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Sperrwirkung des „dealing at arm‘s length“-Grundsatzes gegenüber nationalen Einkünftekorrekturvorschriften

BFH, Urteil vom 17.12.2014 (I R 23/13, DStR 2015, 466)

Mit seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2014 bestätigt der BFH insbesondere seine Rechtsprechung zu der Sperrwirkung einer Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Vorschrift eines Doppelbesteuerungsabkommens gegenüber nationalen Einkünftekorrekturvorschriften bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.

Der entscheidungsgegenständliche Sachverhalt hat Einkünftekorrekturen im Hinblick auf Teilwertabschreibungen von Gesellschafterdarlehen in dem Zeitraum vor dem Jahressteuergesetz 2008 zum Gegenstand.

Hintergrund

Seit dem Jahressteuergesetz 2008 besteht gemäß § 8b Abs. 3 S. 4 - 8 KStG grundsätzlich ein Abzugsverbot für Gewinnminderungen aus Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich vergleichbaren Vorgängen. Entsprechende Teilwertabschreibungen sind nur noch unter den Voraussetzungen eines Drittvergleichs steuerwirksam möglich. Vor dem Veranlagungszeitraum 2008 erfasste § 8b Abs. 3 KStG dagegen keine Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen (bestätigt durch: BFH, Urteil vom 14. Januar 2009, I R 52/08, BStBl. II 2009, S. 674).

Weichen Verrechnungspreise für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen von denen ab, die unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, sind diese gemäß § 1 Abs. 1 AStG zulasten des Steuerpflichtigen anzupassen.

Entscheidungssachverhalt

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der C-GmbH. Die C-GmbH war alleinige Gesellschafterin der I-GmbH und mit dieser organschaftlich verbunden. Die I-GmbH hielt wiederum 100 Prozent der Anteile der US-amerikanischen H-Inc. In den Streitjahren und den Vorjahren wies die H-Inc. in ihrer Bilanz nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aus und hatte Liquiditätsprobleme. Daher gewährte die I-GmbH dieser Tochtergesellschaft mehrere unbesicherte Darlehen mit einer jährlichen Verzinsung von fünf Prozent. Die Tilgung sollte aus der Liquidität zukünftiger Gewinne erfolgen. Im Hinblick auf das jeweilige Darlehen erfolgten vollständige Einzelwertberichtigungen im Jahr der Darlehenshingabe.

Das zuständige Finanzamt der I-GmbH erkannte die Wertberichtigungen dem Grunde nach an. Es nahm aber mit Verweis auf § 1 Abs. 1 AStG a. F. einkommenserhöhende Einkünftekorrekturen vor, da eine unterbliebene Besicherung nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entspräche und somit eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. vorzunehmen sei. Das für die Klägerin zuständige Finanzamt erließ gegen diese als Rechtsnachfolgerin der C-GmbH entsprechende Steuerbescheide. Der anschließende Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 30. Januar 2013, 12 K 12056/12, EFG 2013, S. 1560) blieben erfolglos.

Entscheidung des BFH

Den Auffassungen folgte der BFH im Ergebnis nicht und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, da eine weitgehendere Sachverhaltsaufklärung notwendig sei.

Zunächst stellt der I. Senat des BFH mit diesem Urteil klar, dass in den Streitjahren mangels Tatbestandes keine einkommenserhöhende außerbilanzielle Hinzurechnung einer Teilwertabschreibung nach § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. möglich sei. Damit bestätigt der erkennende Senat seine bisherige Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 14. Januar 2009, I R 52/08, BStBl. II 2009, S. 674) und die des X. Senates (BFH, Urteil vom 18. April 2012, X R 5/10, BStBl. II 2013, S. 785).

Weiterhin betont der BFH, dass der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm‘s length“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA eine Einkünftekorrektur nach den nationalen Vorschriften nur zuließe, wenn der vereinbarte Preis nicht dem Fremdvergleichsmaßstab entspricht. Folglich wären Einkünftekorrekturen nach Art. 1 Abs. 1 AStG a. F. wegen dem Grunde nach fremdunüblicher Vereinbarungen nicht mit dem abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar. Damit bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung zu der Schrankenwirkung des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes im Sinne des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gegenüber den nationalen Einkünftekorrekturvorschriften bei grenzüberschreitenden Leistungen zwischen nahestehenden Personen (so auch: BFH, Urteil vom 11. Oktober 2012, I R 75/11, BStBl. II 2013, S. 1046 zu den Sonderbedingungen einer verdeckten Gewinnausschüttung).

Aus diesem Grund sei auch eine entsprechende Einkünftekorrektur aufgrund eines in fremdunüblicherweise unbesicherten Darlehens an eine ausländische Tochtergesellschaft nicht möglich. Vielmehr seien in diesen Fällen die Risiken eines unbesicherten Darlehens bei der Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes zu berücksichtigen. In Konzernfällen sei aber in der Regel ein Konzernrückhalt zu berücksichtigen, sodass eine fehlende Besicherung nicht zwingend zu einem höheren Zinssatz führen müsse.

