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Arbeitsrechtliche Abwehrkräfte – Tipps für Arbeitgeber in Zeiten des Coronavirus

Das Coronavirus greift weiter um sich und immer mehr Unternehmen sind davon betroffen. Damit Sie gut auf die Fragen Ihrer Mitarbeiter vorbereitet sind und das Unternehmen sicher durch die nächsten Wochen und Monate kommt, werden an dieser Stelle die wichtigsten Themen behandelt. Information und die richtige Kommunikation sind schließlich die besten Mittel gegen Verunsicherung unter den Mitarbeitern.

Dürfen Arbeitnehmer einfach zu Hause bleiben?

Die häufigste Frage ist, ob die Ausbreitung des Coronavirus etwas an der Arbeitsverpflichtung ändert. Die Antwort ist klar und eindeutig: Nein. Die aktuelle Gefährdungslage ändert nichts an der generellen Arbeitspflicht eines Mitarbeiters. Sonst wären die Büros jedes Jahr wegen der Grippewelle auch ohne Corona leer. Die bloße Angst vor einer möglichen Ansteckung berechtigt den Mitarbeiter nicht, eigenmächtig nicht zur Arbeit zu erscheinen. Sie ermächtigt ihn auch nicht dazu, eigenmächtig im Homeoffice zu arbeiten, wenn es dazu keine Regelungen im Unternehmen gibt. Nur in extremen Ausnahmefällen, z.B. wenn Verdachtsfälle im Unternehmen auftreten oder nachgewiesene Infektionen bestehen, kann der Mitarbeiter seine Leistung unter Umständen verweigern. Dies aber auch nur dann, wenn der Arbeitgeber bei einem erhöhtem Risiko keinerlei Schutzmaßnahmen ergreift. Das dürfte kaum vorkommen.

Was muss der Arbeitgeber in der aktuellen Situation tun?

Solange im Unternehmen keine Verdachtsfälle bestehen und keine Infektionen nachgewiesen sind, bleibt es bei der allgemeinen arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Er muss geeignete Maßnahmen treffen, um die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu schützen. Aktuell kommen daher folgende Maßnahmen in Betracht:

  • Aufforderung zum regelmäßigen Händewaschen,
  • Hinweise zum richtigen Händewaschen,
  • Verteilen von Desinfektionsmitteln,
  • Verbot des Händeschüttelns,
  • Empfehlung zum Husten oder Niesen in ein Taschentuch oder in die Armbeuge sowie
  • ggf. das Tragen von Mund- bzw. Atemschutzmasken.

Was ist im Ernstfall zu beachten?

Wenn es Verdachtsfälle im Unternehmen gibt, muss der Arbeitgeber weitergehende Maßnahmen ergreifen. Dann sollten betroffene Mitarbeiter und möglicherweise auch deren Kollegen widerruflich für die Dauer von 14 Tagen (entsprechend der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts) freigestellt werden. Ein Verdacht kann auch schon bei der Rückkehr aus einem Risikogebiet vorliegen. Solange es sich aber nur um einen Verdachtsfall handelt und der Mitarbeiter nicht arbeitsunfähig ist, kann während der Freistellung im Homeoffice gearbeitet werden. Für die Dauer der Freistellung bleibt der Vergütungsanspruch bestehen.

Darf ich den Mitarbeiter nach seinem Urlaubsort fragen?

Um Verdachtsfälle besser erkennen zu können, besteht auch das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, zurückkehrende Mitarbeiter zu befragen, ob sie sich in einer gefährdeten Region oder in einem Ort mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr aufgehalten haben.

Wer zahlt, wenn ein Arbeitnehmer in Quarantäne beordert wird?

Wird ein Arbeitnehmer durch eine Behörde in Quarantäne beordert oder wird ihm ein behördliches Tätigkeitsverbot auferlegt, gibt es grundsätzlich einen Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach dem Infektionsschutzgesetz gegen die anordnende Behörde. Von der Rechtsprechung wird allerdings vertreten, dass der Arbeitgeber in diesen Fällen ohnehin nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet und der Erstattungsanspruch deswegen ausgeschlossen sei. In diesem Fall müsste der Arbeitgeber die Gehaltszahlungen leisten und hätte keinen Erstattungsanspruch.

