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Der "Dienstwagen" des Menschen ist unantastbar (Art 1 GG)

Der "Dienstwagen" des Menschen ist grundrechtlich geschützt. Art. 1 GG spricht zwar von der Menschenwürde und nicht vom privat nutzbaren Dienstwagen. Der Stellenwert des Dienstwagens wird – so jedenfalls mein Eindruck – aber vielfach mindestens mit der Menschenwürde gleichgesetzt. Ein guter - mindestens besser als beim Kollegen und Nachbarn ausgestatteter - Dienstwagen ist Arbeitnehmern wichtig. Diese Wichtigkeit haben auch das Finanzamt (mit der Besteuerung des geldwerten Vorteils) und Arbeitgeber erkannt, die insbesondere im Rahmen von Beendigungsprozessen mit dem Entzug der großen Liebe Dienstwagen die Lust auf eine Weiterbeschäftigung trüben.

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Auto bzw. der Dienstwagen genießt in Deutschland einen hohen Stellenwert. Als Teil der Vergütung des Arbeitnehmers ist die Privatnutzung des Dienstwagens umfangreich gesetzlich und vertraglich geschützt. Ansprüche auf Dienstwägen, deren Privatnutzung, den Widerruf der privaten Nutzung oder Ansprüche auf Nutzungsausfallentschädigung sind häufiger Gegenstand arbeitsgerichtlicher Urteile. Der Fünfte Senat des BAG hätte am 14.05.2019 (5 AZR 256/18) über die Zulässigkeit/Unzulässigkeit des Widerrufs eines auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens zu entscheiden gehabt. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde jedoch aufgehoben, da sich die Parteien in Vergleichsverhandlungen befinden. Das ist schade, aber kein Problem, dann übernimmt eben mein Blog!

Arbeitsrechtlicher Steckbrief: der Dienstwagen

  • Dienstwägen dienen primär der Erledigung der Aufgaben der Arbeitnehmer mit Reisetätigkeit (z.B. im Außendienst)
  • Dienstwägen werden häufig – unabhängig von einem tatsächlichen dienstlichen Erfordernis – zur Privatnutzung als Teil der Vergütung gewährt
  • Anspruch auf Dienstwägen und Privatnutzung sind regelmäßig im Arbeitsvertrag oder in einer separaten Dienstwagen-Vereinbarung geregelt. Praxishinweis: Arbeitsvertraglich sollte unbedingt konkret Art und Umfang des geschuldeten Dienstwagens festgelegt werden. Dies kann durch eine konkrete Bezeichnung von Hersteller, Modell, Motorengröße, Ausstattung etc. oder durch einen maximalen Bruttolistenpreis oder eine maximale monatliche Leasingrate festgelegt werden.
  • Private Nutzungsmöglichkeit stellt einen geldwerten Vorteil dar, der monatlich pauschal mit einem Prozent des Bruttolistenpreises zuzüglich 0,03 Prozent des Bruttolistenpreises je Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgerechnet werden kann.
  • Als Teil der Vergütung besteht der Anspruch auf die private Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens unabhängig von der Erbringung der tatsächlichen Arbeitsleistung solange Vergütung zu gewähren ist, damit auch in allen Ausnahmen vom Grundsatz "kein Lohn ohne Arbeit" (z.B. Urlaub, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit während der Entgeltfortzahlung, Mutterschutz). Praxishinweis: Arbeitsvertraglich kann vereinbart werden, dass in Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird aber Vergütung geschuldet ist, der Anspruch auf die Privatnutzung durch eine Ersatzleistung in Geld ersetzt wird.
  • Instrumente zur Rücknahme der Privatnutzung sind die einvernehmliche Vereinbarung, Kündigung/Änderungskündigung oder der Widerrufsvorbehalt. Arbeitgeber können die Rücknahme der Privatnutzung nicht einseitig durchsetzen.
  • Bei Schäden an dem Dienstwagen gelten die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, damit keine Haftung des Arbeitnehmers bei leichter Fahrlässigkeit, volle Haftung des Arbeitnehmers bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz und Aufteilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei mittlerer Fahrlässigkeit. Praxishinweis: Arbeitsvertraglich könnte die Haftung bei Privatfahrten vollumfänglich auf den Arbeitnehmer übertragen werden.

