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Betriebsratsanhörung bei Kündigung innerhalb der Wartezeit (sechs Monate)

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 8. September 2023 – 13 Sa 20/23

Sachverhalt

In dem vom LAG Hamm vom 8. September 2023 (13 Sa 20/23) zu entscheidenden Fall war mit dem Arbeitnehmer in § 2 des Arbeitsvertrages eine dreimonatige Probezeit mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist vereinbart. Kurz vor Ablauf des sechsten Beschäftigungsmonats und damit zeitlich nach Ablauf der Probezeit (nicht aber der Wartezeit), mit Schreiben vom 17.8.2022, hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Gegenüber dem Betriebsrat wurde die geplante Kündigung in der Anhörung wie folgt begründet:

„Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG noch keine Anwendung. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse.“

Trotz Bedenken des Betriebsrats zur geplanten Kündigung aufgrund der geringen Besetzung in diesem Warenbereich kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.8.2022 zum 30.9.2022.

Der Arbeitnehmer war der Ansicht, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden war und damit die Kündigung unwirksam sei. Der Arbeitnehmer meint, dass auch während der Wartezeit dem Betriebsrat mitgeteilt werden müsse, „warum“ an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kein Interesse mehr bestehe.

Entscheidung

Vor Ausspruch der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist der Betriebsrat – soweit einer im Betrieb gebildet ist – gemäß § 102 BetrVG anzuhören. Das gilt für jede Kündigung, auch die Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses, der sog. Wartezeit nach § 1 KSchG. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat „vor jeder Kündigung“ zu hören ist. Häufig entsprechen die ersten sechs Monate auch der "Probezeit", innerhalb der mit einer kurzen Kündigungsfrist von mindestens zwei Wochen gekündigt werden kann. Bei einer Kündigung innerhalb der ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung jedoch nicht die objektiven Merkmale der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein die Umstände mitteilen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet (Grundsatz der subjektiven Determination).

Bereits das Arbeitsgericht hat die gegen die Kündigung gerichtete Klage abgewiesen. Das LAG Hamm hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt. Die Gerichte stellten fest, dass der Arbeitnehmer mangels Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit den allgemeinen gesetzlichen Kündigungsschutz gem. § 1 KSchG noch nicht erworben habe und es deshalb der hohen Hürde der sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG nicht bedurfte. Das spiegelt sich auch in den Anforderungen an die Betriebsratsanhörung wider. Es müssen dann auch gegenüber dem Betriebsrat keine Kündigungsgründe im Sinne des § 1 KSchG genannt werden. Der Betriebsrat war deshalb von dem Arbeitgeber am 17.8.2022 ausreichend über die Gründe der beabsichtigten Kündigung i.S.d. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unterrichtet worden.

Praxistipp

Mit der Anhörung nach § 102 BetrVG soll der Betriebsrat nach dem Grundsatz der subjektiven Determination vom Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, die beabsichtigte Kündigung nachzuvollziehen. Der Betriebsrat ist immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Das gilt auch dann, wenn ein individual-rechtlicher Kündigungsschutz nach dem KSchG nicht oder noch nicht besteht. Wenn das Kündigungsschutzgesetz auf das zu kündige Arbeitsverhältnis nicht anwendbar ist, reicht es nach der Entscheidung des LAG Hamm aus, wenn Arbeitgeber dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG neben den Sozialdaten des Arbeitnehmers und der Mitteilung, dass das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung findet, lediglich mitteilt, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht im Interesse des Arbeitgebers liegt. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist einfach gerichtlich durchsetzbar und soll an der Betriebsratsanhörung nicht scheitern. Möglicherweise sehen andere Arbeitsgerichte die Anforderungen an die Betriebsratsanhörung strenger. Deshalb sollte nach unserer Einschätzung dem Betriebsrat auch ohne Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, zumindest eine ganz kurze Begründung der Kündigungserwägungen des Arbeitgebers mitgeteilt werden.

Dr. Erik Schmid

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Arbeitsverhältnis Betriebsrat Kündigungsschutz

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