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Corona-Demonstrationen und die Grenzen des Arbeitsrechts

Die Corona-Pandemie stellt das Land vor große Herausforderungen und verunsichert in verschiedener Hinsicht. Jüngst sorgte eine Demonstration gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Leipzig für Schlagzeilen. Bekannt wurden die sogenannten Hygiene-Demonstrationen auch durch Großveranstaltungen in Berlin, im Rahmen derer tausende Menschen verschiedenster Interessenvertreter ihren Unmut über die Politik und die Corona-Maßnahmen kundgetan haben.

Das führt nicht nur zu Diskussionen im Alltag. Arbeitgeber sehen sich aufgrund der Teilnahme ihrer Mitarbeiter an den Demonstrationen mit ganz praktischen Auswirkungen in ihrem Unternehmen konfrontiert. Oft stellt sich die Frage, ob mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen adäquat reagiert werden kann – oder vielleicht sogar sollte. Rechtsprechung dazu gibt es bisher keine, insbesondere keine höchstrichterlichen Entscheidungen, an denen sich Arbeitgeber orientieren könnten. Es ist also auch bei etwaigen Pflichtverstößen eines Mitarbeiters in Zusammenhang mit Covid-19 und der Pandemie auf die üblichen Grundsätze im Arbeitsrecht zurückzugreifen. Welche das sind und welche nicht, zeigt der Artikel in einem Überblick.

Teilnahme an „Hygiene-Demo“ als Kündigungsgrund?

Die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer Demonstration gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stellt für sich genommen keinen Kündigungsgrund dar. Auch wenn der Arbeitgeber anderer Ansicht ist und sich womöglich daran stört, dass sich ein Arbeitnehmer auch mit Verfassungsgegnern auf einer Versammlung aufhält: Die Meinungs- und die Handlungsfreiheit eines Arbeitnehmers sind in Artikel 5 Grundgesetz (GG) und Artikel 2 GG geschützt. In seinem Privatleben ist der Arbeitnehmer berechtigt, an einer „Hygiene-Demonstration“ teilzunehmen. Das kann ihm ein Arbeitgeber nicht untersagen.

Kündigung gerechtfertigt bei Kontakt mit Risikopatienten?

Das private Verhalten eines Arbeitnehmers kann aber Auswirkungen auf das Berufsleben haben, wie ein Fall zeigte, der in den Medien für großes Aufsehen sorgte:

Eine Reinigungskraft einer Pflegeeinrichtung nahm an einer Anti-Corona-Demonstration in Berlin teil. Am darauffolgenden Montag meldete sie sich mit Erkältungssymptomen arbeitsunfähig krank. Da die Arbeitnehmerin kein Geheimnis aus ihrer Teilnahme an der Demonstration gemacht hatte, hatte der Arbeitgeber über Facebook davon Kenntnis nehmen können. Er forderte die Mitarbeiterin daher auf, einen negativen Corona-Test vorzulegen. Dies verweigerte die Mitarbeiterin. Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine fristlose Kündigung aus, deren Wirksamkeit nicht abschließend gerichtlich geklärt ist.

Der Fall kann jedoch kaum als Blaupause für künftige ähnlich gelagerte Fälle dienen: Zum einen erfährt der Fall durch den Kontakt zu Risikopatienten in einer Pflegeeinrichtung eine Besonderheit, die nicht in allen Branchen gegeben ist. Zum anderen befand sich die Arbeitnehmerin noch in der Probezeit. Eines besonderen Kündigungsgrundes bedurfte es daher zumindest für eine ordentliche Kündigung nicht.

Kündigung nach Veröffentlichung eines „Corona-Scherzes“

Aber auch in Branchen, in denen kein Kontakt zu Risikopatienten besteht, kann ein Arbeitnehmer durch sein Verhalten andere Kollegen gefährden, sei es durch Teilnahme an einer Corona-Demonstration oder durch ein anderes Verhalten im privaten Bereich. So veröffentlichte im Frühjahr dieses Jahres ein Arbeitnehmer in seinem Whats-App-Status ein Foto von sich in fröhlicher Runde mit mehreren Freunden beim Kartenspiel – mehr Teilnehmer, als zu dem Zeitpunkt in einem privaten Haushalt erlaubt waren und ohne Abstand. Als Bildunterschrift wählte er „Quarantäne bei mir“ und fügte ein Zwinkersmiley hinzu. Der Arbeitgeber sah das Bild und schloss daraus, dass der Arbeitnehmer die Corona-Maßnahmen nicht ernst nehme und sich auch zukünftig nicht im Betrieb daran halten werde. Da er sich in der Pflicht sah, Risikopersonen in seinem Unternehmen zu schützen, sprach er eine fristlose Kündigung aus.

Vor dem Arbeitsgericht erklärte der Arbeitnehmer, es habe sich um einen Scherz gehandelt und das Aufnahmedatum des Fotos läge vor dem ersten Lockdown. Eine Entscheidung fiel nicht: Man einigte sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung. Es ist jedoch zu vermuten, dass die Entscheidung zugunsten des Arbeitnehmers ausgefallen wäre. Das Hochladen eines Fotos, dessen Aufnahmedatum unklar ist, dürfte nicht sofort den Rückschluss zulassen, der Arbeitnehmer werde sich zukünftig nicht an Hygienebestimmungen im Betrieb halten. Abgesehen von der Frage, inwieweit der Arbeitgeber hier seiner Darlegungs- und Beweislast hätte nachkommen können, wäre zudem zuerst an eine Abmahnung zu denken gewesen.

Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen kann ein Arbeitgeber dann ergreifen?

