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Bundesregierung verschärft Regelungen zur Investitionskontrolle unionsfremder Investoren

- Zwölfte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung -

Mit der am 19. Dezember 2018 beschlossenen Zwölften Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) hat die Bundesregierung die Regelungen für die Prüfung eines Erwerbs von deutschen Unternehmen durch außereuropäische Investoren verschärft.

Die AWV und das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) bilden die Rechtsgrundlage für die Kontrolle ausländischer Investitionen in Deutschland. Die AWV differenziert zwischen der alle Branchen betreffenden Prüfung (sog. sektorübergreifende Prüfung) und der Prüfung, die besonders sicherheitsrelevante Branchen betrifft (sog. sektorspezifische Prüfung). Ergebnis einer solchen Prüfung ist die Untersagung oder Gestattung einer Transaktion (ggf. nur unter Erfüllung weiter Auflagen). Im Rahmen der sektorübergreifenden Prüfung gibt es die Möglichkeit der Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, um ein unerwartetes Prüfverfahren vermeiden.

Durch den Beschluss des Bundeskabinetts vom 19. Dezember 2018, dem eine Vorlage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zugrunde lag, haben insbesondere die §§ 55 ff. AWV eine Novellierung erfahren.

Bisherige Rechtslage

Die bisherige Fassung der AWV ermöglichte die Prüfung von Erwerbsvorgängen deutscher Unternehmen durch ausländische Erwerber (§ 60 AWV) und Unionsfremde (§ 55 AWV), wenn der unmittelbare oder mittelbare Stimmrechtsanteil des ausländischen bzw. außereuropäischen Erwerbers an einem inländischen Unternehmen 25 Prozent erreichte oder überschritt. Prüfungsmaßstab war und ist, ob der konkrete Erwerb zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt.

Neue Rechtslage

Absenkung der Prüfschwelle

Mit der Änderung der Außenwirtschaftsverordnung ist die Prüfeintrittsschwelle von bislang 25 Prozent in sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bereichen abgesenkt worden.
So erfolgte die Absenkung der relevanten Beteiligungsschwelle im Rahmen der sog. sektorspezifischen Investitionskontrolle nach den §§ 60 ff. AWV auf 10 Prozent.

Auch im Rahmen des sog. sektorübergreifenden Investitionsprüfverfahrens nach den §§ 55 ff. AWV ist die Prüfeintrittsschwelle auf 10 Prozent für Beteiligungserwerbe an Unternehmen absenkt worden, die in sicherheitsrelevanten zivilen Bereichen tätig werden.

Die Absenkung der relevanten Schwelle wird mit einem erhöhten Prüfungsbedarf bei verteidigungsrelevanten Unternehmen sowie bei Unternehmen, die in den Branchen Wasser- und Energieversorgung, Informationstechnologie, Telekommunikation, Finanz- und Versicherungswesen, Gesundheit, Güter- und Personentransport, Verkehr sowie Ernährung tätig sind („besonders sicherheitsrelevante zivile Infrastrukturen“), begründet.

Bei Unternehmen in anderen Tätigkeitsfeldern, deren Geschäftsaktivitäten sich nicht auf sensible Branchen oder kritische Infrastrukturen auswirken, bleibt die Prüfeintrittsschwelle von 25 Prozent bestehen.

Erweiterung der Tätigkeitsbereiche des Erwerbsunternehmens

Bezugspunkt des abgesenkten Schwellenwerts sind bei einem Beteiligungserwerb gerade die Unternehmen, die für die Sicherheit Deutschlands entscheidend sind. Dazu zählen die in §§ 55 und 60 AWV aufgeführten Tätigkeitsfelder. Auch für Unternehmen der Medienwirtschaft gelten zukünftig diese Regelungen, um zu verhindern, dass deutsche Medien bei Übernahme durch ausländische Investoren für Desinformation genutzt werden können.

Die Änderungen sind am Tag nach der Verkündung der Verordnung im Bundesanzeiger am 29. Dezember 2018 in Kraft getreten.

Erweiterung der Meldepflichten

Entsprechend sind zu der Absenkung der Prüfeintrittsschwelle die damit einhergehenden Meldepflichten nach § 55 Abs. 4 und § 60 Abs. 3 AWV ausgeweitet worden.

EU

Neben der Novellierung des deutschen Außenwirtschaftsrechts in der AWV wird auch eine Einigung auf europäischer Ebene avisiert. Im Rahmen des europäischen Sekundärrechts soll eine verbindliche Basis für die Kooperation der Mitgliedstaaten im Bereich unionsfremder Direktinvestitionen, die staatlich gelenkt und/oder finanziert sind,

geschaffen werden. Damit stellt diese Verordnung auch auf EU-Ebene klar, dass kritische Infrastrukturen und Technologien, Versorgungssicherheit und Zugang zu bzw. Kontrolle von sensitiven Informationen sowie die Kontrolle bzw. Finanzierung einer Investition durch staatliche Stellen von besonderer Relevanz für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit sind.

