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Das Betriebsrätestärkungsgesetz – ist eine Stärkung erforderlich?
Die zünftige Brotzeit auf der Almhütte nach einer langen Wanderung ist eine notwendige leckere Stärkung, sagt der Magen. Die Aufnahme von Vitaminen im Winter ist eine wichtige Stärkung des Immunsystems, sagen Mediziner. Ein Wintertransfer beim FC Bayern München wäre eine sinnvolle Verstärkung der Abwehr, meint ein Blick auf die Anzahl der Gegentore. Ein neues Gesetz soll Betriebsräte stärken, doch ist eine Erweiterung des Kündigungsschutzes oder der Mitbestimmungsrechte überhaupt erforderlich?
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Entwurf des Betriebsrätestärkungsgesetzes soll u.a. entgegenwirken, dass die Anzahl an Betriebsratsgremien in Deutschland immer geringer wird. Nach einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2019 verfügen noch rund zehn Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Deutschland über einen Betriebsrat. Lediglich etwa 38,5 Prozent der Arbeitnehmer werden hierzulande von Betriebsräten vertreten. Der Entwurf des Betriebsrätestärkungsgesetzes sieht weiter vor, die Wahl von Betriebsräten zu vereinfachen und die Rechte des Betriebsrats bei der Weiterbildung, dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und bei mobiler Arbeit zu stärken.
Vereinfachung der Gründung von Betriebsräten
Vor allem in kleineren und mittleren Betrieben soll mit dem Gesetzesentwurf die Hürden für die Wahl eines Betriebsrats gesenkt werden. In Betrieben mit bis zu 20 Arbeitnehmern sollen künftig gar keine Stützunterschriften für Wahlvorschläge mehr erforderlich sein, in Betrieben mit bis zu 100 Arbeitnehmern nur noch zwei (bislang: 5% der Wahlberechtigten).
Als Grund für die (erforderliche) Vereinfachung der Gründung wird argumentiert, dass in besonders kleinen Betrieben/Unternehmen aufgrund der Formalien des regulären Wahlverfahrens bewusst auf die Gründung eines Betriebsrats verzichtet werde.
Ausweitung des Kündigungsschutzes
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer verbessert werden soll, die zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung einladen oder die Bestellung eines Wahlvorstands beantragen. Der Kündigungsschutz dieser Arbeitnehmer soll vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses dauern.
Auch zukünftig virtuelle Betriebsratssitzungen
Die zunächst bis 31.12.2020 befristet eingeführte und dann nochmals verlängerte Möglichkeit, Betriebsratssitzungen ganz oder teilweise virtuell abhalten zu können, soll nicht mehr vorübergehende Ausnahmeregelung, sondern dauerhaftes betriebsverfassungsrechtliches Instrument werden.
Mitbestimmung beim Einsatz von künstlicher Intelligenz
Die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Informations- und Kommunikationstechnik für den Betriebsrat soll nach dem Gesetzesentwurf beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik im Unternehmen als erforderlich gelten. Weiter wird im Gesetzesentwurf klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann bestehen, wenn der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Unternehmen vorgesehen ist. Außerdem soll mit dem Entwurf sichergestellt werden, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz erstellt werden.
Stärkung des Betriebsrats bei Weiterbildung und mobiler Arbeit
Bei den Mitbestimmungsrechten sieht der Entwurf die Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei „mobilem Arbeiten“ und „Home-Office“ vor. Den Betriebsräten soll ein Mitbestimmungsrecht bei der inhaltlichen Ausgestaltung eingeräumt werden. Zu beteiligen wäre der Betriebsrat beispielsweise auch bezüglich des Ortes, von dem aus mobil gearbeitet werden soll oder nicht soll. Zur Förderung mobiler Arbeit und zum Schutz der Arbeitnehmer bei Wahrnehmung von Home-Office soll ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt werden
Der Gesetzesentwurf sieht zur Stärkung der Rechte des Betriebsrats im Rahmen der Qualifizierung weiter vor, dass das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung ausgebaut wird.
Arbeitgeber grundsätzlich datenschutzrechtlicher „Verantwortlicher“
Im Gesetzesentwurf ist festgelegt, dass Arbeitgeber grundsätzlich „Verantwortlicher“ im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat ist.
Herzliche und gestärkte (arbeitsrechtliche) Grüße aus München
Ihr Dr. Erik Schmid
Expert:innen
Dr. Erik Schmid Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Partner |
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