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Urteil des BGHs vom 20.11.2014 zur Haftung von Stiftungsorganen

Mit Urteil vom 20. November 2014 (Az. III ZR 509/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Wege der Revision über das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg vom 8. November 2013 (Az. 6 U 50/13) entschieden.

Sachverhalt

Die klagende Stiftung, eine kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts, verfügte im Februar 2001 über ein Stiftungsvermögen von mehr als EUR 8,84 Millionen. Ende September 2008, bei Abberufung des Vorstandes, belief sich das Vermögen nur noch auf EUR 2,55 Millionen. Nach einem Kuratoriumsbeschluss durfte das Stiftungskapital bis zu einem Anteil von 1/3 in nicht mündelsicheren Papieren angelegt werden. Der Stiftungsvorstand übertrug die Vermögensverwaltung auf Banken und erlaubte ihnen, 80 Prozent des Depotvolumens in Aktien zu investieren. Die Stiftung verklagte den ehemaligen Vorstand auf Schadensersatz mit der Begründung, dieser habe aufgrund pflichtwidriger Vermögensverwaltung, zu hoher laufender Ausgaben im Rahmen des Stiftungsbetriebes und pflichtwidriger Ankäufe einen erheblichen Verlust des Stiftungsvermögens zu verantworten.

Von der Stiftung nicht verklagt wurde das Kuratorium, welches laut der Satzung oberstes Organ der Stiftung war und die Geschäftsführung des Vorstandes überwacht und diesem gegebenenfalls Weisungen erteilt.



Entscheidung des OLG Oldenburg

Das OLG Oldenburg hat den Stiftungsvorstand zu insgesamt mehr als EUR 1.128.000 Schadensersatz verurteilt.

Davon entfielen EUR 113.000 auf eine unzulässige Anlage des Stiftungsvermögens in Form von Aktienkäufen und Anlagegeschäften. Nach Ansicht des OLG hat der beklagte Vorstand mit der von ihm getroffenen Anlageentscheidung sowohl die gesetzliche Verpflichtung, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten, als auch die sich aus der Satzung ergebende Vermögensverwaltungspflicht, welche ihm hinsichtlich der Vermögensinteressen der Stiftung eine treuhänderische Funktion verleihe, verletzt. Wegen des Grundsatzes der Vermögenserhaltung habe es dem Vorstand grundsätzlich oblegen, das Kapital der Stiftung mündelsicher anzulegen. Sodann hat das OLG geprüft, ob eine einschränkende Auslegung der Vermögenserhaltungspflicht vorzunehmen ist, da der Beklagte das Ziel verfolgt habe, mit der riskanteren Vermögensanlage den Bibliotheks- und Forschungsbetrieb fortzuführen, was ohne beträchtliche Erträge nicht möglich gewesen sei.

Aufgrund der Vermögenserhaltungspflicht könnten Stiftungen in ihrer wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit mangels ausreichender finanzieller Mittel eingeschränkt sein. Hierauf kam es jedoch für die Entscheidung des Gerichts nicht an, denn es stellte sodann fest, dass der Beklagte die Anlagegeschäfte jedenfalls nicht „in der konkreten Form“ hätte abschließen dürfen. Den Vorstand treffe bei der Anlage des Vermögens eine hohe Sorgfaltspflicht. Als Pfarrer und Theologe hätte er sich notfalls des Rates eines Fachmannes bedienen müssen. Er hätte sich nicht allein von dem Bestreben möglichst hoher Zinsen leiten lassen dürfen, sondern müsse auch das beträchtliche Risiko eines erheblichen Verlustes berücksichtigen. Nach Ansicht des OLG konnte sich der Beklagte auch nicht dadurch entlasten, dass er die Vermögensverwaltung einer Bank übertragen habe. Zudem hätte der Vorstand vorab das Kuratorium informieren und dessen Zustimmung abwarten müssen.

Das OLG hat, anders als nun der BGH, ein hälftiges Mitverschulden des Kuratoriums angenommen. Dieses begründete es damit, dass das Kuratorium von den Vermögensanlagen gewusst habe und gegen diese nicht eingeschritten sei, obwohl es laut der Satzung für die Überwachung des Vorstandes zuständig gewesen sei. Daraus folgte, dass das OLG den Vorstand nur zum Ersatz des hälftigen Schadens verurteilte.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat den ehemaligen Vorstand der Stiftung über die im Berufungsurteil des OLG Oldenburg erfolgte Verurteilung hinaus zur Zahlung von weiteren EUR 303.600 verurteilt.

Diese zusätzliche Verurteilung resultierte daraus, dass der BGH – anders als das OLG Oldenburg – § 254 BGB nicht für anwendbar hielt und es dem beklagten Vorstand daher verwehrt hat, sich auf den Einwand des Mitverschuldens des Kuratoriums zu berufen.

