BLOG -


Scheitert auch eine BFH-Vorlage eines Treaty Overrides aus verfassungsprozessualen Gründen?

BFH, Beschluss vom 10. Juni 2015 (I R 66/09, bisher noch nicht veröffentlicht)

Mit Beschluss vom 10. Juni 2015 hat der Bundesfinanzhof ("BFH") seinen Vorlagebeschluss vom 10.

Januar 2012 (BFH, Beschluss vom 10.

Januar

2012, I R 66/09, BFH/NV 2012, S.

1056, anhängig beim BVerfG unter 2 BvL 1/12) zur möglichen Verfassungswidrigkeit eines sog. Treaty Override im Rahmen von §

50d

Abs.

8

S. 1 EStG konkretisiert.

Ein Treaty override ist eine Vorschrift des innerstaatlichen Steuerrechts, die den Schutz von Doppelbesteuerungsabkommen ("DBA") einschränken soll. In der jüngeren Vergangenheit hat der Gesetzgeber verstärkt eine Vielzahl solcher Vorschrift erlassen. In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BFH das Treaty Overriding als zulässig erachtet, wenn der gewollte Vorrang des ändernden Gesetzes gegenüber dem DBA deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. BFH, Urteil vom 20. März 2002, I R 38/00, BStBl. II 2002, S. 819 m.

w.

N.).

Von dieser Spruchpraxis ist der BFH später abgewichen und hat dem Bundesverfassungsgericht ("BVerfG") im Rahmen von mehreren Normenkontrollersuchen die Frage vorgelegt, ob der Gesetzgeber durch einen Treaty Override gegen Verfassungsrecht verstößt (vgl. BFH, Beschluss vom 20.

August

2014, I

R

86/13, BStBl.

II

2015, S.

18 zu § 50d

Abs.

9

S.

1

Nr.

2

EStG, anhängig beim BVerfG unter 2

BvL

21/14; BFH, Beschluss vom 11.

Dezember

2013, I

R

4/13, BFH/NV

2014, S.

614 zu §

50d

Abs.

10

EStG, anhängig beim BVerfG unter 2

BvL

15/14 ; BFH, Beschluss vom 10.

Januar

2012, I

R

66/09, S.

1056 zu §50d

Abs.

8

EStG, anhängig beim BVerfG unter 2

BvL

1/12; hierzu auch: Newsletter Steuerrecht April 2013).

Eine solche Vorlage ist unter anderem zulässig, wenn das vorlegende Gericht darlegt, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist, §

80

Abs.

2

S.

1

BVerfGG. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die konkrete Normenkontrolle zu §

50d

Abs.

8

EStG gegenüber dem Ersten Senat des BFHs vorläufige Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der Vorlage geäußert. Dies nimmt der BFH zum Anlass und stellt die Änderung seiner Spruchpraxis im Allgemeinen sowie speziell im Hinblick auf §

50d

Abs.

8

EStG dar.

Die Bedenken des BVerfG sind vor dem Hintergrund des Beschlusses des BVerfG vom 1.

April

2014 zu betrachten (BVerfG, Urteil vom 1. April 2014, 2 BvL 2/09, BVerfGE 136, S. 127). Mit diesem Beschluss hatte das BVerfG zu einer Vorlage des BFH zum Entfallen eines Verlustvortrages nach der sog. Mantelkaufregelung des §

8

Abs.

4 KStG a. F. entschieden, dass die beschriebenen Begründungsforderungen einer Vorlage unter anderem nicht erfüllt sind, wenn das vorlegende Gericht bei entscheidungserheblichen Fragen von – im Schrifttum geteilten – Wertungen der eigenen Rechtsprechung abweicht, ohne diese Abweichungen zu thematisieren.

Folglich bleibt insbesondere abzuwarten, ob das BVerfG die Ausführungen des Vorlage- und des Ergänzungsbeschlusses des BFH im Hinblick auf die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit und der Entscheidungserheblichkeit als ausreichend erachtet, sodass die Vorlage zulässig sein sollte. In diesem Fall könnte das BVerfG überprüfen, ob die Vorlage begründet ist und somit eine kontrovers diskutierte Frage des internationalen Steuerrechts klären. Laut der Jahresvorausschau des BVerfG, strebt das Gericht eine Entscheidung der unter dem Aktenzeichen 2

BvL

1/12 anhängigen Vorlage in 2015 an.

Bei Fragen zu diesem Thema kontaktieren Sie bitte: Florian Teichert

TAGS

Aktuelles BFH Doppelbesteuerungsabkommen Treaty Override Bundesverfassungsgericht (BVerfG)