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Versetzung ohne vorheriges betriebliches Eingliederungsmanagement bleibt zulässig

Bundesarbeitsgericht vom 18. Oktober 2017 – 10 AZR 47/17

Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung oder einer anderen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.

Sachverhalt

Ein als Maschinenbediener tätiger Arbeitnehmer wurde seit 2005 fast ausschließlich in der Nachtschicht eingesetzt. In den Jahren 2013 bis 2015 betrugen die krankheitsbedingten Fehlzeiten jeweils mindestens 35 Tage, zuletzt aufgrund einer suchttherapeutischen Maßnahme. Im Anschluss an ein „Krankenrückkehrgespräch” (kein betriebliches Eingliederungsmanagement, kurz „BEM”) beschloss der Arbeitgeber u. a. zur Verringerung von Fehlzeiten die Versetzung in die Wechselschicht. Der Arbeitnehmer hielt die Versetzung aufgrund der fehlenden Durchführung eines BEM für unwirksam und klagte auf weiteren Einsatz in der Nachtschicht.

Die Entscheidung

Die Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen BEM ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung, auch dann nicht, wenn sie wie im entschiedenen Fall ausschließlich auf gesundheitliche Gründe gestützt wird. Entscheidend ist, dass die Maßnahme billigem Ermessen entspricht, d. h. die Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber angemessen abwägt und berücksichtigt. Ob die Versetzung hier billig und damit wirksam war, hat das BAG nicht entschieden, sondern die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Konsequenzen für die Praxis

Die Pflicht zur Durchführung eines BEM besteht ab Vorliegen der entsprechenden krankheitsbedingten Fehlzeiten (mehr als 6 Wochen/Jahr). Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber eine Kündigung oder den Ausspruch von Weisungen beabsichtigt. Kündigungsrechtliche Maßstäbe sind auf Weisungen laut BAG nicht zu übertragen. Während der Arbeitgeber bei fehlendem BEM im Falle einer Kündigung beweisen muss, dass ein BEM objektiv nutzlos gewesen wäre, muss bei Ausübung des Direktionsrechts lediglich dargelegt werden, dass die Versetzung im Ergebnis trotzdem billigem Ermessen entspricht. Aus dem Fehlen eines BEM kann für die Frage der Wirksamkeit einer Weisung nichts hergeleitet werden.

Praxistipp

Das BAG hat in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass das Unterlassen eines BEM vor einer Versetzung dennoch zu rechtlichen Nachteilen für den Arbeitgeber führen kann. Der Arbeitgeber muss in einem eventuellen Prozess darlegen können, dass seine Weisung billigem Ermessen entspricht. Schon deshalb muss er im Vorfeld die beiderseitigen Interessen abwägen. Dazu müssen ihm die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers natürlich bekannt sein, in der Regel aus einer vorherigen Anhörung. Existiert dafür ein vorgegebenes Verfahren, wie z. B. nach Maßgabe eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung, so ist dieses einzuhalten. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer personellen Maßnahme aufgrund eines fehlenden BEMs müsste jedoch aus der entsprechenden Vereinbarung explizit hervorgehen, wie aus einem Parallelurteil des BAG abgeleitet werden kann (vom 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16). Das Gesetz sieht keine Unwirksamkeit der Versetzung vor. Ein fehlendes BEM führt also nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Versetzung. Führt das Ausbleiben des BEM aber dazu, dass der Arbeitgeber wesentliche Belange des Arbeitnehmers z. B. aus Unkenntnis nicht berücksichtigt hat und überwiegen nicht weiterhin die betrieblichen Interessen, so wird sich die Weisung laut BAG sogar „regelmäßig als unwirksam erweisen”. Die Durchführung eines BEM bleibt also im Vorfeld personeller Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Gesundheit eines Arbeitnehmers stehen, überlegenswert.

Für Fragen zu diesem Thema steht Ihnen Dr. Roland Klein gerne zur Verfügung.

TAGS

Aktuelles Arbeitsrecht betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) Versetzung Billiges Ermessen