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Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Unternehmensvermögen

Regierungsentwurf vom 08.07.2015

Hintergrund

Das BVerfG hat am 17. Dezember 2014 das derzeitige Erbschaftsteuerrecht vor dem Hintergrund der besonderen Regelungen für Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen. Auf Grundlage des Eckpunkte-Papiers des BMF (vgl. hierzu den Tax Newsletter April 2014) wurde jetzt am 8. Juli 2015 der Gesetzentwurf vom Bundeskabinett beschlossen und vorgelegt.

Die wesentlichen Punkte

Keine Rückwirkung Entgegen zwischenzeitlicher Befürchtungen soll die geplante Erbschaftsteuerreform nach dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden (obwohl das BVerfG-Urteil dies ermöglicht hätte).

Die einzelnen Fallgruppen Das Bundesverfassungsgericht hat im Wesentlichen entschieden, dass die gegenwärtigen Vergünstigungsregeln für Betriebsvermögen unter verschiedenen Aspekten über das nach dem Grundsatz der Besteuerungsgleichheit gebotene Maß hinausgehen.

Nach dem Gesetzentwurf soll deshalb zunächst das nicht begünstigte Vermögen identifiziert und aus dem Anwendungsbereich der Vergünstigungsregeln ausgeschieden werden. Für die Besteuerung des begünstigten Vermögens werden danach im Wesentlichen drei Fallgruppen gebildet:

  1. Nicht begünstigtes Vermögen



Begünstigungen soll es künftig nur für tatsächlich begünstigtes Vermögen geben. Begünstigt sind nur die Teile des Vermögens, die überwiegend dem Hauptzweck des Unternehmens dienen. Deshalb ist jedes Wirtschaftsgut auf seine Begünstigungsfähigkeit hin zu überprüfen. Der bisher geltende Begriff des Verwaltungsvermögens entfällt. Die Gesetzesbegründung enthält zahlreiche Beispiele für die Abgrenzung von begünstigtem zu nicht begünstigtem Vermögen, die ahnen lassen, dass hier viele Diskussionspunkte entstehen werden.

Nicht begünstigtes Vermögen unterfällt künftig der vollen Erbschaft- oder Schenkungsteuer.

  1. Erste Fallgruppe: Unternehmen mit bis zu 15 Beschäftigten und begünstigtem Vermögen bis EUR 26 Mio. pro Erbe



Für Unternehmen mit bis zu 15 Beschäftigten und einem übertragenen begünstigten Vermögen bis EUR 26 Mio. pro Erbe soll künftig weiterhin die Regel- oder Optionsverschonung gelten, die bislang nur für Unternehmen ab 20 Beschäftigten galt. Dabei gibt es drei Untergruppen:

  • Bei Unternehmen mit bis zu 3 Beschäftigten gilt für die Regelverschonung (Verschonungsabschlag 85 Prozent) eine Haltefrist von 5 Jahren und für die Optionsverschonung (Verschonungsabschlag 100 Prozent) eine Haltefrist von 7 Jahren. Die Lohnsumme spielt hier keine Rolle.
  • Bei Unternehmen mit 4 bis 10 Beschäftigten findet die Regelverschonung von 85 Prozent Anwendung, wenn die Haltefrist 5 Jahre bei einer Lohnsumme von mindestens 250 Prozent beträgt. Die Optionsverschonung von 100 Prozent gilt bei einer Haltefrist von 7 Jahren und einer Lohnsumme von 500 Prozent.
  • Bei Unternehmen mit 11 bis 15 Beschäftigten gilt die Regelverschonung von 85 Prozent bei einer Haltefrist von 5 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 300 Prozent sowie die Optionsverschonung von 100 Prozent bei einer Haltefrist von 7 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 565 Prozent.



  1. Zweite Fallgruppe: Unternehmen mit über 15 Beschäftigten und begünstigtem Vermögen bis EUR 26 Mio. pro Erbe



Bei Unternehmen mit über 15 Beschäftigten und übertragenem begünstigten Vermögen bis zu EUR 26 Mio. pro Erbe gilt die bisherige Regelung fort:

Ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent wird gewährt bei einer Haltefrist von 5 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 400 Prozent. Die Optionsverschonung von 100 Prozent gilt bei einer Haltefrist von 7 Jahren und einer Lohnsumme von mindestens 700 Prozent.

