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Von Arbeitnehmer für Arbeitnehmer: Streik auf dem Weg zur Arbeit

Arbeitnehmer in Deutschland – die nicht im Home-Office tätig sind oder sein können – müssen den Weg vom Wohnort zum Arbeitsort auf eigene Kosten und außerhalb der vergüteten Arbeitszeit zurücklegen. Überwiegend steigen Arbeitnehmer hierfür ins Auto. Aber auch Verkehrsmittel, wie Bahn, S-Bahn, U-Bahn oder Bus werden für den Arbeitsweg häufig genutzt. Alle Arbeitnehmer haben in der Regel dieselben Ziele: möglichst schnell, kostengünstig, sicher und pünktlich am Arbeitsplatz anzukommen. Ein schneller, sicherer und pünktlicher Transport ist derzeit für viele Arbeitnehmer nicht mehr möglich, jedenfalls nicht mehr planbar. Der Grund sind andere Arbeitnehmer, streikende Arbeitnehmer. Die Piloten, die Lokführer, das Bodenpersonal, die Busfahrer und der gesamt ÖPNV, die Taxifahrer. Von Arbeitnehmer für Arbeitnehmer.

Liebe Leserin, lieber Leser,

je nach Laufzeit der Tarifverträge, aber jedenfalls alle Jahre wieder wird in den verschiedenen Branchen gestreikt. Vom Streik liest man in der Zeitung oder hört davon in den Nachrichten oder – dann ist es aber besonders schlimm – man ist selbst von Streikmaßnahmen betroffen. Was gilt denn, wenn Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit von einem Streik betroffen sind und nicht oder nicht pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen?

Frage 1: Haben Arbeitgeber ihren Beschäftigten den Lohn auch dann zu bezahlen, wenn diese wegen eines Streiks zu spät oder gar nicht zur Arbeit erscheinen?

Diese wohl am häufigsten gestellte Frage ist mit einem eindeutigen Nein zu beantworten. Es gelten die Grundsätze: Kein Lohn ohne Arbeit und der Arbeitnehmer trägt das Wegerisiko.

Gemäß § 616 S. 1 BGB sind Arbeitgeber grundsätzlich nur dann zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes ohne Gegenleistung verpflichtet, wenn die jeweiligen Beschäftigten durch einen in ihrer Person liegenden Grund, ohne eigenes Verschulden, ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Der Verhinderungsgrund muss sich also auf die konkrete Person beziehen. Ein allgemeiner Hintergrund, welcher durch höhere Gewalt (wie beispielsweise Unwetter oder Streik) hervorgerufen wird, reicht hingegen nicht aus.

Das bedeutet: Es ist Sache des Arbeitnehmers dafür zu sorgen, dass er seinen arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsplatz rechtzeitig zu Arbeitsbeginn erreicht. Dazu gehört auch, bei der Planung der Anfahrt eventuelle Einschränkungen durch Streiks zu berücksichtigen. Arbeitnehmer müssen einkalkulieren, dass die Fahrt von zu Hause an den Arbeitsplatz bei Streiks längere Zeit in Anspruch nehmen kann.

Frage 2: Wie und wann muss der Arbeitgeber benachrichtigt werden?

Gelingt es Arbeitnehmern trotz aller Sorgfalt nicht, rechtzeitig oder überhaut am Arbeitsplatz zu erscheinen, gilt zunächst eine unverzügliche Meldepflicht: Sobald es für den Arbeitnehmer absehbar ist, dass er nicht oder nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheinen kann, muss er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen.

Frage 3: Muss die ausfallende Arbeitszeit nachgearbeitet werden?

Der Arbeitnehmer ist im Regelfall nicht dazu verpflichtet, die ausfallende Arbeitszeit zu einem anderen Zeitpunkt nachzuarbeiten. Eine derartige Pflicht zur Nacharbeit besteht nur, wenn sich dies aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergibt.

Frage 4: Können diejenigen Mitarbeiter abgemahnt werden, die in Folge eines Streiks verspätet oder gar nicht zur Arbeit erscheinen?

Wenn es Arbeitnehmern trotz aller Sorgfalt bei einem Streik nicht gelingt, rechtzeitig oder überhaupt am Arbeitsplatz zu erscheinen, haben sie zwar keinen Anspruch auf Vergütung für die ausgefallene Arbeitszeit, sie fehlen aber dennoch entschuldigt.

Soweit die betroffenen Arbeitnehmer auch ihrer Meldepflicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, kann ihnen wegen der Verspätung oder des Fehlens kein Vorwurf gemacht werden. Eine Abmahnung oder gar eine verhaltensbedingte Kündigung wegen eines solchen Arbeitsausfalls kommt für Arbeitgeber nicht in Betracht.

Frage 5: Müssen Arbeitgeber in derartigen Fällen Home-Office gewähren?

Das deutsche Arbeitsrecht kennt keinen gesetzlichen Anspruch auf die Arbeit aus dem Home-Office. Arbeitgeber können natürlich aus Kulanz flexibel reagieren. Wenn es möglich ist, von zu Hause aus zu arbeiten, spricht nichts gegen die kurzfristige Gewährung eines Home-Office-Tages. Der Arbeitnehmer darf jedoch nicht einseitig entscheiden, von zu Hause aus zu arbeiten.

Frage 6: Bestehen weitere Handlungsmöglichkeiten?

In vielen Unternehmen werden für die Beschäftigten Zeitkonten geführt, so dass entsprechend ausgefallene Arbeitsstunden als Minusstunden verbucht werden können. Weiter besteht die Möglichkeit Überstunden abzubauen oder eine kurzfristige Urlaubsgewährung der betroffenen Beschäftigten.

Bleiben Sie vom Streik auf Ihrem Arbeits- oder Urlaubsweg verschont. Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München

Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Streik Vergütung Arbeitsweg

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