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GWB oder Vergabegesetz – Vergaberechtsreform gestartet

Seit dem 6. Mai 2015 liegt er nun vor – der Referentenentwurf mit dem etwas sperrigen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien 2014) (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz – VergModG)“. Es ist der erste Schritt in einem zweistufigen Verfahren. Erste Stufe ist die grundlegende Neufassung der §§ 97 ff. GWB mit der vorliegenden Novelle, die vom Bundeskabinett am 24. Juni 2015 beschlossen werden soll. Zweite Stufe wird, beginnend im Herbst 2015, die Neufassung der VgV und der SektV sowie die neue Rechtsverordnung zur Konzessionsvergabe sein. Auch die Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit wird, um Wiederholungen mit den §§ 97 ff. GWB Entwurf (im folgenden GWB-E) zu vermeiden, in einzelnen Punkten einer Überarbeitung bedürfen. In der amtlichen Begründung zum Entwurf nicht erwähnt, aber wohl unerlässlich, wird eine dritte Stufe sein, nämlich die Anpassung der Landesvergabegesetze, sobald das gesamte Modernisierungspaket (GWB, Verordnungen) verabschiedet ist.

Mit der Novelle wird ein Paradigmenwechsel für die Struktur des Vergaberechts vollzogen. Das GWB soll nunmehr – als einheitliches Dach über allen Verordnungen sowie der verbleibenden VOB/AEG – alle wesentlichen Regelungen zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen enthalten. Das ist Grund für die Aufbohrung von bisher 46 Paragrafen (§§ 97-131) auf künftig 89 Paragrafen (§§ 97-186). Das GWB wird damit je zur Hälfte aus Kartellrecht und Vergaberecht bestehen. Ob diese Zusammenfügung zweier Rechtsmaterien in einem Gesetz eine weiterhin tragfähige Lösung ist, scheint offen. Jedenfalls hört man, dass die Überführung des Vergaberechtsteils in ein eigenes Vergabegesetz eine Option sein soll, über die noch nicht abschließend entschieden ist. Allerdings dürfte es wesentliches Hemmnis für ein Vergabegesetz sein, das damit das Tor zur – jedenfalls derzeit nicht erwünschten – Einführung eines Unterschwellenrechtsschutzes aufgestoßen würde.

Mit der Novelle liegt die Bundesregierung im Zeitplan, den sie sich im Eckpunktepapier von Januar dieses Jahres gesetzt hat. Der Kabinettsbeschluss über den Entwurf war danach für Früh jahr 2015 vorgesehen. Bundestag und Bundesrat sollen dann im Herbst mit ihren Beratungen beginnen.

Wie schon bei den vergangenen Reformen gehört, aber nicht erreicht, da jetzt erneut als Zielsetzung ausgegeben, sollen mit der GWB Novelle die Vergabeverfahren effizienter, einfacher und flexibler gestaltet werden. Auftraggebern und Bietern soll ein möglichst übersichtliches und leichter handhabbares Regelwerk für Aufträge und Konzessionen zur Verfügung stehen. Eine stärkere Gliederung und Strukturierung soll es ermöglichen, die konkret anzuwendenden Vorschriften leichter als bisher zu ermitteln. Vergleichbare Sachverhalte, für die es jetzt noch mehrfache und ohne ersichtlichen Grund unterschiedliche Bestimmungen gibt, werden einheitlich geregelt. Bei der jetzt noch folgenden Diskussion der Novelle mit den Ländern, den kommunalen Vertretungen, Fachkreisen und Wirtschaftsverbänden wird sich zeigen müssen, inwieweit diese Zielsetzungen erreicht wurden.

Auf GWB-Ebene wird nun mit den §§ 97-186 GWB-E neben dem Nachprüfungsverfahren der gesamte Ablauf des Vergabeprozesses abgebildet – von der Leistungsbeschreibung über die Wahl der Vergabeart, die Ausschreibung, die grundsätzlichen Anforderungen an Eignung und Zuschlag, die Gründe für den Ausschluss von einem Vergabeverfahren bis hin zu den Bedingungen für die

Ausführung des Auftrags. Konzeptionell erfolgt damit eine systematisch und sprachlich in die Struktur des GWB eingepasste 1:1-Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien von 2014, so jedenfalls der Anspruch des Gesetzgebers. Ausnahmen von der 1:1-Umsetzung finden sich nur bei denjenigen Vorschriften, für die die EU-Richtlinien dem nationalen Gesetzgeber Handlungsspielräume bieten.

Die Ausnahmen vom Anwendungsbereich sind in den §§ 107-109 und 116-118 GWB-E geregelt. Besonders zu nennen ist dabei die Ausnahme für Inhouse Vergaben und interkommunale Zusammenarbeit (§ 108 GWB-E). Für soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Vergaberichtlinie 2014/24/EU gilt ein Sonderregime (§ 130 GWB-E).