  1. Dritte Fallgruppe: Unternehmen mit begünstigtem Vermögen über EUR 26 Mio. pro Erbe



Für übertragenes begünstigtes Vermögen über EUR 26 Mio. pro Erbe enthält der Gesetzesentwurf komplett neue Vorschriften. Für diese großen Betriebsvermögen gibt es künftig die Wahlmöglichkeit zwischen einer sog. individuellen Verschonungsbedarfsprüfung und einem sog. Verschonungsabschlagsmodell:

Voraussetzung für die individuelle Verschonungsbedarfsprüfung sind die Einhaltung der Haltefrist von 7 Jahren und die Lohnsummenregelung für 100 Prozent-Verschonung (ab 15 Beschäftigten 700 Prozent, bei 11 bis 15 Beschäftigten 565 Prozent und bei 4 bis 10 Beschäftigten 500 Prozent).

Soweit diese Haltefrist- sowie die Lohnsummenprüfung gewahrt werden, kann die Steuer erlassen werden, soweit die Steuerschuld nicht aus 50 Prozent des verfügbaren Vermögens beglichen werden kann. Verfügbares Vermögen ist hier nicht begünstigtes übertragenes Vermögen einschließlich des Privatvermögens.

Alternativ kann der Erbe das sog. Verschonungsabschlagsmodell wählen:

Auch hier wird wieder zwischen Regelverschonung und Optionsverschonung unterschieden.

Bei der Regelverschonung von 85 Prozent gelten Haltefrist und Lohnsumme der Regelverschonung. Der Verschonungsabschlag von 85 Prozent verringert sich um jeweils 1 Prozent je EUR 1,5 Mio. übertragenes begünstigtes Vermögen auf bis zu mindestens 20 Prozent. Für Vermögen ab EUR 116 Mio. pro Erbe gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 20 Prozent.

Bei der Optionsverschonung gelten Haltefrist und Lohnsumme der Optionsverschonung. Der Verschonungsabschlag von 100 Prozent verringert sich um jeweils 1 Prozent je EUR 1,5 Mio. übertragenes begünstigtes Vermögen auf bis zu mindestens 35 Prozent. Für Vermögen ab EUR 116 Mio. pro Erbe gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 35 Prozent.

  1. Anhebung der Höchstgrenze von EUR 26 auf 52 Mio.



Jeweils anstelle der Grenze von EUR 26 Mio. gilt ein erhöhter Schwellenwert von EUR 52 Mio., wenn im Gesellschaftsvertrag des Trägers des begünstigten Vermögensbestimmte Ausschüttungsbegrenzungen und Verfügungsbeschränkungen enthalten sind.

Die entsprechenden Regeln im Gesellschaftsvertrag müssen jedoch mindestens zehn Jahre vor und dreißig Jahre nach dem Besteuerungszeitpunkt (Schenkung- oder Erbfall) vorliegen. Wegen dieser langen Fristen wird diese Vergünstigung nach unserer Einschätzung aktuell nur in seltensten Fällen Anwendung finden.

Fazit für die Praxis

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf beschränkt sich der Gesetzgeber auf die Umsetzung der Vorgaben des BVerfG und wagt sich nicht an eine umfassendere Reform des Erbschaftsteuergesetzes.

Die Komplexität der im Gesetzesentwurf enthaltenen Regelungen ist immens und Gegenstand teilweise heftiger Kritik. Der weitere Gang des Gesetzgebungsverfahrens bleibt abzuwarten. Sollten die Regelungen so Gesetz werden, ist bereits jetzt erheblicher Klarstellungsbedarf (etwa durch Verwaltungsgrundsätze) in Bezug auf wesentliche Punkte absehbar.

Da eine Rückwirkung der Neuregelungen gegenwärtig nicht vorgesehen ist, besteht – voraussichtlich noch bis mindestens zum 31. Dezember 2015 – die Möglichkeit, Vermögensübertragungen nach der derzeit geltenden Regelung vorzunehmen.

Bei großen Betriebsvermögen gilt es zu überlegen, ob durch eine Änderung der Gesellschaftsverträge die Anhebung der Grenze für begünstigtes Vermögen nach dem Grundmodell von EUR 26 Mio. auf EUR 52 Mio. möglich ist. Gesellschaftsvertragliche Regelungen können jedoch erst Wirkung entfalten, wenn sie zehn Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt in Kraft sind. Dies bedeutet, dass bei aktueller Änderung der Gesellschaftsverträge, die Begünstigung erst für Vermögensübertragungen ab dem Jahr 2025 zur Anwendung kommen kann.

Bei Fragen zu diesem Thema kontaktieren Sie bitte: Dr. Michael Hils

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