Zuvor dargestellte Fälle zeigen, dass es mit einer Kündigung – ob fristlos oder fristgemäß – nicht so einfach ist, wenn der Arbeitgeber einen möglichst rechtssicheren Weg beschreiten will. Eine Kündigung ist stets das letzte Mittel. Der Arbeitgeber muss zuvor alle milderen in Betracht kommenden Mittel ausgeschöpft haben, bevor er zur letzten Möglichkeit, der Kündigung, greifen kann. Die Frage ist daher, wie vorgegangen werden kann, wenn ein Mitarbeiter offensichtlich aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr für Kollegen und Dritte, wie Patienten oder Pflegeheimbewohner, darstellt, insbesondere auch für Menschen, die einer vulnerablen Gruppe angehören.

Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Durchführung eines Tests verpflichten?

Denkbar wäre, einen Arbeitnehmer nach Teilnahme an einer Anti-Corona-Demonstration aufzufordern, einen Test machen zu lassen und anzuordnen, dass er erst wieder mit einem negativen Ergebnis im Betrieb erscheinen darf. Ob das möglich ist, ist derzeit aufgrund der unklaren Rechtslage nicht eindeutig zu beantworten.

Hier gilt es abzuwägen: Bei einem Test handelt es sich um einen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Auf der anderen Seite steht die Gefahr für Leib und Leben anderer Menschen. Je höher diese Gefahr ist, beispielsweise wenn Kontakt zu Risikopatienten besteht, desto eher müsste sich der Arbeitnehmer wohl einem Test unterziehen. Diese Frage ist jedoch bisher ungeklärt, so dass keine eindeutige Antwort darauf gegeben werden kann, wie der Arbeitgeber rechtssicher vorgehen kann, sollte der Mitarbeiter einen Test verweigern.

Andere Möglichkeiten bei Verweigerung eines Tests?

Weigert sich der Arbeitnehmer, einen Test durchführen zu lassen, könnte der Arbeitgeber versuchen, eine etwaige Verpflichtung im Einzelfall gerichtlich klären zu lassen, im Zweifel im einstweiligen Rechtsschutz. Das dürfte jedoch schon aufgrund der zeitlichen Bedenken kein probates Mittel sein und eher Kosten denn Nutzen mit sich bringen. Denkbar wäre – und das erscheint in der derzeitigen Lage der zunächst gangbarste Weg – den Arbeitnehmer unbezahlt frei zu stellen und ihn nicht in seine Arbeitsstätte kommen zu lassen. Zeigt der Arbeitnehmer nach 14 Tagen - angelehnt an die allgemeinen Quarantäne-Empfehlungen - keine Symptome, kann er wieder zum Dienst erscheinen. Wenn im Betrieb entsprechende Vereinbarungen bestehen, kann der Arbeitnehmer zum Schutz anderer Kollegen ins Homeoffice geschickt werden.

Was ist aber, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig an Corona-Demonstrationen teilnimmt? Müsste der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedes Mal in die unbezahlte Freistellung schicken? Das könnte für den Arbeitgeber aufwendig sein, da er dann unter Umständen immer wieder für Ersatz der ausgefallenen Tätigkeit sorgen müsste.

Abmahnung bei Pflichtenverstößen

Die rechtliche Schwierigkeit liegt in der Abgrenzung der Teilnahme einer legalen Demonstration und dem Verstoß gegen behördliche Auflagen, wie Abstandhalten und Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Die Frage der adäquaten rechtlichen Konsequenzen wird Arbeitsrechtler noch lange begleiten, bis es hierauf Antworten gibt.

Aufgrund eines legalen Verhaltens in der Freizeit kann nicht abgemahnt werden. Anders ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer gegen die Auflagen der Behörden bei seiner Teilnahme an einer Demonstration verstößt. Dann handelt er ordnungswidrig. Nun kann eine Ordnungswidrigkeit im privaten Bereich nur arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wenn diese in Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit steht. Bei Verstößen gegen behördliche Auflagen kann der Arbeitgeber argumentieren, dass der Arbeitnehmer eine Gefährdung der Kollegen und etwaiger Dritter darstellt, so dass hier durchaus ein Zusammenhang bestehen kann. In der Folge würde dieses Verhalten eine Abmahnung rechtfertigen.

Praxistipps

Voranstehende Ausführungen zeigen, dass eine Kündigung, erst recht eine fristlose Kündigung, bei Verstößen des Arbeitnehmers gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in der Regel nicht das Mittel erster Wahl ist. Verstößt der Arbeitnehmer gegen Auflagen im Betrieb, so sollte wegen dieses Verstoßes stets abgemahnt werden; im Wiederholungsfall kann der Arbeitgeber dann auf eine Kündigung zurückgreifen, wobei dann die Auswahl, ob ordentlich oder außerordentlich, eine Frage des Einzelfalls ist. Die Teilnahme an einer Hygiene-Demonstration an sich stellt hingegen keinen Pflichtenverstoß dar; diese kann der Arbeitgeber nicht untersagen. Auch ein Verlangen der anschließenden Durchführung eines Tests dürfte rechtlich kaum durchsetzbar sein. Da der Arbeitnehmer dann jedoch eine Gefahr für seine Kollegen und unter Umständen auch für Dritte darstellt, kann eine unbezahlte Freistellung diese Gefahr verhindern.

Verstößt der Arbeitnehmer bei der Teilnahme an einer Demonstration gegen behördliche Auflagen, kann auch dieser Verstoß wohl nur in den seltensten Fällen sofort zum Ausspruch einer Kündigung genügen. Neben der angesprochenen unbezahlten Freistellung sollte wegen des Verhaltens mit der Begründung abgemahnt werden, der Arbeitnehmer habe mit seinem Verhalten Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Im Wiederholungsfall wäre dann an eine Kündigung zu denken.

Ines Neumann

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Arbeitsrecht Corona Demonstration Kündigung