Der BGH hat klargestellt, dass die Stiftung als juristische Person an der Schadensentstehung selbst nicht mitgewirkt habe. Ein Mitverschulden könne mithin allenfalls aus dem Handeln des Kuratoriums herrühren, wenn die Stiftung sich dieses anspruchsmindernd anrechnen lassen müsste. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Zur Begründung hat der BGH einen Vergleich mit der Organhaftung bei einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft angestellt, bei der eine Berufung auf den Mitverschuldenseinwand ebenfalls nicht möglich sei. In der juristischen Person seien die Pflichten der für sie tätigen Organe so ausgestaltet, dass sie nebeneinander bestünden. Jedes Organ sei für die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen seines Geschäftsbereichs selbstständig verantwortlich und habe deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit auch voll für den verursachten Schaden einzustehen.

Sodann hat der BGH festgestellt, dass diese gesellschaftsrechtlichen Grundsätze in gleicher Weise auch für eine Stiftung gelten. Wenn mehrere Organe einer Stiftung diese schädigen, so haften diese, so der BGH, gleichstufig und damit als Gesamtschuldner. Sie könnten sich nicht auf das Mitverschulden eines anderen Organs berufen, sondern seien darauf angewiesen, gegebenenfalls bei dem anderen Organ Rückgriff zu nehmen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Kuratorium gegenüber dem Vorstand gemäß der Stiftungssatzung weisungsbefugt gewesen sei. Eine entsprechende Weisung hätte zwar nach Ansicht des BGH gegebenenfalls ein Verschulden des beklagten Vorstandes und damit dessen Haftung ausschließen können, da auch in der Stiftung der Grundsatz gelte, wonach der Mitverschuldenseinwand durch die Verletzung einer Überwachungspflicht ausgeschlossen werde. Solche Weisungen seien jedoch nicht festgestellt worden, so dass es darauf nicht angekommen sei.

Der BGH wies darauf hin, dass die Fälle, in denen zwei Stiftungsorgane haften, nicht vergleichbar seien mit Fällen, in denen eine Pflichtverletzung der Stiftungsaufsicht vorliegt und bei denen vom BGH der Mitverschuldenseinwand anerkannt worden sei. Da die Stiftungsaufsicht kein Organ der Stiftung sei, seien die Konstellationen nicht vergleichbar.

Für den beklagten Stiftungsvorstand bedeutet dies, dass er der Stiftung den gesamten Schaden ersetzen muss. Er hat lediglich die Möglichkeit, gegen das Kuratorium vorzugehen und dieses in Regress zu nehmen, also die Erstattung des anteiligen Schadens entsprechend der Quote des Mitverschuldens des Kuratoriums an ihn zu verlangen.

Zu weiteren in dem Urteil der Vorinstanz aufgeworfenen Rechtsfragen hat der BGH nicht Stellung genommen. Insbesondere zu dem Haftungsgrund hat der BGH keine Ausführungen gemacht, da das Berufungsurteil insoweit rechtskräftig geworden sei und allein die Höhe des Schadensersatzanspruchs in das Revisionsverfahren gelangt sei. Dies deshalb, da der BGH auf die Beschwerde der Klägerin die Revision nur insoweit zugelassen hat, als das Berufungsgericht die Klageforderung im Hinblick auf den Mitverschuldenseinwand für unbegründet erachtet hat.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des BGH bringt Klarheit zu der Frage, in welchem Verhältnis die Haftung mehrerer Stiftungsorgane zueinander steht und trägt damit der Kritik, die in der Literatur an dem Urteil des OLG Oldenburg geäußert wurde, insoweit Rechnung.

Für Mitglieder von Stiftungsorganen hat das Urteil jedoch zur Folge, dass die Gefahr einer umfassenden Haftung gestiegen ist.

Eine Haftung als Gesamtschuldner mit anderen Stiftungsorganen bedeutet, dass die Stiftung den Schadensersatz nur einmal fordern kann, sich dabei aber aussuchen kann, gegen wen sie vorgeht, und von jedem Gesamtschuldner die gesamte Erstattung verlangen kann. Es ist dann Sache des zuerst in Anspruch Genommenen, seinerseits Erstattung von den Mithaftenden zu verlangen. Sofern diese jedoch nicht zahlungsfähig sind, läuft der zuerst in Anspruch Genommene Gefahr, auf den gesamten Kosten sitzen zu bleiben. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Gericht, das später über den Regress zu entscheiden hat, die Pflichtverletzungen anders beurteilt als das zuerst mit der Sache befasste Gericht. Um dies zu vermeiden, kann der in Anspruch Genommene den Mitgliedern der übrigen Stiftungsorgane den Streit verkünden, wenn diese nach seinem Dafürhalten ebenfalls zu der Schadensverursachung beigetragen haben.

Für Stiftungen, die gegen ihre (ehemaligen) Organe vorgehen wollen, hat das Urteil des BGH die positive Folge, dass die Stiftungen die Möglichkeit haben, sich den finanziell leistungsstärksten Schuldner auszusuchen und dass sie statt gegen mehrere Organe (zunächst) nur gegen einen Verantwortlichen klagen müssen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Erhebung einer Klage gegen einen Gesamtschuldner nicht auch die Verjährung gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern hemmt.

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