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Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters – gleitender Übergang oder Befristungsfalle für Arbeitgeber?

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27. April 2016 – 3 Ca 22/16, zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29. November 2016 – 10 Sa 218/16

Sachverhalt

Im ursprünglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hochschullehrers war vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum Ende des Semesters enden sollte, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet, konkret zum 30. September 2014. Am 24. März 2014 wurde schriftlich vereinbart, dass der Arbeitnehmer vom 1. Oktober 2014 bis 31. September 2015 weiterhin für den Arbeitgeber, nun aber mit reduzierter Arbeitszeit tätig sein sollte. Am 9. Juni 2015 wurde wieder schriftlich vereinbart, dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1. Oktober 2015 bis 29. Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschäftigt werden sollte. Eine Verlängerung darüber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab.

Die Entscheidung

Das ArbG entschied, dass die Befristung zum 29. Februar 2016 wirksam war und das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendete. Es liege ein wirksames „Hinausschieben” des Beendigungszeitpunkts nach § 41 S. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor. Nach dieser Vorschrift können die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausschieben, wenn der ursprüngliche Vertrag für die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses getroffen werde. Nach Auffassung des Gerichts war im ursprünglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelaltersgrenze hergestellt. Es sei unschädlich, dass das Ende des Arbeitsverhältnisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle, da es jedenfalls bei Hochschullehrern üblich sei, das Arbeitsverhältnis nicht während des laufenden Semesters zu beenden, sondern erst mit dessen Abschluss. Problematisch war aber, dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde. Das ArbG entschied, dass das „Hinausschieben” eine gleichzeitige Änderung der Vertragsbedingungen zulässt, anders als bei sonstigen „normalen” Befristungen ohne Sachgrund. § 41 S. 3 SGB VI solle es Arbeitgeber und Arbeitnehmer ermöglichen, das Beschäftigungsverhältnis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und für einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen. Daher sei es sachgerecht, eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen, da nur so die Möglichkeit für einen flexiblen Übergang von der Erwerbstätigkeit zum Renteneintritt bestehe.

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts, wie von § 41 S. 3 SGB VI vorgesehen, sei auch mit Europarecht vereinbar. Diesbezüglich entschied das LAG Niedersachen etwas zurückhaltender, dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermöglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschäftigung von Rentnern. Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt, bleibt aber abzuwarten, da die Rechtsfrage, ob im Rahmen von § 41 S. 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geändert werden dürfen, in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt. Für bereits abgeschlossene Verträge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden. Das vergleichbare, bereits erwähnte Verfahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 70/17 anhängig.

Praxistipp

Arbeitgeber sind gut beraten, die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten. Wer kein Risiko eingehen will, sollte sich bis zu einer höchstrichterlichen Klärung auf ein einmaliges Hinausschieben des Beendigungsdatums beschränken. Zudem sollten Unternehmen Änderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleichzeitig vornehmen, sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren, soweit sie für erforderlich gehalten werden.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, kontakieren Sie bitte Herrn Dr. Roland Klein.

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