Es kommt daher auf den Einzelfall und vor allem die Dauer der Quarantänemaßnahme an. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber kurzfristig eine möglichst unbürokratische Hilfe für Unternehmen zur Verfügung stellt. Auf Grund der aktuellen Rechtslage kann man aber jedenfalls nicht davon ausgehen, dass Erstattungsansprüche einfach durchgewunken werden. Da Erstattungsansprüche auch bestimmten Fristen unterliegen, sollte man frühzeitig mit den Behörden in Kontakt treten und Beratung in Anspruch nehmen.

Können Dienstreisen noch durchgeführt werden?

Momentan gibt es keinerlei rechtliche Veranlassung dazu, Dienstreisen zu verbieten oder bereits gebuchte Dienstreisen abzusagen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es für den Zielort eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt. Solange sich an dieser Lage nichts ändert und keine Reisewarnungen ausgesprochen werden, können Dienstreisen angeordnet werden. Die Mitarbeiter dürfen den Antritt dieser Dienstreisen nicht verweigern. Innerhalb Deutschlands können Dienstreisen unverändert angeordnet werden.

Praxistipp:

Unabhängig von der rechtlichen Situation ist es eine Abwägungsfrage, ob bei der allgemeinen Verunsicherung jede Dienstreise auch tatsächlich durchgeführt werden muss. Eine Verschiebung oder alternative Durchführung von Sitzungen beispielweise per Skype oder Webkonferenz kann den Mitarbeitern schließlich so manche Sorge nehmen.

Was passiert, wenn der Betriebsablauf zusammenbricht?

Nimmt die Zahl der Verdachts- oder Ansteckungsfälle im Unternehmen zu und kann der betriebliche Ablauf nicht mehr aufrechterhalten werden oder ordnet die Behörde die Betriebsstilllegung an, stellt sich die Frage der Vergütung der Mitarbeiter. Da die Aufrechterhaltung des betrieblichen Ablaufs das sogenannte Betriebsrisiko des Arbeitgebers darstellt, erhalten die Arbeitnehmer im Fall der Betriebsschließung ihre Vergütung unverändert fort. Zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden sollte daher auch rechtzeitig über die Anordnung von Kurzarbeit nachgedacht werden. Vorher sollte auch geprüft werden, ob Überstundenabbau oder die Gewährung von Urlaub für Zeiten der Krise möglich ist.

Was passiert, wenn die Ausbreitung weiter zunimmt?

Wenn die Fallzahlen weiter zunehmen und die Behörden, wie zuletzt im Kreis Heinsberg, ganze Städte oder Regionen abriegeln, stellen sich weitere Fragen. Liegt der Arbeitsort in einem Gebiet, das von einer behördlichen Sperrung betroffen ist, kommt dies einer faktischen Betriebsschließung gleich. In diesem Fall liegt das Betriebsrisiko beim Arbeitgeber, die Vergütungsansprüche der Mitarbeiter bestehen unverändert fort. Im umgekehrten Fall, in dem der Arbeitnehmer wegen einer behördlichen Anordnung zwar nicht selbst unter Quarantäne steht, seinen Heimatort aber nicht verlassen darf, kann er nicht zur Arbeit erscheinen. Die Erbringung der Arbeitsleistung wird ihm dadurch unmöglich. Es sollte auch hier über eine Tätigkeit im Homeoffice nachgedacht werden. Kommt eine Homeoffice-Tätigkeit aber nicht in Frage, kann im Einzelfall dennoch ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gem. § 616 BGB (sog. unverschuldetes Hindernis) bestehen.

Was ist noch zu beachten?

Arbeitgeber sollten prüfen, welche Maßnahmen im Unternehmen sinnvoll und notwendig sind. Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollten die Mitarbeiter auch regelmäßig über die getroffenen Maßnahmen informiert werden. Da viele Maßnahmen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen könnten, sollte sichergestellt werden, dass ein handlungsfähiges Gremium als Partner zur Verfügung steht. Möglicherweise bietet sich auch die Bildung eines Ausschusses für Corona-Maßnahmen an.

Fazit

Insgesamt ist es empfehlenswert, in der aktuellen Situation einen kühlen Kopf zu bewahren und im Interesse des Unternehmens sowie aller Mitarbeiter besonnen und transparent vorbereitende Maßnahmen zu treffen. Falls mehrere Handlungsoptionen eröffnet sind, sollte man die aktuelle Situation gemeinsam mit den Mitarbeitern bewerten und die Lösung finden, die am besten zum Unternehmen passt. Bei alledem kommt der Unternehmenskommunikation eine wichtige Bedeutung zu, weil Unsicherheit und Panik vor allem durch unzureichende Informationen verursacht werden.

Fragen hierzu beantwortet Ihnen Martin Biebl gerne.

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