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Arbeitgeber sind bei Ablehnung eines Abfindungsangebots durch den Arbeitnehmer nicht länger an ihr ursprünglich unterbreitetes Angebot gebunden

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2023 – 5 Sa 135/22

Wenn Arbeitnehmer sich „verzocken“ – Das bloße Signalisieren einer Einigungsbereitschaft unter gleichzeitiger Mitteilung, dass Änderungen vorgenommen werden sollen, stellt eine Ablehnung des Abfindungsangebots dar

Sachverhalt

Ein seit fast 32 Jahren als Kraftfahrer tätiger Arbeitnehmer hat wegen der Stilllegung des Betriebs seines Arbeitgebers eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Ein Betriebsrat war nicht gebildet. Anschließend wurden mit den Arbeitnehmern Gespräche über den Abschluss von Abwicklungsvereinbarungen geführt. Am 28. Januar 2021 übermittelte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer daraufhin eine Abwicklungsvereinbarung, die die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung bestätigt und Abfindungsregelungen enthält, die in Abhängigkeit der Restdauer des Arbeitsverhältnisses gestaffelt und konkret beziffert waren (rund EUR 104.300,00) mit der Bitte um Rücksendung eines vom Arbeitnehmer unterzeichneten Exemplars. Mit Anwaltsschreiben vom 5. Februar 2021 teilte der Arbeitnehmer mit, dass dieser „grundsätzlich an einer Abwicklungsvereinbarung interessiert sei, jedoch nicht um jeden Preis und auch nicht im Ungewissen über die Höhe der Abfindung und der Modalitäten“. Die Verhandlungen scheiterten anschließend. Am 11. Februar 2021 reichte der Arbeitnehmer daraufhin Kündigungsschutzklage ein. Mit E-Mail vom 24. Februar 2021 teilte der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers mit, dass der Arbeitgeber „sich infolge der Nichtannahme der vorgeschlagenen Abwicklungsvereinbarung durch den Arbeitnehmer an die vorgeschlagenen Regelungen nicht weiter gebunden fühlt und den Vorschlag der Abwicklung hiermit zurücknimmt“.

Entscheidung

Das LAG Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass die Kündigung aufgrund der Betriebsstilllegung wirksam sei und keine Rechtsgrundlage für den Anspruch auf eine Abfindung bestehe. Da vorliegend kein Betriebsrat bestand, war der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, einen Sozialplan gem. § 112 BetrVG aufzustellen. Des Weiteren hatte der Arbeitnehmer nach Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz auch keinen vertraglichen Anspruch auf eine Abfindung, da dessen Rechtsbeistand mit Schreiben vom 5. Februar 2021 die vom Arbeitgeber unterbreitete Abwicklungsvereinbarung abgelehnt hatte. Mit dem Schreiben habe der Rechtsbeistand des Arbeitnehmers klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass dieser das Angebot in der unterbreiteten Form auf keinen Fall annimmt, sondern auf inhaltliche Änderungen bestehen würde. Er habe unmissverständlich deutlich gemacht, dass er eine Abwicklungsvereinbarung nur abschließen wolle, wenn die Abfindungssumme aufgrund des konkreten Austrittsdatums feststeht. Nach Ablehnung des Angebots sei der Arbeitgeber an sein ursprüngliches Angebot nicht mehr gebunden gewesen.

Konsequenzen für die Praxis

Auch im Rahmen der Vereinbarung einer Abfindung gelten die Grundsätze zum Angebot und Annahme nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Wenn ein unterbreitetes Angebot abgeändert oder erweitert wird, handelt es sich um eine Ablehnung des Angebots unter gleichzeitiger Unterbreitung eines neuen Angebots gem. § 150 Abs. 2 BGB. Wenn der Arbeitgeber das abgeänderte bzw. erweiterte Angebot nicht annimmt, kommt kein Vertrag zustande.

Praxistipp

Wenn ein Arbeitnehmer die unterbreiteten Konditionen eines Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrags ablehnt und zum Ausdruck bringt, weiter verhandeln zu wollen, ist ein Arbeitgeber an sein ursprüngliches Angebot nicht mehr gebunden. Der Arbeitgeber ist vor allem nicht verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer weiterzuverhandeln oder das ursprüngliche Angebot zu erneuern.

Dennoch wird Arbeitgebern zur Vermeidung von Missverständnissen empfohlen, unentschlossenen Arbeitnehmern – wie im vorliegenden Fall – zusätzlich noch einmal schriftlich mitzuteilen, das unterbreitete Angebot nicht länger aufrechtzuerhalten bzw. zurückzunehmen.

Lisa Brix und Sabrina Miersen

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Dokument auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Abfindungen

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