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Reform der Regeln für Unterschwellenvergaben

Am 7. Februar 2017 hat das Bundeswirtschaftsministerium die

Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) im Bundesanzeiger veröffentlicht. Sie ersetzt den für nationale Ausschreibungen von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen geltenden Abschnitt 1 der VOL/A.



Erweiterung der Vorschriften

Ins Auge sticht zunächst die deutlich erhöhte Regelungsdichte. An die Stelle der lediglich 20 Paragrafen in Abschnitt 1 der VOL/A treten nunmehr 54 Vorschriften. Inhaltlich gleicht die UVgO dabei den nationalen Beschaffungsrahmen in weiten Teilen an das GWB Vergaberecht für EU-weite Ausschreibungen an.

Übernommen sind die GWB-Ausnahmen vom Vergaberecht einschließlich der Vergabefreiheit von Inhouse-Vergaben (§ 1 Abs. 2 UVgO). Eine bisher nicht unerhebliche Unsicherheit bei der Vergabe von Aufträgen, die in diesen Bereich fallen, wurde damit beseitigt. Ausdrücklich geregelt sind nunmehr auch der Umgang mit Interessenskonflikten auf Auftraggeberseite (§ 4 UVgO), mit vorbefassten Unternehmen (Projektanten, § 5 UVgO) und die Rechtsfigur der Eignungsleihe (§ 34 UVgO). Ferner gibt es jetzt Sonderregelungen über die Vergabe von sozialen und sonstigen besonderen Dienstleistungen (§ 49 UVgO), die bis EUR 750.000 in diesen Bereich fallen. Und auch die Vergabe von öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Bereich Verteidigung und Sicherheit (§ 51 UVgO) sowie die Vergabe von freiberuflichen Leistungen (einschließlich Planungswettbewerben, §§ 50, 52 UVgO) werden erstmals ausdrücklich für unterschwellige Aufträge normiert. Bei den freiberuflichen Leistungen ist dies klarer als der bislang pauschale Verweis auf die haushaltsrechtlichen Grundsätze in § 1 VOL/A. Diese Leistungen sind zukünftig „grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben”, freilich mit der Einschränkung, „wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist”. Praktisch dürfte dies darauf hinauslaufen, dass freiberufliche Leistungen auch in Zukunft weitgehend grundsätzlich freihändig (jetzt: per Verhandlungsvergabe) vergeben werden können, wobei im einen oder anderen Fall aus Gründen der Transparenz (§ 2 Abs. 1 UVgO) ein Teilnahmewettbewerb geboten sein dürfte.

Verfahrensarten

Apropos „freihändige Vergabe”: Diese in der Vergangenheit oft missverstandene Bezeichnung der Möglichkeit des Auftraggebers, in bestimmten Konstellationen die Konditionen des Auftrags zu verhandeln, ändert die UVgO nunmehr in „Verhandlungsvergabe” (§ 12 UVgO). Ansonsten bleibt es bei den bewährten Bezeichnungen der „Öffentlichen Ausschreibung” und der „Beschränkten Ausschreibung”. Nach Aussage des BMWi sollen damit die eingeführten Begrifflichkeiten bewahrt und zugleich die Trennung vom Oberschwellenvergaberecht verdeutlicht werden. Übernommen wurde aus § 14 VgV der Gleichrang von Öffentlicher Ausschreibung und Beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb (§ 8 Abs. 2 UVgO). Auch im Unterschwellenbereich kann der öffentliche Auftraggeber jetzt frei zwischen diesen beiden Verfahrensarten wählen. Direktvergaben sind nach § 14 UVgO zukünftig bis EUR 1.000 zulässig.

