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Unwirksamkeit nicht in der Auftragsbekanntmachung enthaltener Eignungskriterien

Mit dem Thema der Rechtsfolgen, wenn Eignungskriterien bei EU-weiten Vergabeverfahren nicht in der Bekanntmachung genannt werden, haben sich die Nachprüfungsinstanzen wiederholt befasst – und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Nunmehr hat mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf erstmals ein Obergericht diesen Fall unter dem „neuen Vergaberecht“ zu entscheiden gehabt.

Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber hatte im offenen Verfahren im Rahmen des Bauvorhabens „Universität Bonn, Poppelsdorfer Schloss, Dach- und Fassadensanierung“ einen Auftrag zur Ausführung von Dachdecker- und Klempnerarbeiten europaweit ausgeschrieben. In Nr. I.3) der Auftragsbekanntmachung (Auftragsspezifische Anforderungen) hieß es: „Die Auftragsunterlagen stehen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei zur Verfügung unter: https://www.evergabe.nrw.de/VMPCenter/notice/CXS7YYXYD61. Der angegebene Link führte zu den Auftragsunterlagen. Dort findet sich erst im Anhang der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 211 EU) u.a. ein Beiblatt mit Eignungsanforderungen. Danach war zum Beleg der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit u. a. ein „Nachweis Jahresumsatz der letzten 3 Jahre, mindestens … EU netto je Kalenderjahr“ (Ziffer. 2.2) beizubringen. Zugleich stellte der öffentliche Auftraggeber Mindestanforderungen an das Stammpersonal auf, das für die Baustelle bereitzustellen ist. Er schloss das Angebot des Antragstellers gem. § 122 GWB i.V.m. § 16 b VOB/A-EU wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit aus. Der Antragsteller ließ die Mindestanforderungen an den Umsatz und an das Stammpersonal als vergaberechtswidrig rügen und reichte einen Nachprüfungsantrag ein.

Entscheidung

Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf hielt den Nachprüfungsantrag für begründet (Beschluss vom 11.07.2018, Verg 24/18). Der Ausschluss des Angebots des Antragstellers gem. § 122 GWB i.V.m. § 16b VOB/A-EU wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit war nicht berechtigt. Gemäß § 122 Abs. 4 S. 2 GWB waren die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen und gem. § 12 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 VOB/A-EU die geforderten Nachweise anzugeben. Den in der Auftragsbekanntmachung unter Nr. III.1.2) zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit aufgeführten Angaben ließen sich Vorgaben zum Mindestumsatz und den hierzu beizubringenden Nachweisen nicht entnehmen. Der in Nr. 1.3) der Auftragsbekanntmachung enthaltene Link, mit dem gebührenfrei ein uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang zu den Auftragsunterlagen ermöglicht wurde, konnte die Mitteilung der Eignungskriterien und der geforderten Nachweise in der Auftragsbekanntmachung nicht ersetzen. Die bloße Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder auf „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ war ebenso unzulässig wie der Link auf die Vergabeunterlagen als Ganzes. Gleichermaßen unzureichend war der Link, der zwar zu den aufgestellten Eignungsanforderungen und Nachweisen führte, sich jedoch an einer Stelle der Auftragsbekanntmachung befand, an der er von den potenziellen Bietern oder Bewerbern übersehen werden konnte.

Schließlich stellte das Gericht fest, dass das Fehlen der erforderlichen Angaben in der Auftragsbekanntmachung und der unwirksamen Aufstellung der Eignungsanforderungen einen schwerwiegenden Mangel darstelle, der i.d.R eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens und eine neue Auftragsbekanntmachung erfordert, wenn auf die Eignungskriterien nicht verzichtet werden kann.

Praxistipp

Mit seiner Entscheidung schafft das OLG Düsseldorf nunmehr endlich Klarheit zu einer bislang in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage. Das OLG Düsseldorf selbst hatte noch in seiner Entscheidung vom 16. November 2011 (Az.: VII-Verg 60/11) zum „alten Vergaberecht und zur Richtlinie 2004/18/EG“ sowie in alter Besetzung einen Link auf das Formblatt Eigenerklärung zur Eignung, aus dem sich die Eignungsanforderungen ergaben, als ausreichend erachtet und für maßgebend gehalten, dass am Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zu dem Formblatt gelangen konnten.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf steht im Übrigen im Einklang mit dem „neuen Vergaberecht 2016“ und dem ausdrücklichen Wortlaut des § 122 Abs. 4 GWB, wonach Eignungskriterien nicht nur mit dem Auftragsgegenstand und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, sondern diese in der Auftragsbekanntmachung auszuführen sind. Der Entscheidung ist daher zunächst zuzustimmen, zumal sie auch im Einklang mit dem das Vergaberecht beherrschenden „Transparenzgebot“ (vgl. § 97 Abs. 1 S. 1 GWB) steht.

Öffentliche Auftraggeber werden vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Düsseldorf gut beraten sein, die Eignungsanforderungen bereits direkt in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Reicht die von eNotices (TED) zur Verfügung gestellte Anzahl von 4.000 Zeichen für die Darstellung der Eignungskriterien und Mindestanforderungen wie z.B. bei komplexen Infrastrukturvorhaben nicht aus, so eröffnet die Möglichkeit einer direkten Verlinkung mit dem konkreten Ausschreibungsdokument „Deeplink“) öffentlichen Auftraggebern nun die Möglichkeit, vergaberechtskonform auch die Eignungskriterien und Mindestanforderungen vollständig und rechtssicher bekanntzumachen.

Fragen zu diesem Thema beantwortet Dr. Hans von Gehlen gerne.



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Vergaberecht Oberlandesgericht (OLG) Öffentliche Auftragsvergabe Transparenzgebot