Darüber hinaus habe das FG im zweiten Rechtsgang folgenden Fragen nachzugehen:

  • Sind die begebenen Darlehen als solche zu verstehen oder waren die Darlehenshingaben als verdeckte Einlage zu qualifizieren?



  • Sind die Teilwertabschreibungen dem Grunde nach begründet? Dies könne insbesondere vom Vorliegen eines Konzernrückhaltes zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung und zum Zeitpunkt der Teilwertabschreibung abhängen.



Konsequenzen für die Praxis

In noch offenen Fällen mit einer entsprechenden Problemstellung vor dem Veranlagungszeitraum 2008 sollten sich die Steuerpflichtigen auf die Grundsätze der dargestellten Entscheidung beziehen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2008 sind Teilwertabschreibungen sowohl auf innerstaatliche als auch auf grenzüberschreitende Gesellschafterdarlehen enge Grenzen gesetzt.

Erneut betont der BFH, dass der Konzernrückhalt eine ausreichende Sicherheit darstellen kann, sodass sich die Kompensation einer fehlenden Besicherung über den Zinssatz erübrigen kann. Dies soll bei grenzüberschreitenden Darlehen insbesondere dann der Fall sein, wenn der Gesellschafter die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherstellt. Bei der Beurteilung von fremdüblichen Verrechnungspreisen (insbesondere von Zinsen) sollte diese Bedingung analysiert und ausreichend dokumentiert werden. Dies entspricht im Übrigen auch den aktuellen Verlautbarungen der OECD und der internationalen Praxis, sodass (zumindest nach Auffassung des BFH) in diesem Punkt kein deutscher Sonderweg in der Verrechnungspreisermittlung besteht.

Im Falle eines im Zeitpunkt der Teilwertabschreibung bestehenden Konzernrückhalts dürfte bereits eine bilanzielle Teilwertabschreibung schwer zu begründen sein. Sind aber die engen Voraussetzungen für eine bilanzielle Teilwertabschreibung gegeben und die Voraussetzungen des § 8b Abs. 3 S. 4 – 8 KStG 2008 nicht erfüllt, darf eine solche Teilwertabschreibung nach vorliegendem Urteil auch nicht gem. § 1 AStG korrigiert werden.

Es ist zu begrüßen, dass der BFH mit dem dargestellten Urteil seine bisherige Auffassung zum Zusammenspiel von innerstaatlichen Einkünftekorrekturvorschriften und den Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Normen bestätigt und den Fremdvergleichsgrundsatz auf vergleichbare Geschäftsbedingungen und die Angemessenheit des Fremdvergleichspreises der Höhe nach beschränkt.

Weiterhin gilt, dass ausschließlich die tatsächlichen wirtschaftlichen und geschäftlichen Bedingungen und Preise eine Anpassung der Verrechnungspreise zwischen nahestehenden Personen aufgrund des Fremdvergleichs auslösen können. Formale Aspekte sind nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nicht relevant.

Die Dokumentation der jeweiligen Sachverhalte ist dennoch als Basis für die Dokumentation der Angemessenheit grenzüberschreitender Verrechnungspreise unabdingbar. Auch wenn formale Aspekte nicht relevant für die Angemessenheit von Verrechnungspreisen sind, zeigt die Praxis, dass das schriftliche Festhalten von Verträgen und deren ernsthafter Durchführung aus Beweisgründen dringend zu empfehlen ist. Steuerpflichtigen ist daher zu raten, frühzeitig verwertbare Verrechnungspreisdokumentationen zu erstellen.

Dies gilt besonders, wenn kein DBA mit dem anderen Staat besteht oder im DBA-Fall die Regelung nicht dem OECD-MA entspricht. In diesen Fällen sind die formalen Aspekte bei grenzüberschreitenden – wie bei rein innerstaatlichen – Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung sowie rechtliche Unsicherheiten weiterhin zu beachten.

Zusammenfassend bleiben die Verrechnungspreisermittlung und die damit zusammenhängenden Dokumentationspflichten komplex. Eine fundierte Verrechnungspreisermittlung und deren Dokumentation bleiben zur Vermeidung von Steuerrisiken unerlässlich. Zudem sind auch in diesem Bereich die aktuellen Entwicklungen auf OECD-Ebene und deren mögliche Auswirkungen im Auge zu behalten.

Bei Fragen zu diesem Thema, kontaktieren Sie bitte: Birgit Fassbender Florian Teichert

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Aktuelles Steuerrecht BFH Einkünftekorrekturvorschriften Sperrwirkung Doppelbesteuerungsabkommen