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Geplante Verschärfung des Befristungsrechts in der Corona-Pandemie: ein „Schuss ins Knie"?

Kurz vor Toresschluss dieser Legislaturperiode will die Bundesregierung nun die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag 2018 umsetzen und das Befristungsrecht verschärfen. Das unbefristete Arbeitsverhältnis soll wieder zur Regel werden. Deshalb sieht der Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 14. April 2021 u.a. starke Einschränkung von sachgrundlosen Befristungen und eine Obergrenze für Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten vor. Neben der zusätzlichen Bürokratie bedeuten die geplanten Gesetzesänderungen für Arbeitgeber weniger Flexibilität, die sie in der aktuellen Wirtschaftskrise mehr denn je bräuchten. Der Entwurf befindet sich aktuell in der Ressortabstimmung.

Was soll sich konkret ändern?

Das BMAS setzt die Vorgaben des Koalitionsvertrags „überschießend" um: Zusätzlich zu den dort vorgesehenen Änderungen sollen ein sog. Zitiergebot und eine Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber Arbeitnehmervertretungen eingeführt werden. Das neue Gesetz könnte schon am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Konkret sind im Entwurf folgende Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sowie des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) vorgesehen:

  • Sachgrundlose Befristungen sollen künftig bis zu einer Gesamtdauer von 18 Monaten (bisher: 24 Monate) zulässig sein, wobei während dieses Zeitraums lediglich eine Verlängerung (bisher: drei) möglich sein wird.
  • War ein Arbeitnehmer1 demselben Arbeitgeber zunächst als Leiharbeitnehmer überlassen, soll eine anschließende sachgrundlose Befristung seines Arbeitsvertrages nur bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren zulässig sein (das Verbot einer „Zuvorbeschäftigung" steht der anschließenden sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags mit dem Leiharbeitnehmer nicht entgegen, da es bei einer vorherigen Beschäftigung als Leiharbeitnehmer nicht eingreift). Dies gilt nicht, wenn zwischen der letzten Überlassung als Leiharbeitnehmer und dem geplanten Einstellungsbeginn mehr als drei Jahre liegen.
  • Die Abweichungsbefugnis der Tarifvertragsparteien soll künftig zwar gesetzlich eingeschränkt werden, bleibt aber weiterhin bestehen. Es soll zulässig sein, durch Tarifvertrag die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristungen bis zu 54 Monaten zu verlängern und die Anzahl der Verlängerungen auf drei zu erweitern.
  • Unternehmen, die in der Regel mehr als 75 Beschäftigte haben, sollen nur noch mit maximal 2,5 % der Beschäftigten sachgrundlose Befristungen vereinbaren dürfen. Hinsichtlich der Berechnung gilt im Wesentlichen:

    - Ermittlung des Schwellenwertes von 75 Arbeitnehmern: Es zählen alle Arbeitnehmer des Arbeitgebers (nicht des Betriebs), einschließlich Leiharbeitnehmer (falls diese in der Regel beschäftigt sind) und ausschließlich Auszubildenden. Grundlage der Ermittlung ist eine Pro-Kopf-Betrachtung (keine FTE-Betrachtung);

    - Ermittlung der 2,5%-Quote: Sie gilt sowohl für die sachgrundlosen Befristungen der neu eingestellten Arbeitnehmer als auch für die Verlängerung der bereits bestehenden Verträge. Abzustellen ist auf den Arbeitgeber, nicht auf den Betrieb. Zum Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme (bzw. am ersten Tag des Verlängerungszeitraums) soll der Anteil der sachgrundlos befristeten Verträge unter 2,5% liegen. Für die Berechnung dieses Anteils ist der erste Kalendertag des vorangegangenen Quartals entscheidend. Der an diesem Tag errechnete Anteil der sachgrundlos befristeten Verträge unterliegt dann bis zum geplanten Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme keinen Veränderungen mehr. Es zählen nur die Mitarbeiter, deren Verträge ab dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen bzw. verlängert werden und die vertraglich durch Arbeitgeber als sachgrundlos befristet beschäftigt bezeichnet werden (s. zum Zitiergebot sogleich), unabhängig davon, ob Befristungen wirksam sind;

    - bei Überschreitung der 2,5%-Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und die Beweislast, dass er die 2,5%-Quote eingehalten hat;

    - die Überwachung, ob der Arbeitgeber die 2,5%-Quote einhält, soll künftig auch dem Betriebsrat möglich sein. Arbeitgeber werden gesetzlich verpflichtet, Arbeitnehmervertretungen am ersten Kalendertag jedes Quartals über den Anteil der sachgrundlos befristeten Verträge zu informieren.


