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Teilnahme an Gewerkschaftsveranstaltung auf Kosten des Arbeitgebers

Arbeitsgericht Verden vom 19.09.2023 – 2 Ca 101/23

Die Teilnahme an Veranstaltungen ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit sowie damit einhergehende falsche Angaben zur Arbeitszeit und den Spesen statt der Teilnahme an einem vom Arbeitgeber finanzierten Seminar stellen einen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags dar.

Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war freigestelltes Betriebsratsmitglied und zugleich Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung. In letztgenannter Funktion meldete er sich im Einverständnis mit der beklagten Arbeitgeberin bei einem Seminar für den Zeitraum vom 06. bis zum 10.02.2023 in Köln an. Die Arbeitgeberin trug die Seminargebühren sowie die Hotelkosten und gestattete dem Arbeitnehmer, für die An- und Abreise einen Mietwagen zu mieten.

Statt vollständig an dem Seminar teilzunehmen, fuhr der Arbeitnehmer am 06.02.2023 ohne Wissen der Arbeitgeberin mit dem Mietwagen zu einem gewerkschaftlich organisierten Beratungstreffen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil nach Berlin und am 07.02.2023 zu einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen nach Hannover. Die hierfür aufgewendeten Tankkosten rechnete er gegenüber der Arbeitgeberin ab.

Die Arbeitgeberin erklärte mit Zustimmung des Betriebsrats die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer, der sich hiergegen mit der Kündigungsschutzklage wehrt.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Arbeitsgericht Verden hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor. Zum einen habe der Kläger entgegen seinen eigenen Angaben nur zeitweilig an der Fortbildungsveranstaltung teilgenommen. Zum anderen habe er Fahrtkosten gegenüber der Arbeitgeberin abgerechnet, die weder im Zusammenhang mit der von der Arbeitgeberin bewilligten Seminarteilnahme noch mit der direkten Ausübung der Betriebsratstätigkeit stehen. Insbesondere angesichts der falschen Angaben, die der Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitgeberin im Hinblick auf die Arbeitszeit und die angefallenen Reisekosten gemacht hat, rechtfertigt die Interessenabwägung auch im konkreten Fall die außerordentliche fristlose Kündigung.

Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil des Arbeitsgerichts Verden ist nicht überraschend. Trägt der Arbeitgeber zweckgebundene Kosten und stellt den Arbeitnehmer für die Teilnahme an einer bestimmten Veranstaltung frei, so muss sich der Arbeitnehmer in diesem Rahmen bewegen. Er darf nicht über die Verwendung der Mittel frei entscheiden und keine falschen Angaben zur Arbeitszeit und den abgerechneten Spesen machen.

Praxishinweis

In dem entschiedenen Fall nimmt ein freigestelltes Betriebsratsmitglied u.a. an einer gewerkschaftlich organisierten Veranstaltung teil. Dies ist freilich nicht zu beanstanden. Zu beachten ist allerdings, dass die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer gewerkschaftlich organisierten Veranstaltung seine "Freizeitbeschäftigung" ist, wofür er nicht eigenmächtig Arbeitszeit aufwenden darf. Betriebsratsmitglieder müssen darüber hinaus stets die Neutralitätspflicht im Blick haben, wenn sie in dieser Funktion handeln.

Dr. Sebastian Kroll

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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fristlose Kündigung Schwerbehindertenvertretung Kündigungsschutzklage Arbeitszeit

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