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Ein Konzernrückhalt hat keinen Einfluss auf Teilwertabschreibungen

BFH, Urteil vom 24.06.2015, I R 29/14, BFH/NV 2015, 1506

Hintergrund

Im Konzern werden häufig Darlehen zwischen den konzernverbundenen Unternehmen gewährt. Auf die Stellung von Sicherheiten wird dabei im Hinblick auf den sog. Konzernrückhalt häufig verzichtet.

Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass eine Teilwertabschreibung in einem solchen Fall ausgeschlossen ist, solange der Rückhalt im Konzern weiter besteht. Besteht der Konzernrückhalt gegenüber fremden Dritten fort, soll dies auch für Darlehensbeziehungen im Konzern gelten, sodass der Darlehensrückzahlungsanspruch nicht als gefährdet anzusehen sei (BMF-Schreiben vom 29.03.2011, Anwendung des § 1 AStG auf Fälle von Teilwertabschreibungen und andere Wertminderungen auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen, BStBl. II 2011, 277, Tz. 13).

In seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2014 war der BFH dieser Einschätzung in einem obiter dictum gefolgt (BFH, Urteil vom 17.12.2014, I R 23/13, DStR 2012, 466).

Entscheidungssachverhalt

Die Klägerin, eine deutsche GmbH, gründete im Jahr 2000 eine in Großbritannien ansässige Tochtergesellschaft. Um den Geschäftsbetrieb ihrer Tochtergesellschaft zu finanzieren, gewährte die Klägerin der Gesellschaft ein Darlehen. Vereinbart wurde eine jährliche Verzinsung in Höhe von fünf Prozent, nicht aber die Gestellung von Sicherheiten.

Der Geschäftsbetrieb der Tochtergesellschaft wurde aufgrund einer schlechten Geschäftsentwicklung im Jahr 2002 wieder eingestellt.

Die Klägerin nahm daraufhin eine Teilwertabschreibung auf das der Tochtergesellschaft gewährte Darlehen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002 vor.

Das Finanzamt erkannte die Teilwertabschreibung nicht an und rechnete sie dem Gewinn wieder hinzu. Dazu vertrat das Finanzamt unter anderem die Auffassung, dass der Rückhalt im Konzern eine ausreichende Sicherheit für das Darlehen darstellen würde. Der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Darlehens sei nicht gefährdet gewesen. Die Teilwertabschreibung sei daher bereits deswegen rückgängig zu machen, weil die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung nicht vorgelegen haben.

Nach erfolglosem Einspruch rief die Klägerin das Finanzgericht an. Das FG Düsseldorf hielt die Teilwertabschreibung für zulässig und gab der Klage statt. Hiergegen wandte sich das Finanzamt mit der Revision.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BFH hat das Finanzgericht zu Recht entschieden, dass die Teilwertabschreibung auf das Darlehen zulässig war. Die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert scheitere nicht an der Konzernbeziehung zwischen der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft.

Die Konzernbeziehung würde nur den Zugriff auf etwaige Vermögenswerte der Tochtergesellschaft erlauben. Wenn solche Vermögenswerte aber nicht vorhanden sind, würde die Konzernbeziehung nichts an der Teilwertabschreibung ändern.

In seiner Entscheidung hob der BFH hervor, dass der sog. Konzernrückhalt zur Folge haben kann, dass die Obergesellschaft für etwaige Darlehensausfälle einzustehen hat. Deswegen sei eine Besicherung von Darlehen im Konzernzusammenhang nicht zwangsläufig und nicht in jedem Fall zu fordern. Bei einer Darlehensgewährung im Konzern könne es fremdvergleichsgerecht sein, von Sicherheiten abzusehen, wenn die Konzernbeziehungen für sich gesehen eine Sicherheit bedeuten.

Daraus, so der BFH, dürfe aber nicht der Rückschluss gezogen werden, dass eine an sich gebotene Teilwertabschreibung mangels dauernder Wertminderung ausgeschlossen sei. Dass die Muttergesellschaft im Außenverhältnis regelmäßig für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten einstehe, ließe keinen zwingenden Schluss auf die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeiten durch die Tochtergesellschaft zu. Wenn die Tochtergesellschaft auf die Inanspruchnahme des Konzernrückhalts angewiesen sei, um Drittgläubiger zu befriedigen, sei vielmehr davon auszugehen, dass die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Muttergesellschaft nicht bedient werde. Daher beeinflusse der Konzernrückhalt nicht die Teilwertabschreibung einer konzerninternen Darlehensforderung.

Eine Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 8b Abs. 3 KStG a. F. bzw. § 1 Abs. 1 AStG kam in dem zu entscheidenden Fall nach Auffassung des BFH nicht in Betracht.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Gericht weicht mit dem Urteil von seiner bisherigen Rechtsprechung ab und stellt sich nunmehr auch ausdrücklich gegen die Auffassung der Finanzverwaltung.

Die Frage, ob eine Teilwertminderung infolge eines Konzernrückhalts ausgeschlossen ist, dürfte für den Fall einer Kapitalgesellschaft als Darlehensgeber in der Praxis nur noch von geringer Bedeutung sein. Seit dem Veranlagungszeitraum 2008 regelt § 8b Abs. 3 S. 4 bis 8 KStG ausdrücklich, dass Gewinnminderungen im Zusammenhang mit fremdunüblichen Darlehensforderungen eines beherrschenden Gesellschafters (oder einer nahestehenden Person) außerhalb der Bilanz wieder hinzugerechnet werden müssen.

Zwar kann eine Darlehensgewährung durch ein verbundenes Unternehmen ohne Sicherheitsleistung fremdüblich sein. Darauf weist der BFH in dem vorliegenden Urteil ausdrücklich für den Fall hin, dass die Konzernbeziehungen für sich gesehen die Qualität einer Sicherheit haben. Sollte es jedoch zu einem Darlehensausfall kommen und der Darlehensgeber das Darlehen nicht kündigen, wird regelmäßig ein fremdunübliches „Stehenlassen in der Krise“ vorliegen und die Gewinnminderung daher außerbilanziell zu korrigieren sein.

Für Fremdfinanzierungsverluste eines einkommensteuerpflichtigen beherrschenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gilt mit dem Zollkodex-Anpassungsgesetz seit dem Veranlagungszeitraum 2015 nach § 3c Abs. 2 S. 2 bis 5 EStG eine ähnliche Regelung, wenn die Darlehensgewährung fremdunüblich ist.

In allen anderen Fällen kann das vorliegende Urteil eine nützliche Argumentationshilfe sein, wenn die Finanzverwaltung eine Teilwertabschreibung, z. B. aufgrund der möglichen Einflussnahme eines beherrschenden Gesellschafters, nicht anerkennen will.

Bei Fragen zum Thema kontaktieren Sie bitte: Christian Weimann

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