören wesentliche Rechte der Gesellschafter wie das Informations-, Teilnahme- oder Stimmrecht. Solche schwerwiegenden Fehler führen dazu, dass ein dennoch gefasster Beschluss von Anfang an unwirksam ist. Gesellschaft und Gesellschafter können aus dem Beschluss keine Rechtsfolgen ableiten; die Nichtigkeit kann von jedem Gesellschafter auch noch Jahre später geltend gemacht werden – was naturgemäß erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge hat.

Bei weniger schwerwiegenden Verstößen sind dennoch gefasste Beschlüsse nicht nichtig, sondern "nur" anfechtbar. Der Beschluss entfaltet volle Wirkung, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist angefochten wird. Das gilt für die Verletzung von Vorschriften, auf deren Einhaltung die Gesellschafter verzichten können, z.B. eine mangelhafte Ankündigung von Tagesordnungspunkten oder die fehlende Ladung zu der Versammlung, sowie Verstöße gegen dispositives Gesetzesrecht. Solche Mängel müssen nach § 112 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 HGB innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses durch Anfechtungsklage geltend gemacht werden, wenn keine anderen Fristen vereinbart sind. Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten, das Urteil wirkt automatisch für und gegen alle Gesellschafter. Das Gesetz stellt damit sicher, dass bei Uneinigkeit über solche Mängel schnellstens eine gerichtliche Entscheidung gesucht wird. Erfolgt keine Klage innerhalb der Anfechtungsfrist, so erhalten die Gesellschaft und ihre Gesellschafter Rechtssicherheit über die Wirksamkeit des Beschlusses.

Diese neuen gesetzlichen Regelungen sind ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage und uneingeschränkt zu begrüßen. Unklarheiten könnten sich allerdings ergeben, wenn der Gesellschaftsvertrag schon bisher Regelungen zu Beschlussmängeln getroffen hat, die aber die neue Gesetzeslage nicht berücksichtigen. Deshalb sollten Gesellschafter die bisherigen vertraglichen Abreden kritisch prüfen und im Zweifelsfall eigene, individuelle Regelungen vorsehen, um Streitigkeiten aufgrund der neuen Gesetzeslage zu vermeiden.

Beschlussmängelrecht bei GbR und PartG - Feststellungsmodell

Für GbR und Partnerschaft hat der Gesetzgeber dagegen keine neuen Regelungen geschaffen. Grundsätzlich gilt daher das bisherige sog. „Feststellungsmodells“ für diese Gesellschaften fort.

Wird ein Beschluss unter Verstoß gegen formelle oder inhaltliche Bestimmungen gefasst, so ist er nichtig, gleich wie schwerwiegend der Fehler ist. Auf die Nichtigkeit kann sich jeder Gesellschafter berufen und zwar unabhängig von einer bestimmten Frist. Die Geltendmachung der Nichtigkeit kann also auch noch lange nach der Beschlussfassung erfolgen, so dass erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen kann. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit ist nach dem gesetzlichen Modell nicht gegen die Gesellschaft selbst, sondern gegen jeden Gesellschafter zu richten, der sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses beruft. Gesellschafter müssen dann grundsätzlich gegen ihre Mitgesellschafter klagen, weil nur so ein Urteil auch Wirkung gegen sie erlangen kann.

Dieses Modell birgt damit wesentliche Risiken. Entsteht später Streit unter den Gesellschaftern, so kann jeder Gesellschafter Fehler auch wegen schon lange zurückliegenden Sachverhalten geltend machen, um seine Position zu verstärken. Gerade bei wichtigen Beschlüssen wie Geschäftsführerbestellung und -abberufung, Rechnungsabschluss und Ergebnisverwendung, sowie beim Ausschluss von Gesellschaftern, haben die Gesellschaft und Gesellschafter ein starkes Interesse an Rechtssicherheit, das das Feststellungsmodell schlicht nicht bieten kann.

Den Gesellschaftern steht es jedoch frei, von diesem Modell abzuweichen. Deswegen gestalten schon jetzt viele Gesellschaften das für sie geltende Beschlussmängelrecht individuell in ihrem Gesellschaftsvertrag aus, wobei sie sich oftmals die Vorschriften für die Kapitalgesellschaften zum Vorbild nehmen. Seit Jahresbeginn dürfte es sinnvoller sein, auf die entsprechenden Regelungen der OHG, KG sowie GmbH & Co. KG nach §§ 110 ff. HGB zu verweisen, um solche Streitigkeiten zu vermeiden.

Regelungen zur Gesellschafterversammlungen und Gesellschafterbeschlüssen

Das MoPeG enthält nicht nur Neuregelungen zum Beschlussmängelrecht, sondern in § 109 HGB auch (erstmals) einige Regelungen zur Beschlussfassung bei Personenhandelsgesellschaften. So wird etwa bestimmt, dass bei OHG, KG und GmbH & Co. KG Beschlüsse regelmäßig in Versammlungen gefasst werden (§ 109 Abs. 1 HGB), die Versammlungen durch die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter formlos und in angemessener Frist einberufen werden (§ 109 Abs. 2 HGB) und die Beschlüsse grundsätzlich einstimmig zu fassen sind (§ 109 Abs. 3 HGB). Wird im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass Beschlüsse "nur" einer bestimmten Mehrheit bedürfen, etwa der einfachen Mehrheit oder einer ¾-Mehrheit, dann ist nach § 109 Abs. 4 HGB die Versammlung beschlussfähig, wenn diese Mehrheit anwesend oder vertreten ist (§ 109 Abs. 4 HGB).

Diese Vorschriften sind schon ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage, sollten aber dennoch im Gesellschaftsvertrag ergänzt werden. Empfehlenswert sind beispielsweise Regelungen darüber, in welcher Form und mit welcher Frist zu Gesellschafterversammlungen eingeladen werden soll und ob Gesellschafterbeschlüsse nur in Präsenz oder auch per Telefon- oder Videokonferenz gefasst werden können. Sinnvoll sind weiter Regelungen zum Ablauf der Gesellschafterversammlungen, insb. zur Versammlungsleitung, zur Feststellung und Protokollierung der Beschlüsse.

Noch "dünner" sind die gesetzlichen Regelungen für die GbR. Gesetzlich geregelt ist für die GbR (und damit für die Partnerschaft) nur, dass Beschlüsse gem. § 714 BGB der Zustimmung aller stimmberechtigter Gesellschafter bedürfen. Auf genauere Bestimmungen, insb. zu Einberufung, Ablauf und Formalien der Beschlussfassung hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet. Hier ist jede Gesellschaft selbst daran gehalten, eigene Regelungen zu vereinbaren, die auch im Streitfall tragfähige und klare Entscheidungen erlauben.

Dr. Barbara Mayer
Daniel Rombach

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

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