E-Vergabe

Wie bei der Neufassung der VgV gehört auch hier die flächendeckende Einführung der elektronischen Vergabe zu den zentralen Punkten der Reform. Grundlage ist § 7 Abs. 1 UVgO, der zur Verwendung von elektronischen Mitteln bei unterschwelligen Liefer- und Dienstleistungsvergaben verpflichtet. Elektronische Teilnahmeanträge und Angebote muss der Auftraggeber nach § 38 UVgO ab dem 1. Januar 2019 akzeptieren und ab dem 1. Januar 2020 zwingend fordern. Praktisch bedeutet diese Verpflichtung, dass die Auftraggeber bereits zum Jahresende 2018 über eine elektronische Vergabelösung verfügen müssen. Denn der zeitliche Spielraum, den die UVgO gewährt, gilt allein für die Bieter. Sie müssen erst ab 2020 elektronische Angebote und Teilnahmeanträge einreichen.

Für Teilnahmeanträge und Angebote reicht dann auch hier grundsätzlich die Textform aus; eine elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz, die § 13 Abs. 1 VOL/A für elektronische Angebote im Unterschwellenbereich verlangte, kommt dann nur noch in den Ausnahmefällen des § 38 Abs. 6 UVgO in Betracht.

Rechtsschutz

Eine Ausdehnung des Bieterrechtsschutzes vor den Vergabekammern und Oberlandesgerichten wird mit der neuen UVgO nicht vorgenommen. Der vergaberechtliche Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich bleibt somit weiterhin auf die Bundesländer beschränkt, die ihn über ihre Landesvergabegesetze eingeführt haben. Dies sind Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Fazit

Wie die Vergabepraxis mit diesen neuen Regelungen zurechtkommen wird, muss sich zeigen. Die jetzt mit der UVgO erfolgte ausführliche Regelung mag zwar dazu beitragen, die Rechtssicherheit auch im Unterschwellenbereich zu erhöhen. Andererseits steigen aber mit der Komplexität der Vorschriften der Zeitaufwand sowie die fachlichen Anforderungen an die Vergabestellen. Hinzu kommt, dass die erfolgte weitgehende Anpassung an die Vorschriften für EU-weite Liefer- und Dienstleistungsvergaben die Vergabestellen zwingt, die Rechtsprechung zu diesen Vorschriften zu verfolgen, um Fehler bei der Anwendung der UVgO zu vermeiden.

Wer jetzt bereits den Bleistift spitzt und mit der UVgO ausschreiben möchte, muss sich allerdings noch etwas gedulden. Denn bei der UVgO handelt es sich weder um ein Gesetz noch um eine Verordnung, sondern lediglich um eine Verfahrensordnung, die erst noch der Inkraftsetzung durch den Bund und die Länder bedarf. Dies geschieht – wie bisher bei VOL/A und VOB/A – durch Verwaltungsvorschrift (Einführungserlass) zur jeweiligen Haushaltsordnung (BHO/LHO), in einigen Ländern auch durch die Ersetzung der Bezugnahmen auf die VOL/A im Landesvergabegesetz durch Verweis auf die UVgO. Klärungsbedürftig bleibt noch, ob der in § 55 BHO/LHO festgelegte Vorrang der öffentlichen Ausschreibung an den in der UVgO nunmehr übernommenen Gleichrang der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb angeglichen werden muss. Während einige Bundesländer hierfür kein Erfordernis sehen, geht der Bund auf „Nummer sicher” und wird die Bundeshaushaltsordnung sowie das Haushaltsgrundsätzegesetz anpassen. Dies wurde gerade mit dem Gesetzentwurf 18/11131 vom 13. Februar 2017 initiiert. Dieser betrifft zwar in erster Linie die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, nimmt die vergaberechtlichen Anpassungen aber „huckepack”. Bis zur jeweiligen Inkraftsetzung der UVgO bleibt es folglich noch beim ersten Abschnitt der VOL/A für die Vergabe unterschwelliger Liefer- und Dienstleistungsaufträge.

Service

Wer an weiteren Einzelheiten zur neuen UVgO interessiert ist, kann über uns gerne den Regelungstext sowie die vom BMWi hierzu erstellten Erläuterungen beziehen.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Stephan Rechten.

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