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Die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer passiert Bundestag und Bundesrat

Am 14. Oktober 2016 hat der Bundesrat dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Reform der Erbschaftsteuer zugestimmt. Damit ist die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Reform der Erbschaftsteuer mit dreieinhalbmonatiger Verspätung auf den Weg gebracht. Gleichwohl gilt das neue Recht rückwirkend bereits ab dem 1. Juli 2016.

Frei nach Shakespeare könnte man sagen „viel Lärm um nichts”, denn zum einen bezieht sich die Reform allein auf die Verschonungsregelungen von unternehmerischen Vermögen und zum anderen ist sie weit weniger einschneidend als von vielen befürchtet wurde. Dennoch dürfte in vielen Fällen für die Übertragung von (Familien-)Unternehmen die Erbschaft- oder Schenkungsteuerbelastung deutlich steigen.

Vor dem Hintergrund der Reform wird wohl die Renaissance der Familienstiftungen weiterhin anhalten, wenn nicht sogar die Beliebtheit dieses Gestaltungsmittel in der Unternehmensnachfolgeplanung weiter steigt. Handlungsbedarf besteht auch für alle Familienunternehmer, soweit die jeweiligen Regelungen in den Gesellschaftsverträgen noch nicht (gänzlich) konform mit den Vorgaben des neuen Erbschaftsteuergesetzes hinsichtlich der Thesaurierung von Gewinnen einhergehen.

Da viele Fachleute einerseits auch die neuen Verschonungsregeln für zu großzügig andererseits die Rückwirkung des neuen Rechts für verfassungswidrig erachten, darf man gespannt sein, ob diese Reform nun verfassungsrechtlich Bestand haben wird. Andernfalls wird man in Analogie zu einer bekannten Fußballweisheit sagen dürfen, nach der Reform ist vor der Reform.

Hintergrund

Die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer soll die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 zur verfassungskonformen Ausgestaltung des Gesetzes umsetzen (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136). Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, eine entsprechende Neuregelung bis zum 30. Juni 2016 auszugestalten (vgl. hierzu insbesondere Tax Newsletter Sonderausgabe ErbSt vom 17. Dezember 2014). Dieser Aufforderung kommt der Gesetzgeber nunmehr – mit Verspätung – nach.

Nachdem die Einigung der Regierungsfraktionen vom 20. Juni 2016 über Anpassungen des Regierungsentwurfs vom 7. September 2015 für ein Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (vgl. hierzu zu insbesondere Tax Newsletter April 2015, Tax Newsletter Juli 2015 sowie Tax Newsletter Sonderausgabe ErbSt vom 20. Juni 2016) vor dem Vermittlungsausschuss landete, wurden final die folgenden Änderungen des verfassungswidrigen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes beschlossen:

Die Lohnsummenprüfung bei kleinen Unternehmen wird verschärft

Für Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten wird auch weiterhin die Lohnsummenprüfung für die Gewährung der Verschonung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer entfallen. Saisonarbeiter bleiben hierbei ausdrücklich unberücksichtigt. Bei Unternehmen, deren Mitarbeiteranzahl mehr als fünf aber weniger als fünfzehn Beschäftigte beträgt, erfolgt eine Staffelung der entsprechenden Lohnsummenhöhe.

Die ursprüngliche Lohnsummenregelung, die eine Befreiung bei Unternehmen mit bis zu zwanzig Beschäftigten vorsah, wird mithin verschärft.

Obergrenze des Verwaltungsvermögens

Bei einer Vermögensverwaltungsquote von mehr als 90 Prozent wird eine Verschonung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausscheiden.

Nach der bisher geltenden Rechtslage kam eine Begünstigung bereits dann nicht mehr in Betracht, wenn das sog. Verwaltungsvermögen mehr als 50 Prozent des erworbenen Vermögens ausmachte. Verwaltungsvermögen wird nach der neuen Regelung von der Begünstigung ausgeschlossen.

