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Urlaubsanspruch bei Wechsel in Teilzeit

Bundesarbeitsgericht vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 53/14

Sachverhalt: Der Arbeitnehmer war seit 2004 beim Arbeitgeber in Vollzeit angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) Anwendung. Bis zum 15. Juli 2010 erfolgte eine Vollzeittätigkeit an fünf Tagen/Woche, anschließend eine Teilzeittätigkeit an vier Tagen/Woche. Nach § 26 Abs. 1 TVöD 2010 beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage/Woche nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erhöht oder vermindert sich der Anspruch entsprechend. Gem. § 26 Abs. 2 b) TVöD 2010 wird für jeden vollen Monat 1/12 des Urlaubsanspruchs gewährt, sofern das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres beginnt oder endet. Bis zum Wechsel in Teilzeit hatte der Arbeitnehmer keinen Urlaub genommen. Nach dem Wechsel gewährte ihm der Arbeitgeber auf seinen Antrag 24 Tage Urlaub. Der Arbeitnehmer verlangte drei weitere Urlaubstage. Er machte geltend, dass er für den Zeitraum der Vollzeitbeschäftigung 15 und für den Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung 12 Urlaubstage beanspruchen könne, also insgesamt 27 Urlaubstage.

Die Entscheidung: Das BAG sprach dem Arbeitnehmer die beantragten drei Urlaubstage zu, auch wenn es ihm sogar noch drei weitere Urlaubstage hätte zusprechen müssen, wäre dies beantragt worden. Dem Urteil waren zwei richtungsweisende Entscheidungen des EuGH vorausgegangen. Zunächst wurde in der „Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols“-Entscheidung (vom 22. April 2010 – C 486/08) darauf hingewiesen, dass Ansprüche auf Urlaubstage, die während einer Vollzeittätigkeit entstanden sind und vor dem Wechsel in die Teilzeittätigkeit nicht gewährt werden konnten, auch dann jeweils als Vollzeitarbeitstag vergütet werden müssen, wenn der Urlaub während der Teilzeit genommen und hier – aufgrund eines geringeren täglichen Arbeitsvolumens – ein geringeres tägliches Arbeitsentgelt verdient wird. Diese Argumentation wandte der EuGH dann in der „Brandes“-Entscheidung (vom 13. Juni 2013 – C-415/12) auf die Frage, wie sich ein Wechsel von Vollzeit in Teilzeit auf die Anzahl der Urlaubstage auswirkt, entsprechend an. Begründet wurde dies jeweils damit, dass eine anteilige Kürzung der Urlaubsansprüche bzw. des Urlaubsentgelts gegen EU-Recht verstoße.

Das BAG hat bisher selbst die anteilige Kürzung der Urlaubsansprüche und des Urlaubsentgelts ohne Ausnahme vertreten, nun aber ausgeführt, vor dem Hintergrund der europäischen Vorgaben an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten. Es verweist darauf, dass sich die europäische Rechtsprechung bisher nur auf Fallgruppen bezieht, in denen betroffene Arbeitnehmer im Bezugszeitraum den Urlaub nicht in Anspruch nehmen konnten – sei es aufgrund Mutterschutz, Elternzeit oder eines Beschäftigungsverbots. Nicht entschieden hatte der EuGH Sachverhalte, in denen Arbeitnehmer im Bezugszeitraum von einer Voll- in eine Teilzeitbeschäftigung oder von Teilzeit in eine Teilzeitbeschäftigung mit geringerem Umfang wechseln und während der gesamten Zeit ihren Urlaub nehmen konnten. Das BAG hat nunmehr klargestellt, dass es auf ein Verschulden des in Teilzeit wechselnden Arbeitnehmers nicht ankommt. Im konkreten Fall war im Ergebnis der volle Urlaubsanspruch mit dem 1. Januar 2010 entstanden und es lag kein Kürzungstatbestand vor, da dies den Eintritt in das/Austritt aus dem Arbeitsverhältnis voraussetzt, was bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit nicht der Fall ist.

Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung bezieht sich nur auf Sachverhalte, in denen der Urlaubsanspruch auf Basis der Vollzeittätigkeit bereits entstanden war. Nicht erfasst werden Fallgruppen, in denen vor Entstehen eines Anspruchs auf den Jahresurlaub die Reduzierung der Arbeitszeit bereits feststeht, z. B. wenn im Laufe eines Kalenderjahres vereinbart wird, dass während des kommenden Jahres eine Reduzierung der Anzahl der Arbeitstage erfolgt. In diesen Fallgruppen ist eine anteilige Berechnung – jeweils bezogen auf die Abschnitte der unterschiedlichen Arbeitszeitvolumina – weiterhin zutreffend.

Bei Fragen zu diesem Thema kontaktieren Sie bitte: Dr. Thomas Barthel Roman Parafianowicz

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