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Benachteiligung Schwerbehinderter bei internen Stellenausschreibungen

Zwei Bewerbungen, ein Vorstellungsgespräch?

Bundesarbeitsgericht vom 25. Juni 2020 – 8 AZR 75/19

Unterlässt es ein öffentlicher Arbeitgeber, einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, liegt damit ein Indiz für eine Benachteiligung auf Grund der Behinderung vor, das der Arbeitgeber kaum entkräften kann. Das BAG hat jetzt klargestellt, dass diese Einladungspflicht auch bei internen Stellenausschreibungen gilt. Allerdings kann es bei zwei identischen, intern ausgeschriebenen Stellen ausreichen, wenn der schwerbehinderte Bewerber nur zu einem Auswahlgespräch eingeladen wird.

Sachverhalt

Die Bundesagentur für Arbeit ließ durch ihre Regionaldirektion Berlin-Brandenburg intern zwei Stellen als Personalberater in Cottbus und Berlin-Mitte ausschreiben. Die Anforderungsprofile der beiden Stellen waren identisch. Ein schwerbehinderter, schon langjährig bei der Bundesagentur Beschäftigter bewarb sich auf beide Stellen. Er wurde zum ersten Auswahlgespräch in Berlin eingeladen, nicht aber zu dem späteren Gespräch in Cottbus. Beide Auswahlgespräche erfolgten als strukturelle Interviews und unter Zugrundelegung gleicher Auswahlkriterien. Die Auswahlkommission war jeweils nicht identisch besetzt; eine Vertreterin der Regionaldirektion nahm jedoch an beiden Orten jeweils an den Gesprächen teil. Der abgelehnte schwerbehinderte Bewerber verlangte eine Entschädigung wegen Diskriminierung auf Grund seiner Schwerbehinderung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil er nur zu einem der beiden Gespräche eingeladen worden war.

Die Entscheidung

Das BAG hat die Klage abgewiesen. Eine Benachteiligung im Sinne des AGG habe nicht stattgefunden, so dass auch keine Entschädigung geschuldet war. Die Bundesagentur als öffentliche Arbeitgeberin sei ihrer Verpflichtung zur Einladung eines schwerbehinderten, nicht offensichtlich fachlich ungeeigneten Bewerbers gemäß § 165 Satz 3 SGB IX bereits durch die Einladung für das erste Gespräch in Berlin ausreichend nachgekommen. Eine zweite Einladung sei entbehrlich gewesen, da beide Stellen ein identisches Anforderungsprofil hatten, das Auswahlverfahren nach identischen Kriterien ablief und die beiden Auswahlkommissionen durch Anwesenheit der Vertreterin der Regionaldirektion zumindest teilweise identisch besetzt waren.

Das LAG Berlin-Brandenburg war zuvor noch zum gegenteiligen Ergebnis gekommen und hatte dem Bewerber eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts zugesprochen. Es hatte als wesentlichen Grund angeführt, dass die Auswahlkommission im zweiten Auswahlgespräch in Cottbus nicht komplett identisch besetzt war und sich daher nicht alle entscheidungsberechtigten Personen ein unmittelbares Bild von dem Bewerber machen konnten. Zudem dürften nach dem LAG nur wenige Wochen zwischen den jeweiligen Auswahlentscheidungen liegen, damit die Einladung zu nur einem Gespräch ausreichend ist.

Konsequenzen für die Praxis

Indem das BAG nicht ganz so strenge Kriterien wie die Vorinstanz angelegt hat, wurde ausufernden AGG-Klagen bei internen Stellenbewerbungsverfahren zumindest teilweise ein Riegel vorgeschoben. Bei identischen internen Ausschreibungen an mehreren Dienststätten könnte das Urteil einen Anreiz setzen, die Auswahlverfahren dadurch zu beschleunigen, dass auf mehrfache Auswahlgespräche mit den gleichen schwerbehinderten Bewerbern verzichtet wird. Öffentliche Arbeitgeber sollten sich dabei allerdings bewusst sein, dass schon kleine Fehler im Umgang mit Bewerbungen von schwerbehinderten Personen zu umfangreichen Auseinandersetzungen führen können. Externe Ausschreibungen werden von dem Urteil nicht berührt. Dort besteht in jedem Fall die Verpflichtung zur Einladung schwerbehinderter Bewerber.

Praxistipp

Auch wenn ein öffentlicher Arbeitgeber einen bei sich beschäftigten schwerbehinderten Bewerber und dessen Qualifikationen möglicherweise schon gut kennt, hat das BAG klargestellt, dass eine Einladung zu Auswahlgesprächen auch bei internen Ausschreibungen zu erfolgen hat. Hieran sollten sich Arbeitgeber in jedem Fall halten, um Entschädigungsforderungen nach dem AGG vorzubeugen. Bei mehreren intern ausgeschriebenen Stellen sollte im Fall mehrerer Bewerbungen eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten grundsätzlich eine Einladung zu jedem Auswahlgespräch erfolgen, um aufwändige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Nur wenn der öffentliche Arbeitgeber sichergehen kann, dass die Stellenprofile identisch sind, die jeweiligen Auswahlverfahren nach nachweisbaren, übereinstimmenden Kriterien ablaufen und zumindest eine teilweise Übereinstimmung bei der Besetzung der Auswahlkommission besteht, kann eine Entschädigungsforderung erfolgreich abgewehrt werden. Aber auch das verursacht Zeitaufwand und Kosten.

Julia Wendel

TAGS

Arbeitsrecht Behinderung BAG AGG