Aufgrund der absoluten Obergrenze von 90 Prozent scheidet jedoch eine Verschonung nunmehr für das sonstige (begünstigte) Vermögen nicht mehr aus, wenn das Verwaltungsvermögen zwar mehr als 50 Prozent, aber weniger als 90 Prozent beträgt.

Förderung von Investitionen aus dem Verwaltungsvermögen in begünstigtes Vermögen nach dem Willen des Erblassers

Diejenigen Mittel aus einem Erbe, die gemäß dem vorgefassten Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod für Investitionen aus dem Verwaltungsvermögen heraus in begünstigungsfähiges Vermögen für das Unternehmen getätigt werden, sind steuerrechtlich begünstigt.

Insoweit wird im Vergleich zu der bisherigen Rechtslage eine erweiterte Begünstigungsmöglichkeit geschaffen.

Keine Neudefinition, aber Erweiterung des Kataloges von Verwaltungsvermögen

Der bisherige Begriff des Verwaltungsvermögens wird beibehalten und gilt weiterhin grundsätzlich nicht als begünstigungsfähig. Es werden darüber hinaus lediglich Modifizierungen vorgenommen werden. Beträgt das Verwaltungsvermögen insgesamt lediglich 10 Prozent, wird es steuerrechtlich wie begünstigtes Betriebsvermögen behandelt.

Der Kreis des Verwaltungsvermögens wird unter anderem ausgedehnt auf Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der Lebensführung dienenden Gegenstände, soweit deren Handel, Herstellung, Verarbeitung oder Nutzungsüberlassung nicht den Hauptzweck des Unternehmens ausmachen.

Die nach Abzug der Schulden verbleibenden Finanzmittel (Geld und geldwerte Forderungen) werden in Höhe von bis zu 15 Prozent des Unternehmenswertes zum steuerrechtlich begünstigten Vermögen gerechnet.

Es bleibt somit weiterhin bei der Erforderlichkeit des sog. Verwaltungsvermögenstests.

Allerdings bringt das neue Recht in Bezug auf die Finanzierung von Altersversorgungsverbindlichkeiten eine deutliche Erleichterung, als die Finanzmittel bis zur Höhe des gemeinen Wertes der Altersversorgungsverbindlichkeiten nicht in die Berechnung der Verwaltungsvermögens einbezogen werden, sofern das Vermögen dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen ist.

Verschonungsbedarfsprüfung oder Verschonungsabschlagmodell

Ab einem begünstigten Vermögen von EUR 26 Mio. pro Erwerber (!) scheidet eine Begünstigung grundsätzlich aus.

Für Großerwerbe, die über EUR 26 Mio. hinausgehen, kann eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung oder alternativ ein Verschonungsabschlagsmodell gewählt werden.

Bei der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erwerber darlegen, dass er die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht aus seinem verfügbaren Vermögen begleichen kann. Verfügbares Vermögen ist die Hälfte des mit dem Erwerb übergegangenen – nicht begünstigten – Vermögens sowie vereinfacht gesagt bereits vorhandenen „Privatvermögens”.

Das Abschlagsmodell führt dazu, dass der Verschonungsabschlag jeweils um einen Prozentpunkt für jede EUR 750.000,00 die die Freigrenze überschreiten, abschmilzt.

Überschreitet der Erwerb die Grenze von EUR 90 Mio., scheidet das Verschonungsabschlagsmodell in Gänze aus.

Die Verschonungsbedarfsprüfung bleibt indes weiterhin möglich.

Im Gegensatz zu der bisherigen Rechtslage scheidet eine Begünstigung bei Großerwerben grundsätzlich aus.

Ab Erwerben von EUR 90 Mio. kommt nur noch die Verschonungsbedarfsprüfung in Betracht.

Die Verschonungsbedarfsprüfung dürfte sich insbesondere bei Schenkungen an Kinder oder Familienstiftungen, die über kein nennenswertes Vermögen verfügen, anbieten. Insoweit wird jedenfalls ein großer Gestaltungsspielraum geschaffen.

