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Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts beim Erwerb von Geschäftsanteilen

Mit Urteil vom 26. September 2018 (VIII ZR 187/17) nimmt der Bundesgerichtshof (BGH) grundlegend Stellung zur Anwendbarkeit des Sach- und Rechtsmängelgewährleistungsrechts gem. §§ 434 ff. BGB bei einem Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH.

Kern der Entscheidung und gleichzeitig Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2002 ist die Unterscheidung zwischen dem reinen Kauf von Gesellschaftsanteilen – sog. „share deal“ – (dann Anwendbarkeit ablehnend) und dem Kauf des Unternehmens als Ganzes – sog. „asset deal“ (dann Anwendbarkeit bejahend).

Sachverhalt

Die Parteien des Rechtsstreits waren im Rahmen einer Joint Venture-Kooperation zu jeweils 50 Prozent an einer GmbH beteiligt. Zur Beendigung des Joint Venture verkaufte die Beklagte ihre GmbH-Anteile an die Klägerin, wobei der damals veranschlagte Kaufpreis auf dem Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beruhte. Der notariell beurkundete Kaufvertrag wurde unter Ausschluss gesetzlicher Gewährleistungsrechte („soweit dies rechtlich möglich ist“), aber unter Vereinbarung verschiedener Garantieabreden (Bestehen der Geschäftsanteile, Eigentümerstellung des Verkäufers, das Fehlen der Belastung mit Rechten Dritter) geschlossen. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises. Die Klägerin behauptet, dass der für die Kaufpreisfindung maßgebliche Jahresabschluss deutlich zu hohe Umsatzerlöse ausgewiesen habe und bei Zugrundelegung der irrtümlich verkannten richtigen Umsatzzahlen die Parteien einen der Unterbilanz entsprechenden Kaufpreis „auf allenfalls Null“ festgelegt hätten. Ihre Zahlungsansprüche stützt die Klägerin auf eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1, 2 BGB) sowie hilfsweise auf das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht (§§ 434 ff. BGB).

Entscheidungsgründe

1. Sach- und Rechtsmängelgewährleistungsrechte bei asset deal und share deal

Der BGH stellt klar, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung bezüglich der Anwendung des Gewährleistungsrechts bei dem Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH festhalte. Da es sich im vorliegenden Fall um einen reinen Anteilskauf und nicht um einen Unternehmenskauf handle, kommen Gewährleistungsansprüche der Klägerin gem. §§ 434 ff. BGB bei einem Kauf von 50 Prozent der Geschäftsanteile der GmbH von vornherein nicht in Betracht. Für die Beurteilung sei zunächst zwischen einem Unternehmenskauf („asset deal“) und dem Erwerb von Geschäftsanteilen einer GmbH („share deal“) zu unterscheiden. Mit der Folge, dass auf den Unternehmenskauf das Gewährleistungsrecht anwendbar sei, hingegen jedoch nicht auf den Erwerb von Geschäftseinteilen.

Grund dafür ist, dass der Unternehmenskauf als Ganzes, als ein Sachkauf zu qualifizieren sei, während es sich bei dem Erwerb von Anteilen um einen Rechtskauf i.S.d. § 453 Abs. 1 BGB handle. Dies resultiere aus dem Umstand, dass ein Unternehmenskauf als Ganzes nach wirtschaftlicher Betrachtung faktisch dem Erwerb des ganzen Gesellschaftsvermögens gleichstehe. Dabei werde unter dem Kauf eines Unternehmens sowohl der Erwerb sämtlicher als auch der überwiegenden Anteile verstanden.

Dieser rechtlichen Beurteilung stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin bereits 50 Prozent der Geschäftsanteile halte und weitere 50 Prozent hinzukaufe. Zwar trifft das erkennende Gericht keine abschließende Entscheidung im Sinne einer allgemeingültigen Grenze, es stellt jedoch fest, dass der Kauf von 50 Prozent der Anteile jedenfalls nicht ausreiche. Dies gelte auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Erwerber schon die anderen 50 Prozent der Anteile halte, weil stets streng auf den Kaufgegenstand abzustellen sei und nicht darauf, welches Ergebnis der Vollzug des Kaufvertrags herbeizuführen vermag. Insbesondere sei dabei außer Acht zu lassen, dass der Erwerber als Folge des Kaufs die Unternehmensherrschaft angestrebt oder auch tatsächlich erhalten habe. Denn bei einem bloßen Anteilskauf werde vielmehr nur der Bestand des Rechts (sog. Verität), aber nicht die Werthaltigkeit des betreffenden Rechts (sog. Bonität) gewährleistet. Da die Möglichkeit bestehe bei einem Rechtskauf durch eine gesonderte Garantie eine Bonitätshaftung zu vereinbaren, gebe es kein praktisches Bedürfnis an der Ausweitung des Sachmangelgewährleistungsrechts auf den Erwerb von Geschäftsanteilen. Dafür spreche zudem, dass der Gesetzgeber auch mit Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die Unterscheidung zwischen Rechts- und Sachkauf nicht aufgehoben habe.

2. Störung der Geschäftsgrundlage und Haftung aus culpa in contrahendo

Der BGH stellt den Erwerber mit der Ablehnung des Sachmängelgewährleistungsrechts für den Anteilskauf indes nicht schutzlos. Den von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vertragsanpassung – in Form der Rückzahlung des Kaufpreises – auf der Grundlage einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1, 2 BGB) hat das Gericht bejaht. Dieser Anspruch besteht, da beide Parteien den Vertrag nicht geschlossen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die Gesellschaft überschuldet ist. Der BGH führt dabei klarstellend aus, dass ein Anspruch aus § 313 Abs. 1, 2 BGB grundsätzlich auszuscheiden hätte, soweit aufgrund der von der Klägerin behaupteten Überschuldung des Unternehmens der Anwendungsbereich des Sach- und Rechtsmängelgewährleistungsrecht der §§ 434 ff. BGB eröffnet wäre. Andernfalls würde die den Bestimmungen des §§ 434 ff. BGB zugrunde liegende Risikoverteilung durch die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert werden. Dies gelte auch dann, wenn die Voraussetzungen einer Mängelhaftung aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses – wie im vorliegenden Fall – nicht gegeben seien.

Daneben komme ebenfalls eine Haftung aus einer schuldhaften Verletzung von Pflichten aus einem vorvertraglichen (gesetzlichen) Schuldverhältnis (sog. culpa in contrahendo) gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB in Betracht.

Konsequenzen für die Praxis

Praktische Relevanz erlangt diese BGH-Entscheidung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, da der BGH die vor der Schuldrechtsmodernisierungsreform vertretene Auffassung bestätigt.

Eine Klärung der vom BGH ausdrücklich offengelassenen Frage, ab welcher Beteiligungsschwelle ein Erwerb von Anteilen (Rechtskauf) dem Erwerb eines Unternehmens als Ganzes (Sachkauf) gleichwertig anzusehen ist, steht indes aus. Im Schrifttum vertreten werden Anteilsgrenzen von 95 Prozent (angelehnt an die Grenze für den aktienrechtlichen Squeeze-Out gem. §§ 327a ff. AktG) oder 75 Prozent (angelehnt an die Schwelle für die Kontrolle einer Gesellschaft durch satzungsändernde Mehrheit gem. § 179 Abs. 3 Satz 1 AktG).

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, kontaktieren Sie gerne Oliver Köster, LL.M.