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Anforderungen an den Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen vorangegangener Schlechtleistung

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 – Verg 7 / 18)

Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB kann ein öffentlicher Auftraggeber ein Unternehmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu jedem Zeitpunkt von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. In der vergaberechtlichen Literatur wird der mit der Vergaberechtsnovelle 2016 eingeführte Tatbestand – zu Recht – als zu unbestimmt kritisiert. Die aktuelle Entscheidung des Vergabesenats des OLG Düsseldorf hilft nunmehr dabei, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Ausschluss eines Bieters aufgrund vorangegangener Schlechtleistung zu präzisieren.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin schrieb Sanierungsarbeiten an einem Erweiterungsbau eines Regierungsgebäudes in Berlin europaweit im offenen Verfahren aus. Die Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens gab das wirtschaftlich günstigste Angebot ab, wurde jedoch von der Antragsgegnerin vom Verfahren aufgrund vorangegangener Schlechtleistungen bei der Errichtung des Rohbaus gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausgeschlossen, worauf die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren aufhob. In dem von der Antragstellerin zuvor errichteten Rohbau traten Risse auf, die zu Wassereintritten führten. Die Antragsgegnerin zeigte die Mängel an und kündigte – nachdem die Mängelbeseitigungsarbeiten nicht den gewünschten Erfolg erzielten – den Vertrag mit der Antragstellerin aus wichtigem Grund. Die Arbeiten an dem Rohbau sind Gegenstand eines im Jahr 2015 eingeleiteten, aber noch nicht abgeschlossenen, selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht. Im Zuge des selbstständigen Beweisverfahrens liegen dem Landgericht zehn gutachterliche Stellungnahmen vor, die zu unterschiedlichen und sich widersprechenden Aussagen gelangen, ob die Antragstellerin für die Mängel an dem Rohbau verantwortlich ist.

Die Antragstellerin rügte den Ausschluss ihres Angebots sowie die Aufhebung des Vergabeverfahrens und stellte einen Nachprüfungsantrag, nachdem die Antragsgegnerin der Rüge nicht abhalf. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet ab, da es den Ausschluss vom Vergabeverfahren von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gedeckt sah. Hiergegen legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein.

Entscheidung

Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf gab der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin statt, hob die Aufhebung auf und versetzte das Vergabeverfahren in den Stand vor Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurück. Nach Auffassung des Senats hat die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen, dass die Antragstellerin eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung des Rohbauvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt
hat.

Der Begriff der mangelhaften Erfüllung sei im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht streng zivilrechtlich, sondern umfassend im Sinne einer nicht vertragsgerechten Erfüllung zu interpretieren. Erfasst seien sowohl vertragliche Haupt- als auch Nebenpflichten. Die mangelhafte Erfüllung eines früheren Auftrags müsse überdies von beträchtlichem Gewicht sein, da eine erhebliche oder fortdauernde Vertragspflichtverletzung gefordert sei. Die Erheblichkeit beziehe sich auf den Umfang, die Intensität und den Grad der Vorwerfbarkeit der früheren Vertragsverletzung.

Die Risse im Rohbau, die zum Wassereintritt führten, stellen einen Mangel von beträchtlichem Gewicht dar. Allerdings ist nach Auffassung des Senats nicht der Nachweis erbracht, dass die Antragstellerin für den Mangel verantwortlich ist. Der Senat zieht hierzu die unterschiedlichen gutachterlichen Stellungnahmen aus dem selbstständigen Beweisverfahren heran, die keinen eindeutigen Befund ergaben. Eine eigene Beweisaufnahme hat der Senat nicht durchgeführt. Dies entspricht der Auffassung des OLG Celle (Beschluss vom 09.01.2017 – 13 Verg 9/16), wonach jedenfalls eine umfassende „Inzidentprüfung“ mit einer Beweisaufnahme über die zivilrechtliche Verursacherfrage nicht mit dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz vereinbar ist. Als Beweismaßstab tendiert der Senat allerdings – im Unterschied zum OLG Celle, welches nachvollziehbare Indiztatsachen durch den Auftraggeber genügen lässt – zu einem Vollbeweis gemäß § 287 ZPO, der „vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet“, wobei er die Frage im Ergebnis – mangels Entscheidungserheblichkeit – offen lässt.

Fazit

Die Entscheidung trägt dazu bei, die Konturen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB klarer zu fassen. Allerdings ist das Ergebnis für den Auftraggeber unbefriedigend, da es die Handlungsoptionen für einen Ausschluss des mutmaßlich schlecht leistenden Bieters erheblich einschränkt. Der Vergabesenat hat zeitlich maßgeblich darauf abgestellt, welche Informationen dem öffentlichen Auftraggeber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Ausschluss vorgelegen haben. Diese waren widersprüchlich und genügten weder einer Glaubhaftmachung (OLG Celle), geschweige denn einem Vollbeweis (Tendenz des OLG Düsseldorf). Solange das parallele selbstständige Beweisverfahren nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, dürfte sich die Beweislage für den Auftraggeber nicht verbessern und ein Ausschluss vom Vergabeverfahren auf der Grundlage des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht in Betracht kommen.

Praxistipp

Öffentliche Auftraggeber müssen mit einem Ausschluss eines Bieters aufgrund vorangegangener Schlechtleistung vorsichtig sein. Ein Ausschluss ist dann rechtssicher möglich, wenn der Bieter bzw. frühere Auftragnehmer die Sanktion des Auftraggebers (Kündigung, Schadensersatz oder eine vergleichbare Sanktion) akzeptiert hat. Sollte die Verantwortung des Auftragnehmers für die Mängel jedoch streitig sein, muss der Auftraggeber dies nachweisen. Es bleibt spannend, ob das OLG Düsseldorf weiterhin auf die Perspektive des öffentlichen Auftraggebers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Ausschluss abstellt und (nur) die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen über die Mängelverursachung heranzieht. Somit wäre zumindest eine „Überfrachtung“ des Nachprüfungsverfahrens mit Beweisfragen ausgeschlossen.

Fragen zu diesem Thema beantwortet Sascha Opheys gerne.

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