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Vergaberechtsreform 2016 – Änderungen bei den Verfahrensarten

Um der technischen und wirtschaftlichen Vielfalt unterschiedlicher Beschaffungsvorhaben Rechnung zu tragen, hält das Vergaberecht verschiedene Verfahrensarten bereit. Je nachdem, ob standardisierte Produkte auf einem etablierten Markt eingekauft werden sollen oder hochkomplexe und innovative Einzellösungen gefragt sind, standen den öffentlichen Auftraggebern schon nach bisheriger Rechtslage bei EU-weiten Vergabeverfahren das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren (mit und ohne Teilnahmewettbewerb) und der wettbewerbliche Dialog zur Verfügung.

Nunmehr wird dieser Kreis um das Verfahren der Innovationspartnerschaft erweitert. Daneben haben sich aber auch die Voraussetzungen teilweise verändert, unter denen die jeweiligen Verfahren angewendet werden können. Die wesentlichen Neuerungen stellen wir im Folgenden vor:

I. Gleichrang von offenem und nicht offenem Verfahren

Nach der bisherigen Rechtslage haben öffentliche Auftraggeber grundsätzlich das offene Verfahren anzuwenden, soweit nicht im Einzelfall eine gesetzliche Grundlage für die Wahl einer anderen Verfahrensart vorliegt (§ 107 Abs. 7 GWB). Zukünftig stehen öffentlichen Auftraggebern das offene und das nicht offene Verfahren „nach ihrer Wahl zur Verfügung“. Damit wird eine Gleichrangigkeit dieser beiden Verfahrensarten umgesetzt. Der Vorrang des offenen Verfahrens, der eine deutsche Besonderheit darstellte, wird aufgegeben.

In der Praxis ist damit zu erwarten, dass die Zahl der nicht offenen Verfahren zunehmen wird. Da diese stets die Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs mit europaweiter Bekanntmachung voraussetzen, werden der Wettbewerb und die Publizität hierdurch nicht eingeschränkt. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen dürfte jedoch eine Erleichterung eintreten, da die oftmals aufwändige Angebotserstellung nur dann notwendig wird, wenn die Eignungsprüfung bereits erfolgreich absolviert ist und echte Chancen auf einen Zuschlag bestehen.

II. Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und wettbewerblicher Dialog

Ebenfalls gleichgestellt sind nunmehr die Verfahrensarten des Verhandlungsverfahrens mit dem Teilnahmewettbewerb und dem wettbewerblichen Dialog. Die öffentlichen Auftraggeber können zwischen diesen beiden Verfahrensarten wählen, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 VgV vorliegen. Inhaltlich ähneln die Voraussetzungen denjenigen, die bereits nach der alten Rechtslage für Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und dem wettbewerblichen Dialog galten. Für den wettbewerblichen Dialog ist indes nicht mehr erforderlich, dass die öffentlichen Auftraggeber „objektiv nicht in der Lage sind“, die technischen Mittel oder die rechtlichen und finanziellen Bedingungen ihres Vorhabens anzugeben. Damit steht zu erwarten, dass das in Deutschland bislang nur selten gewählte Verfahren des wettbewerblichen Dialogs häufiger zur Anwendung kommen wird. Im Gegensatz zu dem Verhandlungsverfahren, in dem die Bieter auf der Grundlage einer Leistungsbeschreibung ein indikatives Angebot abgeben, über das verhandelt werden kann, kann die Kreativität und das Know-how der Bieter im wettbewerblichen Dialog bereits in der Dialogphase bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung eingebracht werden. Über die daraufhin erarbeiteten Angebote kann allerdings später – wie im offenen oder nicht offenen Verfahren – nicht mehr verhandelt werden.

III. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb

Präzisiert wurden die bislang häufig für Unsicherheit sorgenden Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb. Da dieses Verfahren den geringsten Grad an Publizität und Wettbewerb bietet, ist bei der Begründung dieser Verfahrenswahl stets besondere Vorsicht geboten. Eine präzisere Fassung der Voraussetzungen erhöht hierbei die Rechtssicherheit und ist deshalb zu begrüßen.

IV. Innovationspartnerschaft

Neu ist das Verfahren der Innovationspartnerschaft. Dieses ermöglicht gemäß § 119 Abs. 7 GWB die Entwicklung innovativer Produkte oder (Bau-)Leistungen, die noch nicht auf dem Markt verfügbar sind und deren anschließenden Erwerb ohne erneute Ausschreibung. Zwar können auch im Verhandlungsverfahren und dem wettbewerblichen Dialog „konzeptionelle oder innovative Lösungen“ berücksichtigt werden (§ 14 Abs. 3 Nr. 2 VgV). Voraussetzung ist allerdings stets, dass diese bereits auf dem Markt verfügbar sind, auch wenn unter Umständen Anpassungen erforderlich sind.

Bei echten Neuentwicklungen von Produkten, für welche die öffentliche Hand vielleicht sogar der einzige Nachfrager ist, war hingegen in der Vergangenheit häufig ein gesonderter Auftrag über die Entwicklung von Prototypen (vorkommerzielle Auftragsvergabe) erforderlich. Dieser Auftragnehmer stand in der Folge nicht selten auf dem nachfolgenden Markt für die Belieferung der öffentlichen Hand mit den fertig entwickelten Produkten als einziger Anbieter zur Verfügung. Mit der Zusammenfassung von Entwicklung innovativer Lösungen und späterer Beschaffung der Produkte in eine langfristige Partnerschaft soll dieser Marktverengung entgegen gewirkt werden. Welche praktische Bedeutung diese Verfahrensart, die überwiegend für technisch besonders anspruchsvolle Projekte in Frage kommen wird, erlangen wird, bleibt vorerst abzuwarten.

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