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Gut gemeint, aber verboten? – Kartellrechtliche Schranken für gemeinwohlorientierte Unternehmens­kooperationen

Angesichts der Debatten um Klimaschutz, knapper werdende Ressourcen, soziale Gerechtigkeit und die weltweite Achtung der Menschenrechte stellt sich zunehmend die Frage, inwieweit Unternehmen über das gesetzliche Mindestmaß hinaus Gemeinwohlinteressen verfolgen können und sollen. Übernehmen Unternehmen freiwillig gesellschaftliche Verantwortung (Corporate Social Responsibility – CSR), dann häufig gemeinsam, etwa in Form von Branchenkooperationen. Denn zusammen können Unternehmen oftmals eine höhere Schlagkraft, Effizienz und Öffentlichkeitswirksamkeit erreichen als alleine. Ein prominentes Beispiel ist in Deutschland die „Initiative Tierwohl“, ein Branchenbündnis aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und dem Lebensmitteleinzelhandel, um die Tierhaltung zu verbessern.

Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zur Förderung von Gemeinwohlinteressen – das klingt zunächst wünschenswert und unproblematisch. Bei näherer Betrachtung kann jedoch genau eine solche Zusammenarbeit kartellrechtlich verboten sein! Dann nämlich, wenn die Kooperation eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Hierzu ein Beispiel:

Mehrere Chemieunternehmen wollen mit neuen Lagertanks austretende Chemikaliendämpfe verringern und so den Umweltschutz verbessern. Zur Finanzierung ihrer Investitionen einigen sie sich auf eine Preiserhöhung um einen einheitlichen festen Betrag. Die Europäische Kommission hat die Preiserhöhung beanstandet: Sie schalte den Wettbewerb bei diesem Preiselement aus, indem sie den Anreiz der einzelnen Teilnehmern vermindere, eine kostengünstige und effiziente Lösung zu wählen.

Wie das Beispiel zeigt, können CSR-Kooperationen zwischen Wettbewerbern, die sich unmittelbar auf „Kernparameter“ des Wettbewerbs wie die Verkaufspreise auswirken, kartellrechtlich verboten sein. Daneben können CSR-Kooperationen insbesondere dann kartellrechtlich bedenklich sein, wenn sie produktbezogene Maßnahmen enthalten, höhere Kosten verursachen oder einen hohen Marktabdeckungsgrad aufweisen. In solchen Fällen muss eine geplante CSR-Branchenkooperation frühzeitig und vertieft kartellrechtlich geprüft werden.

Umgekehrt zeigt das Beispiel aber auch: Die Einigung der Wettbewerber über die Verbesserung des Umweltschutzstandards selbst hat die Kommission nicht beanstandet. Allgemein gilt: Je marktferner die Vereinbarungen der Branchenkooperation sind und je größer die Spielräume der teilnehmenden Unternehmen bei ihrer Umsetzung sind, desto eher sind sie kartellrechtskonform. Regelmäßig kartellrechtskonform sind etwa bloße Compliance-Verpflichtungen, sich an bestimmte geltende Gesetze und Vorschriften zu halten.

Aber selbst CSR-Kooperationen zwischen Wettbewerbern, die wettbewerbsrelevante Faktoren betreffen oder eine hohe Marktabdeckung aufweisen, sind keineswegs per se kartellrechtlich verboten. Vielmehr müssen ihre Auswirkungen genau analysiert werden, auch mit Blick auf eine mögliche Freistellung vom Kartellverbot. Bei solchen CSR-Kooperationen liegt der Teufel häufig im Detail wie das folgende Beispiel zeigt:

Die bereits erwähnte „Initiative Tierwohl“ soll die artgerechte Nutztierhaltung fördern. Dabei honoriert der Lebensmitteleinzelhandel Tierwohlmaßnahmen der Tierhalter, indem er dafür mehrere Cent je verkauftem Kilo Fleisch abführt. Damit der Verbraucher hinreichend von der Initiative profitiert, hat das Bundeskartellamt darauf gedrungen, die Transparenz bei der Kennzeichnung zu verbessern.

Das Beispiel macht deutlich, wie wichtig die konkrete Ausgestaltung einer CSR-Kooperation für deren Kartellrechtskonformität ist. Wie im Beispiel kann es dabei etwa darum gehen, dass alle Marktstufen ausreichend an den Vorteilen der Kooperation beteiligt werden. Praktisch am wichtigsten ist, dass die Absprachen im Rahmen der Kooperation nicht weiter gehen dürfen als für die Erreichung des Gemeinwohlzwecks unbedingt erforderlich ist.

Schließlich müssen Unternehmen darauf achten, dass im Rahmen der CSR-Kooperation keine wettbewerbsrelevanten Informationen wie aktuelle/künftige Preise, Umsätze oder Kunden zwischen den Teilnehmern ausgetauscht werden. Wenn solche Daten für die Planung, Durchführung oder Evaluation der Zusammenarbeit benötigt werden, so müssen sie von einem unabhängigen Dritten erhoben werden und dürfen anschließend nur aggregiert und anonymisiert weitergegeben werden.

Fazit

Bei der Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern zur Erreichung und Umsetzung von CSR-Maßnahmen ist immer auch frühzeitig an die kartellrechtliche Compliance zu denken. Andernfalls können Ermittlungen von Kartellbehörden oder Schadensersatzforderungen von Kunden oder Lieferanten drohen.

Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich gerne an Martin Lawall und Christoph Heinrich.

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Corporate Social Responsibilty Nachhaltigkeit Kartellrecht EU-Kommission Bundeskartellamt

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