Nachdem das Europäische Parlament am 15. Februar 2019 beschlossen hat, einen europaweiten Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen einzuführen, ist demnächst mit der Verabschiedung der Verordnung zur Investitionsprüfung und Bekanntgabe im Amtsblatt der EU zu rechnen. Inwiefern eine Anpassung der deutschen AWV vonnöten ist, bleibt abzuwarten.

Hintergründe zur Änderung

Hintergrund für die zwölfte Verordnung zur Änderung der AWV war das Bekanntwerden der beabsichtigten Übernahme von 20 Prozent der Unternehmensanteile am Stromübertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH durch die State Grid Corporation of China (SGCC) im Sommer 2018. Bei 50Hertz handelt es sich – wie die Bundesregierung bestätigte – um eine kritische Infrastruktur der Stromversorgung.

Anfang 2018 waren Anteilseigner an der 50Hertz über die Eurogrid International CVBA der belgische Netzbetreiber Elia (60 Prozent) und der australische Infrastrukturfonds IFM (40 Prozent). Ein erster Übernahmeversuch der Chinesen zu Beginn des Jahres 2018 durch den Erwerb des ersten 20-Prozent-Anteils, den IFM zum Verkauf gestellt hatte

war durch den Erwerb der Anteile durch Elia nach entsprechender Konsultation mit dem Bundeswirt-schaftsministerium vereitelt worden.

Im Mai 2018 wollte IFM auch ihre Restbeteiligung von 20 Prozent an 50Hertz verkaufen und die State Grid Corporation of China war wieder interessiert. Elia machte wieder nach Konsultation mit dem Wirtschaftsministerium von ihrem Vorkaufsrecht für den betreffenden 20-Prozent-Anteil an 50Hertz Gebrauch, und gab diesen anschließend – wie das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium betonten – aus sicherheitspolitischen Erwägungen aufgrund eines hohen Interesses am Schutz kritischer Energieinfrastrukturen an die deutsche Staatsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) weiter. Eine Untersagung des Erwerbs der 20 Prozentbeteiligung an 50Hertz durch die State Grid Corporation of China wäre aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Prüfeintrittsschwelle von 25 Prozent im Rahmen der Investitionskontrollbestimmungen nicht in Betracht gekommen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen hatte Elia kein Interesse an einer Aufstockung ihres 80 Prozentanteils an 50Hertz auf 100 Prozent.

In diesem Zuge schlug der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier eine Absenkung der Prüfeintrittsschwelle (von 25 Prozent auf 15 Prozent) vor. Letztendlich senkte die Bundesregierung die Prüfeintrittsschwelle auf 10 Prozent. Dabei erfolgte die Bestimmung der neuen Schwelle von 10 Prozent anhand der OECD-Benchmark-Definition für ausländische Direktinvestitionen, wonach ein langfristiges Interesse und den Kontrollanspruch des Investors anzunehmen ist, wenn sich der Erwerber mit mindestens 10 Prozent am Unternehmen beteiligt.

Tendenzen in der Praxis und Auswirkungen

Nach den Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist bereits in den vergangenen Jahren ein Anstieg der Anträge auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie die Zahl der Prüfverfahren nach dem Außenwirtschaftsrecht zu verzeichnen gewesen.

Nach Absenkung der Prüfeintrittsschwelle und der damit einhergehenden Erweiterung der Meldepflichten ist zu erwarten; die Zahl der außenwirtschaftsrechtlichen Prüfverfahren weiter steigen wird.

Nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums waren bei den geprüften Erwerbsvorgängen in der Zeit von 2016 bis Oktober 2018 in ca. 40 Prozent der Fälle (in 68 von 171 Erwerbsvorgängen) chinesische Übernahmeinteressenten beteiligt.

In der Praxis ist bei M&A-Transaktionen von Beteiligungen an deutschen Unternehmen durch Unionsfremde zu empfehlen, den Zeitrahmen unter Berücksichtigung eines etwaigen außenwirtschaftsrechtlichen Prüfverfahrens allgemein großzügiger zu stecken, insbesondere bei chinesischen Investoren. Um Verzögerungen im Ablauf zu vermeiden, ist eine frühzeitige Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung anzuraten.

Weitere Fragen rund um dieses Thema beantworten Oliver Köster und Chiara Stubenrauch gerne.

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