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Mehr oder weniger? Überstundenzuschlag bei Teilzeitbeschäftigten

Überstunden müssen je nach arbeitsvertraglicher, betrieblicher oder tariflicher Regelung finanziell oder durch Freizeitausgleich abgegolten werden. Eine Ausnahme besteht, wenn (ein Teil der) Überstunden pauschal durch die Vergütung abgegolten werden oder bei Arbeitszeitmodellen, wie der Vertrauensarbeitszeit. Der zeitliche oder finanzielle Ausgleich von Überstunden gilt sowohl bei Vollzeitbeschäftigten als auch bei Teilzeitbeschäftigten. Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge können auch vorsehen, dass Arbeitnehmer für Überstunden auch Zuschläge erhalten. Gilt die Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigen auch bei diesen Zuschlägen?

Liebe Leserin, lieber Leser,
bei Geld hört die Freundschaft auf. Überstunden und Überstundenzuschläge sind oft ein Streitthema zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Streit verschärft sich bei der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Überstundenzuschlägen war lange Zeit gefestigt und wurde durch die Entscheidung des BAG vom 23. März 2017 (6 AZR 161/16) aufgewirbelt. Was bedeutet das für die Praxis?

Ausgangssituation

Überstundenzuschläge werden oft nicht ab der ersten individuellen Überstunde eines Arbeitnehmers sondern nach einer betrieblichen Tages- oder Wochen-Stundengrenze gewährt. Diese Stundengrenze orientiert sich insbesondere in Tarifverträgen regelmäßig an den Arbeitsstunden eines Vollzeitbeschäftigten. Liegt diese Wochen-Stundengrenze beispielsweise bei 40 Stunden, bedeutet dies, dass Arbeitnehmer einen Überstundenzuschlag ab der 41. Wochenstunde erhalten. Vollzeitbeschäftigte erhalten ab der ersten Überstunde einen Überstundenzuschlag. Dies bedeutet aber auch, dass Teilzeitbeschäftigte, beispielsweise mit 20 Wochenstunden, die 21 Überstunden in einer Woche leisten müssen, für eine Stunde einen Überstundenzuschlag erhalten. Damit könnte eine Ungleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräfte vorliegen. Eine Ungleichbehandlung von Mitarbeitern in Teilzeit und Mitarbeitern in Vollzeit ist gemäß § 4 TzBfG unzulässig. Gegen eine Ungleichbehandlung spricht, dass für alle Mitarbeiter unabhängig von deren individuellen Arbeitszeit für die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden die gleiche Gesamtvergütung geschuldet wird.

In mehreren Entscheidungen des BAG, beispielsweise aus dem Jahr 2003 und dem Jahr 2008, sowie in einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 1994 wird keine Ungleichbehandlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten gesehen, wenn für die gleiche Anzahl geleisteter Arbeitsstunden die gleiche Gesamtvergütung bezahlt wird. EuGH und BAG sind damit mit einer Stundengrenze (z. B. 40-Stunden/Woche) ab der Überstundenzuschläge bezahlt werden, einverstanden. Der Arbeitnehmer in Teilzeit mit 20 Wochenstunden und der Arbeitnehmer in Vollzeit mit 40 Wochenstunden verdienen im Ergebnis dasselbe, wenn beispielsweise beide in einer Woche 45 Stunden arbeiten. Beide bekommen für fünf Stunden Überstundenzuschläge.

Rechtssprechungsänderung durch BAG vom 23. März 2017 (6 AZR 161/16)?

Entgegen der bis dahin geltenden Rechtsprechung entschied das BAG im Urteil vom 23. März 2017 zu einer Regelung des TVöD, dass den betroffenen Arbeitnehmern in Teilzeit Überstundenzuschläge zustehen können. Der TVöD sieht vor, dass Überstundenzuschläge erst ab der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten vergütet werden. Das BAG entschied, dass bei sogenannten ungeplanten Überstunden, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus abweichend vom Schichtplan angeordnet werden, den betroffenen Arbeitnehmern auch in Teilzeit Überstundenzuschläge zustehen.

In der Praxis konfrontieren Teilzeitbeschäftigte ihren Arbeitgeber immer wieder mit dieser Entscheidung und fordern Überstundenzuschläge ab der ersten Stunde Mehrarbeit über die individuelle wöchentliche Arbeitszeit. Es stellt sich also die Frage, ob das BAG im Urteil vom 23. März 2017 eine Rechtsprechungsänderung vollzogen hat.

Bestätigung der alten Rechtsprechung durch BAG vom 26. April 2017 (10 AZR 589/15)

Gut einen Monat nach der Entscheidung zum TVöD entschied das BAG, dieses mal der zehnte Senat, erneut über Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitmitarbeiterin. Das BAG kommt zum Ergebnis, dass keine Ungleichbehandlung vorliegt, wenn Mehrarbeitszuschläge nur für Arbeitsstunden zu zahlen sind, die die tarifvertraglich geregelte Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers übersteigen (z. B. 40 Stunden). Argumentiert wird auch hier, dass die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden für Teilzeitarbeitnehmer und Vollzeitarbeitnehmer gleich vergütet wird.

Wie geht es in der Praxis weiter?

Arbeitgeber werden in Zukunft verstärkt mit der Entscheidung des BAG vom 23. März 2017 von Teilzeitbeschäftigten auf Überstundenzuschläge konfrontiert werden. Es gibt gute Argumente, diese Ansprüche abzulehnen. Einerseits handelt es sich bei dieser Entscheidung des BAG um einen ganz speziellen Sachverhalt aus dem TVöD. Voraussetzung für einen Anspruch danach sind ungeplante Überstunden sowie die Einteilung in einem Schichtplan. Es kann damit argumentiert werden, dass diese Entscheidung nicht auf Mitarbeiter anwendbar ist, die nicht in einem Schichtplan eingeteilt sind und keine Schichtarbeit leisten. Andererseits kann die zeitlich nachfolgende Entscheidung des BAG vom 26. April 2017 entgegengehalten werden, in der – wie früher – keine Ungleichbehandlung gesehen wird, solange Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte bei gleicher Anzahl von Arbeitsstunden die gleiche Vergütung erhalten.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Dr. Erik Schmid.

Hinweis: Dieser Blogbeitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.

TAGS

Teilzeit- und Befristungsgesetz Teilzeit Arbeitsrecht Überstundenregelung Ungleichbehandlung Vollzeit § 4 TzBfG BAG vom 23.03.2017 (6 AZR 161/16)

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