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Höchstrichterlich geklärt: Strenge Anforderungen bei betriebsübergreifender Versetzung von Mandatsträgern

Bundesarbeitsgericht vom 27. Juli 2016 – 7 ABR 55/14

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war in der IT-Abteilung am Standort B beschäftigt und als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt. Das Unternehmen beschloss, die IT-Abteilung von B an den Sitz des Unternehmens in K zu verlegen. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Interessenausgleich beinhaltete eine Namensliste, die auch den Arbeitnehmer als Betroffenen auflistete. Das Unternehmen bat den Betriebsrat am Standort B um Zustimmung zur Versetzung und wies auf die vorläufige Durchführung der Maßnahme hin. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung. Im daraufhin eingeleiteten Gerichtsverfahren wurde zuletzt durch das Landesarbeitsgericht (LAG) der Antrag des Unternehmens auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zurückgewiesen.



Die Entscheidung

Das BAG hob diesen Beschluss auf und wies die Sache an das LAG zurück. Dabei führte es aus, dass die Versetzung in den Betrieb in K beim betroffenen Arbeitnehmer zum Verlust des Amtes als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen geführt hätte. Er würde daher über eine Brückennorm im 9. Buch des Sozialgesetzbuchs dem Schutzbereich des § 103 Abs. 3 BetrVG unterfallen, der für Betriebsratsmitglieder gilt. Aus Sicht der Bundesrichter hatte die Vorinstanz nicht ausreichend geprüft, ob andere Möglichkeiten bestehen, den betroffenen Mandatsträger im bisherigen Betrieb sinnvoll weiterzubeschäftigen; es konnte daher nicht festgestellt werden, ob die Versetzung nach § 103 Abs. 3 Satz 2 BetrVG aus „dringenden betrieblichen Gründen“ notwendig ist. Das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe konnte trotz der namentlichen Nennung des Betroffenen im Interessenausgleich nicht nach § 1 Abs. 5 des Kündigungsschutzgesetzes per Gesetz vermutet werden, da diese Regelung auf Versetzungen keine Anwendung finde.



Konsequenzen für die Praxis

Mit der Entscheidung ist erstmals das Verhältnis zwischen den Beteiligungsrechten des Betriebsrats nach § 99 und nach § 103 BetrVG in Bezug auf betriebsübergreifende Versetzungen höchstrichterlich geklärt. Danach geht im Falle von Versetzungen von Mandatsträgern, die zum Verlust des Amts oder der Wählbarkeit führen würden, das Zustimmungsverfahren nach § 103 Abs. 3 BetrVG mit den strengen Anforderungen an das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe für die Zustimmungsersetzung dem Verfahren nach § 99 Abs. 1, 4 BetrVG vor. Eine Ersetzung der Zustimmung kommt danach nur in Betracht, wenn keine gleich geeigneten und für die Kontinuität der Mandatsführung weniger einschneidenden Maßnahmen als die Versetzung möglich sind.



Praxistipp

Soll ein Mandatsträger gegen seinen Willen betriebsübergreifend versetzt werden, was regelmäßig zum Verlust des Amtes führt, muss der Betriebsrat nach § 103 Abs. 3 BetrVG seine Zustimmung erteilen. Der Umfang der Unterrichtung durch den Arbeitgeber richtet sich hierbei nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Um bei Weigerung des Betriebsrats die Zustimmung gerichtlich ersetzen zu lassen, ist seitens des Arbeitgebers vorab zu überprüfen, ob eine Weiterbeschäftigung des Mandatsträgers im Ursprungsbetrieb nicht mehr sinnvoll möglich ist; Beschäftigungsmöglichkeiten müssen aber nicht neu geschaffen werden. Zu beachten ist auch, dass laut BAG in diesem Zusammenhang die vorläufige Durchführung der Versetzung nach § 100 BetrVG ausscheidet, da dies der Sicherung der Amtskontinuität widerspricht. In solchen Fällen ist auch zu beachten, dass der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist, da die betriebsübergreifende Versetzung für diesen als Einstellung i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG zu werten ist. Soll der Mandatsträger nur innerbetrieblich versetzt werden, ist das Verfahren nach § 103 Abs. 3 BetrVG nicht einschlägig und es bleibt bei der Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Frau Katharina Domni.

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