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Mitbestimmung des Betriebsrats beim Gesundheitsschutz

Bundesarbeitsgericht vom 28. März 2017 – 1 ABR 25/15

Die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Gesundheitsschutz kann schon bei Gefährdungen greifen.

Sachverhalt

Ein Textilunternehmer hatte sich mit dem Betriebsrat einer Filiale auf die Errichtung einer Einigungsstelle pauschal zur umfassenden Erledigung aller Themen des Gesundheitsschutzes verständigt. Durch einen Teilspruch erließ die Einigungsstelle eine „Betriebsvereinbarung über akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“. Die Maßnahmen waren allesamt nicht aufgrund einer konkreten Gefahr oder einer mitbestimmten Gefährdungsbeurteilung angezeigt. Die Einigungsstelle hatte sich vielmehr selbst ein Bild über die vermeintlich bestehenden Gefährdungen gemacht. Der Arbeitgeber griff den Spruch der Einigungsstelle gerichtlich an und setzte sich nach dem Verlust der ersten Instanz in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg weitestgehend durch.

Die Entscheidung

Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht und hielt die Betriebsvereinbarung bereits für unwirksam, weil die Einigungsstelle nicht ordnungsgemäß eingesetzt worden war. Ihr Regelungsauftrag sei zu weit gefasst, da sie selbst aus diesem nicht beurteilen konnte, worin ihr Auftrag konkret besteht und wann er beendet ist. Des Weiteren lehnte das BAG aber auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ab. Der Betriebsrat habe zwar bei Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume bleiben. Auch setze das Mitbestimmungsrecht keine konkret bestehende Gefahr voraus, wie das BAG in seiner früheren Rechtsprechung noch gefordert hatte, sondern greife bereits im Vorfeld bei Gefährdungen. Diese müssen aber feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) festgestellt werden. Die Einigungsstelle selbst kann sie nicht feststellen.

Konsequenzen für die Praxis

Man könnte sagen, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nun entgrenzt besteht, da nicht nur bei konkreten Gefahren, sondern auch schon bei Gefährdungen ein Mitbestimmungsrecht bestehen kann. Dies jedenfalls, soweit dem Arbeitgeber bei notwendigen Maßnahmen ein Handlungsspielraum bleibt. Erfahrungsgemäß – und dies zeigt auch der vorliegende Fall – wurden in der Praxis bei Thema Gesundheitsschutz zum Teil aber sehr ausufernde Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats angenommen, sodass erfreulich ist, dass das BAG nun klare Grenzen geschaffen hat. Die Gefährdungsbeurteilung nach dem ArbSchG wird mit dieser Entscheidung in der Praxis zum Dreh- und Angelpunkt, und damit regelmäßig zur Voraussetzung der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen zum Gesundheitsschutz.

Praxistipp

Neben den Grundsätzen zum Gesundheitsschutz mahnt diese Entscheidung, den Regelungsauftrag der Einigungsstelle bei ihrer Einsetzung konkret zu fassen, um angreifbare Sprüche auszuschließen. Zudem sollte vor der Einigungsstelle genau analysiert werden, wo ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats liegt, damit diese zielorientiert geführt werden kann und ausufernde Regelungen vermieden werden.

Wenn Sie Fragen zu diesem Beitrag haben, wenden Sie sich bitte an Frau Christina Kamppeter.

Hinweis: Der Beitrag ist in einer etwas ausführlicheren Form in der Zeitschrift DER BETRIEB, Jahrgang 2017, Seite 2427 erschienen.

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