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Schon wieder Neues zum Urlaubsrecht – Kann Urlaub noch verfallen?

Bundesarbeitsgericht vom 25. Juni 2019 – 9 AZR 546/17

Das Urlaubsrecht befindet sich nach wie vor im Wandel. Neuerdings verfällt Urlaub nur noch, wenn der Arbeitgeber dafür Sorge getragen hat, dass der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub auch wirklich nehmen kann. Dieser Grundsatz gilt sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn nicht etwas anderes vereinbart ist. Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich: Sorgfalt bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen lohnt sich!

Sachverhalt

Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten im Arbeitsvertrag, dass der Arbeitnehmer 30 Werktage Urlaub erhalten solle. Kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wies der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einer E-Mail darauf hin, dass etwaiger Resturlaub bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden müsse. Nach Beendigung seines Arbeitsvertrags klagte der Arbeitnehmer auf Abgeltung von Resturlaubstagen aus den letzten vier Jahren vor seinem Ausscheiden.

Die Entscheidung

Während das Arbeitsgericht der Klage des Arbeitnehmers stattgab, wies das Landesarbeitsgericht die Klage im Rahmen der Berufung des Arbeitgebers ab. Der Arbeitnehmer hatte nun vor dem BAG Erfolg. Das Gericht bestätigt mit der Entscheidung seine jüngste Rechtsprechung zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Danach erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende eines Kalenderjahres oder, bei einer zulässigen Übertragung auf das Folgejahr, am Ende des Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich zu nehmen und der Arbeitnehmer seinen Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Dem Arbeitgeber wird dabei die Pflicht auferlegt, bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs von sich aus initiativ zu werden. Welches Mittel der Arbeitgeber nutzt, um seine Mitwirkungsobliegenheit zu erfüllen, stellt das BAG den Arbeitgebern grundsätzlich frei. Es betont aber, dass der Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden muss, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt oder nicht. Dazu gehört nach Auffassung des BAG, dass das Unternehmen seinen Mitarbeiter erforderlichenfalls förmlich auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfällt.

Diese Grundsätze wendete das BAG im Streitfall sowohl auf den gesetzlichen Mindesturlaub als auch auf den arbeitsvertraglichen Mehrurlaub an. Es bejahte den Gleichlauf von gesetzlichem und vertraglichem Urlaub, weil der Arbeitsvertrag keine deutlichen Anhaltspunkte dafür enthielt, dass der vertragliche Mehrurlaub unabhängig davon verfallen soll, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat.

Konsequenzen für die Praxis

Das BAG führt seine jüngste Rechtsprechung zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei Urlaubsansprüchen konsequent fort. Dabei wird das Aufklärungserfordernis ausdrücklich auch auf den vertraglichen Mehrurlaub erstreckt, wenn der Arbeitsvertrag keinen abweichenden Regelungswillen erkennen lässt. Eine unkontrollierte Anhäufung von Urlaubsansprüchen aus mehreren Urlaubsjahren kann die unerwünschte Folge der aktuellen Rechtsprechung sein. Erfüllt der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit nicht, tritt der am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums nicht verfallene Urlaub zum Urlaubsanspruch, der im Folgejahr entsteht, hinzu und kann wieder nur unter Beachtung der gesetzlichen und richterlichen Vorgaben verfallen.

Praxistipp

Arbeitgeber sollten regelmäßig prüfen, ob Urlaubsansprüche wirklich vollständig genommen oder verfallen sind. Verfallsfristen in Arbeitsverträgen helfen oft nicht weiter, da der Urlaubsabgeltungsanspruch erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird und den Arbeitnehmern häufig genug Zeit bleibt, ihre Ansprüche geltend zu machen. Um einen Verfall von Urlaubsansprüchen zu erreichen, müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer von sich aus rechtzeitig und unmissverständlich auffordern, ihren Urlaub vollständig zu nehmen und auf den sonst drohenden Verfall des Urlaubs hinweisen. Damit im Streitfall auch bewiesen werden kann, dass der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat, sollte die Aufforderung immer schriftlich oder in Textform erfolgen.

Bei neuen Arbeitsverträgen und bei Arbeitsvertragsänderungen muss auf eine deutliche Unterscheidung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Mehrurlaub geachtet werden. Dass der vertragliche Mehrurlaub verfällt, auch wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt hat, sollte dabei ausdrücklich geregelt werden.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Doreen Methfessel.

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Arbeitsrecht Urlaubsrecht Urlaub BAG