  • Künftig sollen Arbeitgeber in der schriftlichen Befristungsabrede auch angeben müssen, ob es sich um eine sachgrundlose Befristung handelt, und falls ja, auf welcher gesetzlichen Norm sie beruht (sog. Zitiergebot). Fehlen solche Angaben, soll die Befristung nicht auf eine dieser gesetzlichen Rechtsgrundlagen gestützt werden dürfen. Enthält die Abrede solche Angaben, können Arbeitgeber die Befristung nicht mehr auf einen Sachgrund stützen.
  • Alle Befristungen sollen nicht mehr zulässig sein, wenn die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse – mit und ohne Sachgrund – bei demselben Arbeitgeber eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreitet. Zusammengerechnet werden verschiedene befristete Verhältnisse, auch die Überlassung als Leiharbeitnehmer, wenn keine drei Jahre dazwischen liegen. Mitzuzählen sind auch Befristungen auf Grundlage der anderen gesetzlichen Regelungen, die das TzBfG nur konkretisieren, z. B. § 21 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, § 6 Pflegezeitgesetz etc. Eine Ausnahme von dieser Höchstgrenze soll für die Befristungen wegen Eigenart der Arbeitsleistung (z. B. Profifußballer, Künstler etc.), für Befristungen aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs sowie für Vereinbarungen gelten, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze endet, sowie für sog. In-Sich-Beurlaubungen von Beamten gelten.
  • Im neuen Abs. 10 des § 111 SGB III soll geregelt werden, dass die Befristung des Arbeitsvertrags mit einer vom dauerhaften Ausfall betroffenen Person, die in eine betriebsorganisatorische eigenständige Einheit (Transfergesellschaft) wechselt, ein sachlicher Grund für die Befristung darstellt.
  • Es ist davon auszugehen, dass auch Befristungen beim Wechsel in die Transfergesellschaft für die oben erwähnte Gesamtdauer von fünf Jahren mitzählen werden.

Was geschieht mit den bisherigen Vereinbarungen?

Der Entwurf sieht auch folgende Übergangsregelungen für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens geltenden Vereinbarungen vor:

  • Sachgrundlos befristete Verträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes (also nach derzeitigem Stand bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021) vereinbart wurden, sollen dann nur einmalig bis zu einer Gesamtdauer von 18 Monaten verlängerbar sein. Bis zum Inkrafttreten des geplanten Gesetzes besteht für Unternehmen daher immer noch die Möglichkeit, Arbeitsverträge nach den jetzt geltenden Regeln zu befristen bzw. zu verlängern (bis zu einer Gesamtdauer von 24 Monaten). Eine Kürzung der bereits bestehenden Befristungen auf 18 Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ist nicht vorgesehen.
  • Sachgrundlose Befristungen, die vor Inkrafttreten des geplanten Gesetzes abgeschlossen oder verlängert wurden, bleiben bestehen und zählen bei der Berechnung der 2,5%-Quote nicht.
  • Tarifverträge, die abweichende Regelungen enthalten und die im Entwurf vorgesehene Höchstgrenzen (Befristungshöchstdauer von 54 Monaten und maximal dreimalige Verlängerung) überschreiten, bleiben noch ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gültig.

Fazit

Der Gesetzesentwurf hat bereits sowohl Lob als auch Kritik erfahren. Man fragt sich jedoch, ob die Verschärfungen gerade jetzt, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise nicht ganz abschätzbar sind, so nötig waren. Statt einer Eingrenzung der Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge abzuschließen, wünschen sich viele Arbeitgeber gerade in diesen Zeiten mehr Flexibilisierung. Ebenfalls wünschenswert wäre aus Arbeitgebersicht die Einführung einer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht für Beschäftigtendaten. Denn vor jeder sachgrundlosen Befristung muss geprüft werden, ob der konkrete Arbeitnehmer „zuvor" – was die Rechtsprechung als „in den letzten 20 Jahren" auslegt – bei diesem Arbeitgeber beschäftigt war. Ein Verstoß gegen das Verbot der „Zuvorbeschäftigung" führt zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dürfen Arbeitgeber allerdings personenbezogene Daten nicht allzu lange aufbewahren. Dem stehen datenschutzrechtliche Bestimmungen (u.a. auch das Löschungsrecht nach Art. 17 Datenschutz-Grundverordnung) entgegen. Nationale Gesetzgeber könnten aber durch Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Aufbewahrung bestimmter Beschäftigtendaten insbesondere die Löschungsansprüche der Arbeitnehmer wirksam begrenzen. Insgesamt bleibt auch wegen der politischen Situation (Wahlkampf) abzuwarten, ob das Gesetz wie geplant verabschiedet wird.

Dr. Olga Morasch

[1] Alle Personen- und Funktionsbezeichnungen sind hier zur besseren Lesbarkeit sprachlich in der männlichen Form geschrieben, sie schließen die weiblichen sowie diversen Personen mit ein.

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Arbeitsrecht Befristungsrecht BMAS Gesetzesentwurf