Verfügungs- und Entnahmebeschränkungen mindern den Unternehmenswert

Verfügungs- und Entnahmebeschränkungen (in Höhe von max. 37,5 Prozent) sowie Abfindungsreduzierung bei Ausscheiden im Gesellschaftsvertrag führen dazu, dass ein Bewertungsabschlag in Höhe von bis zu 30 % gewährt wird. Dieser Abschlag wird vor etwaigen weiteren Begünstigungen gewährt. Die Verfügungsbeschränkungen müssen indes zwei Jahre vor und zwanzig Jahre nach dem Tod des Erblassers bzw. dem Schenkungszeitpunkt bestehen.

Dadurch, dass ein Abschlag vor Abzug weiterer Begünstigungen gewährt wird, ist der Wert des erworbenen Vermögens unmaßgeblich. Ein Abschlag wird folglich auch bei Überschreiten der Grenze von EUR 26 Mio. gewährt.

Durch diese neue Begünstigungsmöglichkeit wird der Gesetzgeber den Besonderheiten von Familienunternehmen gerecht. Die Regelung lässt allerdings einige Fragen offen. So ist unklar, wie die Regelung auf neu gegründete Gesellschaften anzuwenden ist und auf Ebene welcher Gesellschaft sie bei Holdingstrukturen Anwendung finden soll. Vor diesem Hintergrund sollte jeder Gesellschaftsvertrag auf seine Kompatibilität zum neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht geprüft und ggf. angepasst werden.

Kapitalisierungsfaktor: Minderung der Bewertung durch Anpassung an das aktuelle Zinsniveau

Für das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Bestimmung des Unternehmenswerts wird der maßgebliche Kapitalisierungsfaktor in Anbetracht der aktuellen Zinssituation angepasst. Der Faktor wird von derzeit 17,86 auf 13,75 abgesenkt und festgeschrieben.

Achtung: Diese Bewertungsvorschrift gilt für sämtliche Erwerbe, die nach dem 31. Dezember 2015 erfolgen!

Je geringer die Zinsen, desto höher fielen die Unternehmenswerte nach der bisher geltenden Regelung für das vereinfachte Ertragswertverfahren aus. Diese Entwicklung wird durch die Festschreibung des deutlich niedrigeren Kapitalisierungsfaktors zumindest eingegrenzt. Die Bewertung durch Gutachten über den Wert des Unternehmens (bspw. nach IDW S1) dürfte indes weiterhin tägliche Praxis bleiben.

Vor dem Hintergrund der rückwirkenden Einführung zum 1. Januar 2016 ergibt sich die Besonderheit, dass die Bewertung bis zum 30. Juni 2016 für das alte Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gilt. Die generelle Begünstigung durch die Ermittlung geringerer Unternehmenswerte kann im Hinblick auf die bisherige Verwaltungsvermögensquote von 50 Prozent zur Versagung der Verschonung und mithin zu einer deutlichen Schlechterstellung führen. Insofern müssen diejenigen, die zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni Unternehmensanteile übertragen haben, dringend prüfen, ob die Verwaltungsvermögensquote auch auf Basis des neuen BewG eingehalten wird.

Erweiterte Stundungsmöglichkeit

Für Erwerbe von Todes wegen wird eine antragsgebundene, voraussetzungslose Stundung der Erbschaftsteuer für bis zu sieben Jahre eingeführt. Der Umfang der Stundung erstreckt sich auf die Steuer, die auf das begünstigte Vermögen entfällt. Sowohl die Lohnsummenregelung als auch die Behaltensfrist sind einzuhalten.

Die Stundung wird für das erste Jahr zinslos gewährt, in den folgenden sieben Jahren erfolgt eine entsprechende Verzinsung der verbleibenden Steuerbeträge mit 6 Prozent p.a. Die gestundete Steuer dürfte – wenn auch der Gesetzestext hierzu keine Angaben enthält – in sieben gleichen Jahresraten zu tilgen sein.

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt vorbehaltlich der Unterzeichnung des Bundespräsidenten – mit Ausnahme des Kapitalisierungsfaktors – rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Daniel Hermes

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