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Früher war alles besser – vom Arbeitnehmer zum Crowdworker

Die Brezn kostete 10 Pfennig, der VW-Käfer wenige Tausend Mark, alles war billiger. Es gab Vollbeschäftigung und keine Arbeitslosigkeit, schon gar keine Kurzarbeit. Kinder hatten noch eine Kindheit und keinen Leistungsdruck. Ehen hielten und Fleisch war kein Fleischersatz. Früher war alles besser. Früher gab es Arbeitnehmer und Selbständige. Heute gibt es arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, Scheinselbständige, Tele-Arbeiter, Leiharbeitnehmer oder Zeitarbeiter, geringfügig Beschäftigte, Werkstudenten, Praktikanten oder Crowdworker. Möglicherweise sehnt auch das LAG München im Urteil vom 04.12.2019 (8 Sa 146/19) alte Zeiten herbei und hat entschieden, dass Crowdworker keine Arbeitnehmer sind.

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Crowdworker ist damit kein Arbeitnehmer. Der Crowdworker reiht sich damit in eine unzählige Liste ein von Beschäftigungsarten, wie Praktikanten, Werkstudenten, Heimarbeiter, Tele-Arbeiter und zahlreichen Berufen, wie Krankenpfleger, Zeitungszusteller, Musik- oder Volkshochschullehrer, Orchestermusiker, Hebammen, Croupiers oder Fernsehmitarbeiter, bei denen jeweils die Frage der Arbeitnehmereigenschaft überprüft wurde. Nach meinem Eindruck werden immer mehr – früher unzweifelhaft selbständige Berufe – überprüft und der Stempel des Arbeitnehmers aufgedrückt. Deshalb lohnt sich nochmal der Blick auf die Abgrenzungskriterien zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen.

Der Arbeitsvertrag

Ein Arbeitsvertrag liegt – früher wie heute – vor, wenn die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vertraglich vorgesehen ist (§ 611a BGB). Arbeitnehmer haben Arbeitsanweisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der geschuldeten Dienstleistung zu beachten und sind in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingebunden. Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags.

Die Abgrenzung zum Selbständigen

In arbeitsrechtlichen Statusverfahren werden insbesondere folgende Abgrenzungskriterien herangezogen:

  • Weisungsabhängigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
  • Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation
  • Einsatz von Erfüllungsgehilfen
  • Visitenkarten des Unternehmens
  • E-Mail-Adresse des Unternehmens
  • Eigenes Büro
  • Urlaub
  • Anzeige- und Nachweispflicht bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
  • Teilnahme an Betriebsausflügen oder Weihnachtsfeiern
  • Recht, Aufgaben ablehnen zu können,
  • Wirtschaftliche Abhängigkeit

Neumodisches Zeug: Crowdworking

Crowdworking setzt sich aus Crowd (Menge) und Working (Arbeiten) zusammen. Also eine Menge kleiner Arbeiten, wie z.B. der Testkauf im Supermarkt. Beispielsweise sollen bei einer großen Supermarktkette in ganz Deutschland mit 500 Filialen Testkäufe durchgeführt werden. Dies macht nicht mehr der von weitem deutlich zu erkennende Kaufhausdetektiv mit aufgeklebtem Schnauzbart und langem Trenchcoat – früher war doch nicht alles besser –, sondern Schüler, Studenten, Hausfrauen oder Rentner. Die einzelnen Tätigkeiten (Testkauf in einer Filiale) werden online über Plattformen an eine Vielzahl potentieller Interessenten angeboten. Die Testkäufe in 500 Filialen werden beispielsweise von 200 Crowdworkern durchgeführt, die einzelne Aufgaben (zwei bis drei Filialen) online angenommen haben. Crowdworker haben keine Pflicht, bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Die Aufgabe, der Testkauf, wird vor Ort in der jeweiligen Filiale durchgeführt und mit dem Smartphone werden Daten erfasst und weitergegeben.

LAG München vom 04.12.2019 (8 Sa 146/19)

Das LAG München hatte über den Arbeitnehmerstatus eines Crowdworkers zu entscheiden, der über eine Internetplattform Aufgaben annahm und Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel oder in Tankstellen durchführte. Mit dem Crowdworker bestand eine Basisvereinbarung, mit der er berechtigt war, innerhalb eines Radius von 50 km angezeigte Aufträge anzunehmen und innerhalb von zwei Stunden abzuarbeiten. Der Crowdworker war nicht verpflichtet, einen Auftrag anzunehmen noch berechtigt Aufträge angeboten zu bekommen. Dem Crowdworker wurde die Basisvereinbarung per E-Mail gekündigt.

Das LAG München hat entschieden, dass der Crowdworker kein Arbeitnehmer ist. Die Voraussetzungen eines Arbeitsvertrags lägen nicht vor, weil keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung und keine persönliche Abhängigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt besteht. Die Basisvereinbarung als Rahmenvertrag habe wirksam per E-Mail gekündigt werden können. Die Revision wurde zugelassen, da dieser Fall grundsätzliche Bedeutung habe. Möglicherweise wird das BAG entscheiden.

Das LAG hat mangels Relevanz nicht entschieden, ob jeweils durch das Anklicken eines Auftrags, der innerhalb von zwei Stunden abgearbeitet sein muss, ein befristetes Arbeitsverhältnis begründet wurde.

Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße

Ihr Dr. Erik Schmid, der meistens eine Menge Arbeit hat, aber kein Crowdworker ist.

Hinweis: Dieser Blog-Beitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.

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Crowdworking LAG München vom 04.12.2019 8 Sa 146/19 Statusverfahren Arbeitsverhältnis

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