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OLG legt Facebook-Entscheidung des Kartellamts auf Eis

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hegt gegen die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts durchgreifende rechtliche Bedenken. Es hat daher gestern im Eilverfahren beschlossen, dass Facebook seine bisherige Datenverarbeitungspraxis vorerst fortsetzen darf.

Beschluss des Bundeskartellamts

Das Bundeskartellamt hat am 6. Februar 2019 entschieden, dass Facebooks bisherige Datenverarbeitungspraxis gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 Abs. 1 GWB) verstößt. Gleichzeitig hat es Facebook untersagt, die Nutzung von Facebook weiterhin davon abhängig zu machen, dass Nutzer einer Verknüpfung von Facebook-Daten mit Daten aus anderen Quellen, wie den konzerneigenen Diensten WhatsApp und Instagram, zustimmen.

Dabei nimmt das Bundeskartellamt an, dass Facebook auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer eine marktbeherrschende Stellung innehat. Diese Stellung soll Facebook missbraucht haben, indem das Unternehmen zum Nachteil der Nutzer Nutzungsbedingungen verwendet, welche gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen.

Für weitere Einzelheiten zur Entscheidung empfehlen wir unsere seinerzeitige Besprechung.

Bedenken des OLG

Das OLG Düsseldorf hat dem Eilantrag von Facebook gegen die vom Bundeskartellamt verhängten Abhilfemaßnahmen Recht gegeben. Damit kann Facebook seine bisherige Datenverarbeitungspraxis fortsetzen bis in der Hauptsache ein endgültiges Urteil fällt. Schon zuvor wird jedoch der Bundesgerichtshof Gelegenheit haben, zu den rechtlichen Erwägungen des OLG Stellung zu nehmen.

In seinem Beschluss lässt das OLG Düsseldorf dahinstehen, ob Facebook eine marktbeherrschende Stellung hat und ob seine Nutzungsbedingungen gegen die DSGVO verstoßen.

Stattdessen konzentriert es sich darauf, welche zusätzlichen rechtlichen Voraussetzungen ein Marktmachtmissbrauch hat und ob das Bundeskartellamt ihr Vorliegen nachgewiesen hat. Dafür prüft das Gericht, ob der angebliche Datenschutzrechtsverstoß gerade auf einer marktbeherrschenden Stellung von Facebook beruht und ob sich gerade aus dem Datenschutzrechtsverstoß schädliche Folgen für den Wettbewerb ergeben. Beides verneint das OLG:

Das Bundeskartellamt hätte nachweisen müssen, dass Facebook nur wegen seiner Marktmacht datenschutzwidrige Nutzungsbedingungen verwenden kann. Das habe es nicht getan. Es sei auch nicht auszuschließen, dass Facebook solche Nutzungsbedingungen auch bei einem funktionierenden Wettbewerb verwenden würde.

Ein Datenschutzverstoß durch Facebook führe für den einzelnen Nutzer auch nicht zur einer wirtschaftlichen Schwächung im Sinne einer Ausbeutung, da die betroffenen Daten ohne Weiteres duplizierbar seien. Der wettbewerbliche Schaden für die Verbraucher sei auch nicht in einem Kontrollverlust der Nutzer zu sehen, da die Marktmacht von Facebook als solche für den einzelnen Nutzer keine Zwangslage begründe. Die fehlende Kenntnisnahme von Nutzungsbedingungen sei insofern kein stichhaltiges Indiz, weil sie auch auf der Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit der Nutzer beruhen könne. Das Bundeskartellamt habe schließlich auch nicht schlüssig aufgezeigt, wie gerade die Datenschutzverstöße Facebooks Wettbewerber schaden oder die Gefahr begründen, dass sich die Marktmacht von Facebook auf weitere Märkte ausdehnt.

Bewertung

Die zentrale Aussage des Beschlusses lautet: Ein marktbeherrschendes Unternehmen hat "eine besondere Verantwortung nur für den Wettbewerb, nicht darüber hinaus für die Einhaltung der Rechtsordnung durch Vermeidung jedweden Rechtsverstoßes".

Das Gericht beruhigt damit all jene, die nach der Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts eine Entgrenzung des Kartellrechts – und seiner hohen Bußgelder(!) – für marktbeherrschende Unternehmen befürchteten: Wenn das Bundeskartellamt Verstöße gegen Datenschutzrecht verfolgt, verfolgt es dann als nächstes auch Verstöße gegen Arbeitsrecht, Umweltrecht usw.?

Die Antwort des OLG Düsseldorf heißt: "Schuster, bleib bei deinem Leisten." Sie wird all diejenigen schmerzen, die im Kartellrecht ein flexibles und wirkungsvolles Instrument zur Beseitigung von vielfältigen Regulierungsdefiziten in den digitalen Märkten sehen, das GAFA & Co. künftig am besten gleich mit einstweiligen Maßnahmen zu Leibe rücken soll.

Dabei sind diese Märkte für das Kartellrecht keineswegs "Neuland". So konnte sich die Europäische Kommission in den Verfahren Google (Android) und Google (AdSense) – anders übrigens als bei Google (Shopping) – auch auf klassische kartellrechtliche Schadenstheorien stützen. Dagegen leistete das Bundeskartellamt im Fall Facebook Pionierarbeit auf internationaler Ebene. Konsequenterweise verzichtete das Amt von vorneherein auf ein Bußgeld gegen Facebook.

Auch wenn die Facebook-Entscheidung im Ergebnis keinen Bestand haben sollte, so dürfte sie doch auf lange Sicht die Verzahnung des Kartellrechts mit anderen Rechtsgebieten wie dem Datenschutzrecht begünstigen. Dem erteilt auch das OLG Düsseldorf keine Absage –solange nur ein hinreichender Wettbewerbsbezug gegeben ist. Mit der zunehmenden Bedeutung von Daten als Wettbewerbsfaktor wird diese Hürde immer kleiner werden.

Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich gerne an Christoph Heinrich.





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