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Preisvergleichsportale im Selektivvertrieb: Das Verbot des Verbots

Selektivvertrieb vs. Onlinehandel

Bedeutet das rasante Wachstum im Onlinehandel das Ende des Selektivvertriebs? Oder verhält es sich genau umgekehrt? Dass Onlinehandel und Selektivvertrieb grundsätzlich miteinander vereinbar sind, hat die Europäische Kommission in ihrem Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel kürzlich ausdrücklich bestätigt. Dabei hat die Kommission herausgearbeitet, dass Beschränkungen der Nutzung von Preisvergleichsinstrumenten zu den am weitesten verbreiteten Arten vertraglicher Beschränkungen gehören. Gleichwohl stellt sie wörtlich fest: „Die Ergebnisse der Sektorenuntersuchung zum elektronischen Handel geben jedoch keinen Anlass für eine Infragestellung des grundsätzlichen Ansatzes der Kommission in Bezug auf den selektiven Vertrieb, wie er in den geltenden Vorschriften für vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die auf unterschiedlichen Stufen der Produktions- und Vertriebskette tätig sind, festgelegt ist. Viele selektive Vertriebssysteme dienen dem rechtmäßigen Ziel, einen leistungsfähigen Vertrieb, ein stimmiges Markenimage und gute Verkaufsberatung bzw. Kundendienstleistungen zu gewährleisten, und führen in der Regel zu stärkerem Wettbewerb über andere Parameter als den Preis.“

Was aber ist in Bezug auf die Beschränkung von Preisvergleichsportalen kartellrechtlich erlaubt und was kartellrechtlich verboten? Jedenfalls darf ein Hersteller seinen Händlern – auch im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems – die Nutzung von Preisvergleichsportalen im Internet zum Zwecke der Vermarktung der Vertragsprodukte nicht generell verbieten. Das hat das OLG Düsseldorf in einem ausführlichen und mit teilweise sehr deutlichen Worten untermauerten Beschluss vom 5. April 2017 entschieden:

Der Fall Asics

Auf dem Prüfstand war eine Klausel aus den Vertriebsverträgen des Sportschuhherstellers Asics, die autorisierten Händlern verbat, aktiv die Funktionalität von Preisvergleichsmaschinen zu unterstützen. Das Bundeskartellamt hatte diese (und weitere) Klauseln beanstandet und einen Verstoß gegen das allgemeine Kartellverbot aus § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt. Nach Auffassung der Behörde diente das Verbot der Nutzung von Suchmaschinen für Preisvergleiche ebenso wie das seinerzeit in den Verträgen enthaltene Verbot der Verwendung bestimmter Markenzeichen nämlich nicht dem Schutz des Markenimages, sondern vorrangig der Kontrolle des Preiswettbewerbs. Dadurch werde der Wettbewerb der Händler zu Lasten der Verbraucher unzulässig beschränkt. Nach Überzeugung des Amtes handelte es sich auch um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 4 lit. c) Vertikal-GVO und somit um Kernbeschränkungen. Folglich wurde eine mögliche Freistellung gemäß § 2 Abs. 2 GWB, Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO oder § 2 Abs. 1 GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV verneint. Das seinerzeit ebenfalls in den Vertriebsverträgen enthaltene Verbot der Nutzung von Online-Marktplätzen wie Amazon oder eBay wurde vom Bundeskartellamt zwar als mutmaßlich kartellrechtswidrig kritisiert. Das Amt hat im Ergebnis aber ausdrücklich offen gelassen, ob es sich auch dabei um eine unzulässige Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. c) Vertikal-GVO handelt.

Mit der Beschwerde zum OLG Düsseldorf wollte Asics die Aufhebung der Feststellungsverfügung des Bundeskartellamtes erreichen. Das Gericht hat die Beschwerde jedoch zurückgewiesen und die Feststellungen des Amtes bestätigt. Nach Auffassung des Gerichts stellt jedenfalls das generelle Verbot der Nutzung von Preisvergleichsportalen einen Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. Insbesondere liege keine Ausnahme vom Kartellverbot vor. Bei dem Verbot handele es sich nicht um eine qualitative Vertriebsbeschränkung, die auch nicht zur Wahrung der Produktqualität oder des Produktimages der betroffenen Waren notwendig sei.

Eine Beratungsbedürftigkeit sei bei Sportschuhen nicht anzunehmen und im Regelfall auch tatsächlich gar nicht gewünscht, weil der Kunde den passenden Schuh ja schon nach vorheriger Beratung im stationären Handel gefunden habe und im Internet lediglich eine Folgebestellung tätigen würde. Bei dieser Feststellung des Gerichts handelt es sich um ein oft zu hörendes, aber zweischneidiges Argument, das tatsächlich die Schutzbedürftigkeit des stationären Handels offenbart und qualitative Beschränkungen im Onlinehandel rechtfertigen kann. Eine solche Rechtfertigung hat das Gericht aber verneint, weil die Klausel eben gerade keine qualitativen Anforderungen an die Nutzung von Preisvergleichsmaschinen, sondern ein Totalverbot darstelle. Ein derartiges Verbot sei durch nichts gerechtfertigt und in jedem Fall unverhältnismäßig. Wie schon das Bundeskartellamt, hat auch das OLG Düsseldorf das Preisvergleichsportalverbot als Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. c) Vertikal-GVO eingestuft und somit die Möglichkeit einer Freistellung vom Kartellverbot abschließend verneint. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen. Denn nach Auffassung des Gerichts sei die rechtliche Bewertung eindeutig, weshalb auch eine Vorlage an den EuGH nicht erforderlich sei.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das OLG Düsseldorf in der Urteilsbegründung vielfach auf die Entscheidung des EuGH vom 13. Oktober 2011 in Sachen Pierre Fabre Bezug nimmt. Auch das Bundeskartellamt verweist in der Pressemitteilung zur Entscheidung in Sachen Asics darauf, dass die Rechtsprechung des EuGH in Sachen Pierre Fabre nach Auffassung des OLG Düsseldorf klar sei. Das ist in einem wichtigen Punkt aber gerade nicht der Fall. Die Entscheidung Pierre Fabre hat in der selektiven Vertriebspraxis nämlich zahlreiche unterschiedliche Interpretationen und damit viel Unsicherheit ausgelöst. Wenig überraschend wird deshalb schon lange gefordert, dass der EuGH seine teils missverständlichen Äußerungen im Urteil Pierre Fabre klarstellt.

Ausblick

Die Gelegenheit zur Klarstellung erhält der EuGH in einem anhängigen Verfahren des Luxuskosmetikherstellers Coty. Die Entscheidung wird ein Meilenstein in Bezug auf die Zulässigkeit des Selektivvertriebs für hochwertige Markenprodukte („Luxusimage“) allgemein und von Verkaufsbeschränkungen im Internet im Besonderen sein. Eine erste Indikation werden die Schlussanträge des schwedischen Generalanwalts Nils Wahl sein, die für den 26. Juli 2017 angekündigt sind. Das Urteil des EuGH wird einige Monate später und noch in diesem Jahr folgen. Es wird den Onlinehandel in Europa maßgeblich beeinflussen und (hoffentlich) abschließend für deutlich mehr Rechtssicherheit sorgen. Die in der Praxis wichtigsten Fälle von Vertriebsbeschränkungen im Internethandel und weitere Hintergrundinformationen können Sie in unserem Newsletter Kartellrecht Februar 2016 nachlesen.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Uwe Wellmann.

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