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Arbeitsrechtliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gibt Unternehmern zahlreiche Pflichten auf. Über die vergaberechtlichen Folgen von Verstößen – bis hin zum Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge – informiert Sie mein Kollege Christopher Theis in diesem Beitrag. Das LkSG beschränkt sich jedoch nicht auf das Aufstellen von Sorgfaltspflichten für Unternehmer und die Ankündigung vergaberechtlicher Konsequenzen. Daneben enthält es – wenn auch eher beiläufig und weithin unbeachtet – eine ganze Reihe von arbeitsrechtlichen Aspekten.

Anwendungsbereich: Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern

Seit dem 1. Januar 2024 findet das LkSG auf Unternehmen Anwendung, die in der Regel mindestens 1000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Der zuvor geltende Schwellenwert von mindestens 3000 Arbeitnehmern ist damit deutlich abgesenkt. Neben der Stammbelegschaft sind auch Leiharbeitnehmer im Entleihunternehmen bei der Berechnung der Schwellenwerte zu berücksichtigen. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 LkSG ist an dieser Stelle missverständlich, weil das Gesetz eine Berücksichtigung vorsieht, "wenn die Einsatzdauer [der Leiharbeitnehmer] sechs Monate übersteigt". Bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl kommt es jedoch nicht auf die Einsatzdauer des einzelnen Leiharbeitnehmers an. Maßgeblich ist vielmehr, ob der konkrete Arbeitsplatz im Unternehmen während des laufenden Jahres länger als sechs Monate mit Leiharbeitnehmern besetzt wird. Es reicht aus, dass Leiharbeitnehmer insgesamt mehr als sechs Monate den Arbeitsplatz ausfüllen. Dabei muss es sich nicht um ein- und denselben Leiharbeitnehmer handeln.

Menschenrechtliche Risiken mit arbeitsrechtlichem Bezug

Das LkSG zielt darauf ab, menschenrechtliche Risiken zu vermeiden, zu minimieren bzw. Verletzungen zu beenden. Entgegen dem Gesetzestitel "Lieferketten"-Sorgfaltspflichtengesetz beschränken sich die Sorgfaltspflichten für Unternehmen jedoch nicht allein auf die Zulieferer. Unternehmer sind zugleich dazu angehalten, den Sorgfaltspflichten im eigenen Geschäftsbereich ihres Unternehmens zu genügen. Die im Gesetz aufgezählten menschenrechtlichen Risiken haben dabei überwiegend einen arbeitsrechtlichen Bezug. Mit dem Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit oder von allen Formen der Sklaverei wird auf Verbote verwiesen, die vermutlich weniger den eigenen Geschäftsbereich nationaler Unternehmen, sondern eher unmittelbare und mittelbare Zulieferer betreffen. Das LkSG definiert jedoch zugleich menschenrechtliche Risiken, die bereits geltende nationale Arbeitsrechtsregelungen und -grundsätze aufgreifen. Hierzu zählen z. B. mögliche Verstöße gegen das Verbot der Missachtung des Arbeitsschutzes, das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit sowie das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns. Achtung: AGG-Verstöße sind jetzt "menschenrechtliche Risiken" Parallel zu den Bestimmungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) greift das LkSG zudem Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot, insbesondere beim Entgelt (z. B. wegen des Geschlechts oder der ethnischen Abstammung), auf. Werden Unternehmer ihren Sorgfaltspflichten in diesem Punkt nicht gerecht, können sich AGG-Verstöße nicht nur wie bereits vor Inkrafttreten des LkSG individualarbeitsrechtlich auswirken (z. B. Schadensersatzanspruch eines nicht beförderten Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber). Mit dem LkSG drohen Unternehmen nunmehr neue nachteilige Rechtsfolgen, wie Bußgelder oder der Ausschluss von Vergabeverfahren.

"Menschenrechtsbeauftragter" als Bestandteil des Risikomanagements

Um menschenrechtlichen Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei Zulieferern vorzubeugen, sie zu minimieren oder bei Verletzung zu beenden, legt das LkSG Unternehmern eine Reihe von Sorgfaltspflichten auf. Hierzu gehört insbesondere die Einrichtung eines Risikomanagements und die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit zur Überwachung des Risikomanagements. Verfügt das Unternehmen über einen internen Compliance-Officer bietet es sich an, diesen mit der Aufgabe zu betrauen. Optional kann diese Person als "Menschenrechtsbeauftragter" bezeichnet werden. Der Titel ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Wichtig ist, dass eine konkrete Person mit den Aufgaben des Risikomanagements und dessen Überwachung betraut wird.

Praxistipp: Das LkSG selbst sieht keinen besonderen Kündigungsschutz für die benannte Person (z. B. "Menschenrechtsbeauftragter") vor. Unabhängig vom LkSG kann sich ein besonderer Kündigungsschutz jedoch aus anderen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen ergeben. Dies bleibt im Einzelfall vor einer Kündigung zu prüfen.

Beteiligung des Betriebsrats

Eine Beteiligung des Betriebsrats sollten Unternehmer beim Thema LkSG unter zwei Gesichtspunkten im Auge behalten. Zum einen hat der Gesetzgeber in § 106 Abs. 3 Nr. 5b Betriebsverfassungsgesetz eine neue Regelung aufgenommen. Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, über die Unternehmer den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend zu unterrichten haben, gehören seit Inkrafttreten des LkSG die Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Daneben ist eine mögliche Beteiligung des Betriebsrats immer dann zu prüfen, wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen geht, die das LkSG dem Arbeitgeber auferlegt.

In der Benennung des Menschenrechtsbeauftragten kann beispielsweise eine mitbestimmungspflichtige Versetzung liegen. Bei Maßnahmen zur Risikoanalyse nach § 5 LkSG und der Einrichtung des unternehmensinternen Beschwerdeverfahrens nach § 8 LkSG werden regelmäßig digitale Systeme eingesetzt, so dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu prüfen ist. Will das Unternehmen Verhaltenspflichten für die Beschäftigten implementieren, muss geprüft werden, ob das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten oder das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) berührt ist.

Ausblick: EU-Lieferkettengesetz (CSDDD)

Derzeit sind viele Unternehmen noch mit der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem LkSG beschäftigt. Gleichwohl ist der nächste Schritt beim Thema Lieferkettensorgfaltspflichten bereits absehbar. Auf Europäischer Ebene steht das "EU-Lieferkettengesetz" (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) auf der Agenda. Die Koalition in Berlin ist sich diesbezüglich nicht einig. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass die neue Richtlinie überhaupt nicht kommen wird. Der aktuelle Entwurf sieht strengere Vorschriften für Unternehmen vor. Arbeitsrechtlich relevant ist insbesondere die Auswirkung des Anwendungsbereichs.

Fazit

Das LkSG entfaltet seit dem 1. Januar 2024 seine volle Wirkung. Gilt es doch nunmehr bereits für alle Unternehmen mit mehr als 1000 Arbeitnehmern. Die arbeitsrechtlichen Auswirkungen des Gesetzes werden eher unter- als überschätzt. So haben zahlreiche menschenrechtliche Risiken Bezüge zum nationalen und internationalen Arbeitsrecht. Die Sorgfaltspflichten müssen im Unternehmen umgesetzt werden. Hierzu braucht es arbeitsrechtliche Mechanismen. Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten im Unternehmen ist zudem die Beteiligung des Betriebsrats zu prüfen.

Michael Riedel

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Leiharbeitnehmer Menschenrechtsbeauftragte Betriebsrat LkSG

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