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BAG: Arbeitgeberfrage nach Gewerkschaftszugehörigkeit kann Koalitionsfreiheit einschränken

Bundesarbeitsgericht vom 18. November 2014 – 1 AZR 257/13

Sachverhalt

Der Arbeitgeber ist Mitglied eines bayerischen Arbeitgeberverbandes. Dieser schloss im Jahr 2006 mit ver.di und der dbb tarifunion jeweils gleichlautende Tarifverträge „Nahverkehrsbetriebe Bayern“. Nach Kündigung der Tarifverträge gelang ver.di im Oktober 2010 eine Einigung mit dem bayerischen Arbeitgeberverband, wodurch auch eine Tariflohnerhöhung erzielt wurde. Die dbb tarifunion hingegen erklärte ihre Verhandlungen für gescheitert und drohte mit Streikmaßnahmen. Daraufhin forderte der Arbeitgeber die in seinem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich auf, in einem Fragebogen mitzuteilen, ob man Mitglied in der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sei oder nicht. Die GDL ist Mitglied der dbb tarifunion. Die GDL verlangte, es zu unterlassen, die Arbeitnehmer nach einer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zu befragen.

Die Entscheidung

Das BAG gab der GDL insofern Recht, als der Einsatz der Fragebögen in der konkreten Situation des Tarifstreits unzulässig sei, da er die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit einschränke. Grund hierfür war im Wesentlichen der Zeitpunkt des Auskunftsverlangens des Arbeitgebers (während einer laufenden Tarifauseinandersetzung mit Streikandrohung). Die geforderte Auskunft verschaffte dem Arbeitgeber genaue Kenntnis vom Umfang des Mitgliederbestands der GDL in seinem Betrieb. Eine solche Befragung ziele nach Art und Weise darauf ab, den Verhandlungsdruck der GDL unter Zuhilfenahme ihrer Mitglieder zu unterlaufen. Damit sei die Koalitionsfreiheit verletzt. Der Arbeitgeber könne sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, dass es ihm um die Umsetzung der erzielten Tarifeinigung mit ver.di und die damit verbundene Tariflohnerhöhung für eine ihm unbekannte Zahl seiner Mitarbeiter gegangen sei. Trotz dieser Wertung des BAG wies es die Unterlassungsanträge der GDL ab. Die Anträge waren nicht auf den vorliegenden Sachverhalt beschränkt, sondern beinhalteten jede denkbare Fallgestaltung und waren damit zu weit formuliert. Die grundlegende Frage, ob der Arbeitgeber in einem Betrieb mit mehreren anwendbaren Tarifverträgen ein generelles Fragerecht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit besitzt, musste vom BAG somit nicht entschieden werden.

Konsequenzen für die Praxis

In Betrieben mit mehreren anwendbaren Tarifverträgen wirft die Frage, welches Tarifentgelt welchem Mitarbeiter zu zahlen ist, besondere Schwierigkeiten auf. Der Arbeitgeber bleibt meist über die Höhe seiner tatsächlichen Zahlungsverpflichtung im Ungewissen. Die Vorinstanz hatte noch entschieden, dass dem Arbeitgeber gerade in solchen Betrieben ein Fragerecht zustehe. Es sei ein sachliches Erfordernis für den Arbeitgeber zu klären, ob Arbeitsbedingungen aus einem mit einer bestimmten Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrag anzuwenden sind. Das BAG jedoch urteilte, dass das Interesse des Arbeitgebers in der konkreten Situation des Tarifstreits unter Streikandrohung nicht überwiege. In einer entschärften Situation ist ein anderes Abwägungsergebnis hingegen auch nach diesem BAG-Urteil denkbar. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Problematik bereits dadurch erledigt, dass das vom Kabinett beschlossene Tarifeinheitsgesetz in Kraft tritt.

Praxistipp

Bereits jetzt können Arbeitgeber der Entscheidung entnehmen, wie man „richtig“ nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragt. Einerseits ist das Fragerecht nur während des laufenden Arbeitsverhältnisses und außerhalb von Tarifverhandlungen denkbar. Außerdem empfiehlt es sich, neutral nach der Zugehörigkeit zu „einer“ Gewerkschaft zu fragen.

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