Aus Sicht der Praxis nicht unproblematisch dürfte die Ausweitung der Vorschriften zu den vergabefremden Aspekten oder – policy-like formuliert – zur strategischen (nachhaltigen und sozialen) Beschaffung sein. Einschneidende Bedeutung kommt dabei vor allem der Aufnahme strategischer Ziele in die Vergabegrundsätze zu (§ 97 Abs. 3 GWB-E). Angesprochen sind die Kriterien zur strategischen Beschaffung ferner bei den Zuschlagskriterien (§ 127 Abs. 1 GWB-E) sowie bei den Bedingungen für die Auftragsausführung (§ 128 GWB-E). Zusätzliches Gewicht erhalten diese Kriterien durch eine Lockerung der Bindung an den Auftragsgegenstand. Bisher gilt, dass ein „sachlicher Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand“ bestehen muss (§ 97 Abs. 4 Satz 2 GWB). Nunmehr genügt – entsprechend Art. 67 Abs. 3 der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU – auch eine „Verbindung“ mit Prozessen im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, mit dem Handel mit der Leistung oder mit einem anderen Stadium im Lebenszyklus der Leistung. Eine weitere Aufweichung ist, dass dies selbst dann gilt, wenn sich diese Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken (§ 127 Abs. 3 GWB-E).

Neu für das deutsche Vergaberecht sind die aus den EU-Richtlinien übernommenen Vorschriften über die Selbstreinigung von Unternehmen (§ 25 GWB-E), die Höchstdauer für den Ausschluss von einem Vergabeverfahren (§ 126 GWB-E), die Änderung von Aufträgen und Konzessionen während der Laufzeit (§§ 132, 154 Nr. 3 GWB-E) sowie über die Kündigung von Aufträgen (§ 133 GWB-E), wobei zu Letzterem noch offen ist, ob eventuell auch die Rechtsfolgen einer Auftragskündigung im GWB geregelt werden sollten.

Aus dem Neuheiten Katalog zu erwähnen sind auch noch die für die öffentlichen Auftraggeber vorgesehene Erleichterung durch freie Wahl zwischen dem offenen und dem nicht offenen Verfahren (§ 119 Abs. 2 GWB-E), die neue Vergabeart der Innovationspartnerschaft (§ 119 Abs. 7 GWB-E) und die Anpassung der Definition für den wettbewerblichen Dialog an die Formulierung in Art. 30 Abs. 3 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU (§ 119 Abs. 6 GWB-E – entfallen ist die Forderung, dass es sich um „besonders komplexe“ Aufträge handeln muss).

Die künftig zwingende E-Vergabe ist nur grundsätzlich angesprochen (§ 97 Abs. 5 GWB-E), die Einzelheiten werden mithin wohl noch in der neuen VgV geregelt werden.

Die Vorschrift zur mittelstandsfreundlichen Vergabe in § 97 Abs. 3 GWB wurde im Wesentlichen unverändert übernommen (§ 97 Abs. 4 GWB-E). In Satz 2 wurde lediglich klargestellt, dass die Bestimmung auch für Vergaben in den Sektoren gilt.

Zur Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) nach Art. 59 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU war und ist wohl auch noch mit der EU-Kommission streitig, ob damit eine ausschließlich zu verwendende europäische Standarderklärung eingeführt sein soll. Die Bundesregierung ist dem mit dem Referentenentwurf nicht gefolgt. Bieter können den Eignungsnachweis vielmehr auch weiterhin durch die Bescheinigung einer anerkannten Präqualifizierungsstelle führen (§ 122 Abs. 3 GWB-E).

Auf der Ebene der Vergabeordnungen bleibt im Oberschwellenbereich nur noch die VOB/A EG erhalten. Welchen Inhalt sie künftig noch haben wird, wenn Doppelregelungen mit dem GWB vermieden werden sollen, bleibt abzuwarten. Die VOL/A EG und die VOF werden in der neuen VgV aufgehen. Die neue VgV wird

dann für Liefer- und Dienstleistungen alle Einzelheiten enthalten, mit denen der Gesetzgeber das GWB nicht überfrachten wollte. Näheres ergibt sich aus einer Gliederungsübersicht zur neuen VgV, die zwischenzeitlich von den Ministerien erstellt wurde. Für den Unterschwellenbereich wird es wie bisher die VOL/A und die VOB/A geben. Eine Überarbeitung dieser beiden Vergabeordnungen nach Abschluss der Vergaberechtsreform ist aber bereits angekündigt.

Spannend sollte es bei der Frage werden, ob und ggf. welche Auswirkungen die §§ 97 ff. GWB-E auf die Landesvergabegesetze haben. Auslöser dafür könnte der Umstand sein, dass die Ermächtigungsklausel für den Landesgesetzgeber in § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB einen größeren Auslegungsspielraum bietet als die jetzt ausdrücklich nur auf Ausführungsbedingungen bezogene Ermächtigung in § 129 GWB-E. Findet man doch in den bestehenden Landesvergabegesetzen vielfach auch Regelungen, die mit der bloßen Auftragsausführung nichts zu tun haben.

Bei Fragen zu diesem Thema kontaktieren Sie bitte: Timm R. Meyer

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