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Arbeitsrecht: Wichtig für Start-ups: Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter?

Start-ups stehen oft vor einem Dilemma: Einerseits gibt es Arbeit, die rasch erledigt werden muss; andererseits möchten sich Start-ups – zumindest zu Beginn – nicht an Arbeitnehmer binden, für die Sozialversicherungsabgaben abgeführt werden müssen und die ggf. Ansprüche wie Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall, Urlaub oder ggf. Kündigungsschutz geltend machen. Daher ist die Verlockung groß, die anstehende Arbeit, nicht mit Arbeitnehmern, sondern mit freien Mitarbeitern zu bewältigen. Bei dieser vermeintlich einfachen Frage drohen für Start-ups jedoch erhebliche Risiken, sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die freien Mitarbeiter tatsächlich als Arbeitnehmer beschäftigt wurden.

Die Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern gehört zu den „Klassikern" der arbeitsrechtlichen Beratung und ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Die von der Rechtsprechung vorgegebenen Kriterien sind bekannt, die Abgrenzung fällt im Einzelfall dennoch immer wieder schwer. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat seine Rechtsprechung zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern auch im letzten Jahr mit Urteil vom 21. November 2017 (9 AzR 117/17) fortgeführt.

Definition von Arbeitnehmer und freier Mitarbeiter

Für eine ordnungsgemäße Abgrenzung ist die Kenntnis der Begriffsdefinitionen unumgänglich. Freier Mitarbeiter ist in Anlehnung an § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, wer seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen kann. Arbeitnehmer ist hingegen, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Der Arbeitnehmer wird damit nach Weisung tätig und ist in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert (vgl. Begriff des Arbeitsvertrages in § 611a Abs. 1 BGB). Der Arbeitnehmer trägt zudem kein Unternehmerrisiko im Gegensatz zum freien Mitarbeiter.

Warum ist die Abgrenzung überhaupt erforderlich?

Die Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern ist aus verschiedenen Gründen zwingend erforderlich. Hierbei spielen insbesondere arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche, steuerrechtliche und auch strafrechtliche Aspekte eine Rolle. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist beachtlich, dass eine Vielzahl gesetzlich geregelter Arbeitnehmerschutzrechte nur für Arbeitnehmer gilt. Hierzu gehören bspw. das Kündigungsschutzgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz oder das Bundesurlaubsgesetz. Dies bedeutet, dass nur Arbeitnehmer den hohen Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall oder bei Feiertagen erhalten und einen Anspruch auf bezahlten Urlaub haben. Unabhängig von den arbeitsrechtlichen Aspekten liegen die höheren Risiken für Start-ups jedoch bei den sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen und ggf. strafrechtlichen Folgen einer sich im Nachhinein herausstellenden Scheinselbständigkeit. Hintergrund ist, dass Start-ups für die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge haften. Diese Haftung gilt rückwirkend für vier, bei Vorsatz für dreißig Jahre. Werden keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, besteht auch das Risiko, dass dies strafrechtliche Konsequenzen hat. Handelt es sich tatsächlich um einen freien Mitarbeiter, hat dieser die „Sozialabgaben" und die Steuern selbst zu verantworten.

Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern

In ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind das Arbeitsverhältnis und das Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit und die Eingliederung abzugrenzen. Für die Abgrenzung werden u. a. folgende „Indizien" herangezogen:

  • Weisungsrecht;
  • Eingliederung in Arbeitsorganisation;
  • Tragen eines unternehmerischen Risikos;
  • freie Zeiteinteilung;
  • Einbindung in Dienstpläne;
  • Entgeltfortzahlungen;
  • Anzahl der Auftraggeber;
  • Gewährung von Urlaub;
  • Nutzung von dienstlicher E-Mail-Adresse, Telefonanschluss, Büro;
  • gleiche Tätigkeit früher im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.

Bestätigung erneut durch BAG vom 21.11.2017 (9 AzR 117/17)

Das BAG bestätigte kürzlich, dass für die Feststellung des Arbeitnehmerstatus der Grad der persönlichen Abhängigkeit (in diesem Fall eines Musikschullehrers von einer Musikschule) ausschlaggebend ist. Das BAG wies aber auch erneut darauf hin, dass letztendlich eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einfalls vorzunehmen ist.

Rechtsfolgen

Wurde ein Arbeitnehmer nicht als Arbeitnehmer behandelt, sondern als freier Mitarbeiter bezeichnet und vergütet, obwohl er persönlich abhängig war und in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert war, ist das Freie-Mitarbeiter-Verhältnis rückabzuwickeln.

Dies hat die angesprochenen arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen und ggf. strafrechtlichen Folgen:

  • Arbeitsrechtlich bestand zu keinem Zeitpunkt ein freier Mitarbeitervertrag und es gilt von Anfang an ein Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer hat rückwirkend Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub, ggf. auch Kündigungsschutz etc.
  • Sozialversicherungsrechtlich haftet der Arbeitgeber rückwirkend für die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile der Sozialabgaben (Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung). Der Arbeitgeber ist nur berechtigt, die letzten drei Kalendermonate im Lohnabzugsverfahren zu berücksichtigen.
  • Steuerrechtlich haftet der Arbeitgeber neben dem Arbeitnehmer rückwirkend für die abzuführende Lohnsteuer.
  • Soweit der Arbeitgeber die Beschäftigung bewusst als freie Mitarbeit bezeichnet und behandelt hat, um Sozialabgaben zu sparen, kann eine Strafbarkeit des Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a StGB vorliegen.

Dr. Michaela Felisiak
(Rechtsanwältin)

Dr. Erik Schmid
(Rechtsanwalt)

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