Sachverhalt BAG-Verfahren 5 AZR 256/18

Streitgegenstand ist der Widerruf eines Dienstwagens mit Privatnutzung und Ansprüche auf Nutzungsausfallentschädigung. Der Arbeitnehmer ist für die Überwachung von Einsatzgeräten und die Betreuung und Beratung von Kunden zuständig. Die Beklagte stellte dem Kläger einen Dienstwagen zur Verfügung, mit der Erlaubnis zur Privatnutzung. Im Arbeitsvertrag ist eine Widerrufsregelung bei sachlichen Gründen ohne Entschädigungsanspruch enthalten. Die Bilanz des Arbeitgebers wies Verluste für die Geschäftsjahre 2014 (19,5 Mio) und 2015 (16,7 Mio) aus. "Wegen der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung" entschied sich der Arbeitgeber die Dienstwagenüberlassung zu widerrufen und künftig nur zu Dienstzwecken genutzte Poolfahrzeuge einzusetzen. Der Kläger gab seinen Dienstwagen zurück und klagt auf Überlassung eines Dienstwagens und Nutzungsausfallentschädigung.

Der Kläger ist der Ansicht, die Widerrufsregelung sei intransparent und daher unwirksam. Es lägen keine ausreichenden wirtschaftlichen Gründe vor. Die Ausübung des Widerrufs entspräche nicht billigem Ermessen, weil die Beklagte nur bei drei Mitarbeitern die Privatnutzungsmöglichkeit des Dienstfahrzeugs widerrufen habe. Bei weiteren Mitarbeitern sei bei gleicher Vertragsklausel ein Widerruf unterblieben. Die Beklagte wendet dagegen ein, angesichts der wirtschaftlichen Gründe entspreche die Widerrufsausübung billigem Ermessen. Eine Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil die Vertriebsmitarbeiter fast täglich Kunden im Außendienst besuchten und der Kläger für seinen Einsatz am Bohrturm ein Poolfahrzeug benutzen könne.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen mit der Begründung stattgegeben, der Widerrufsvorbehalt halte einer AGB-Kontrolle nicht stand.

Blog-Entscheidung

Ein Widerrufsvorbehalt eines auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens ist nur mit sachlichem Grund zulässig, da die private Nutzungsmöglichkeit ein Teil der Vergütung ist und nicht einseitig entzogen werden kann. Ein Widerrufsvorbehalt mit sachlichem Grund ist zulässig, wenn ein zulässiger Widerrufsgrund arbeitsvertraglich vereinbart wurde und tatsächlich vorliegt. In der Praxis scheitert ein zulässiger Widerruf häufig an den nicht ausreichend konkreten Widerrufsgründen. Pauschal "wirtschaftliche" oder "verhaltensbedingte" Gründe sind nicht ausreichend. Als zulässig können folgende sachlichen Gründe angesehen werden:

  • Wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers,
  • Versetzung vom Außen- in den Innendienst,
  • Missbrauch der Tankkarte,
  • Entziehung der Fahrerlaubnis,
  • Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung.

Der Blog entscheidet – wie wohl auch das BAG entschieden hätte – dass der Widerruf unzulässig war und der Kläger Schadensersatz erhält.

Das war es für heute, mein Dienstwagen wartet…na ja, ich habe gar keinen Dienstwagen…

Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München

Ihr Dr. Erik Schmid

Hinweis: Dieser Blog-Beitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.



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Arbeitsrecht Dienstwagen Privatnutzung Herausgabe Widerruf BAG vom 14.05.2019 (5 AZR 256/18)

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