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Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglicher und gesetzlicher Regelung bei der Kündigungsfrist

Bundesarbeitsgericht vom 29. Januar 2015 – 2 AZR 280/14

Sachverhalt:

Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin seit 1976 beschäftigt, im Arbeitsvertrag war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum 30. Juni oder 31. Dezember des Jahres vereinbart. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 kündigte das Unternehmen zum 30. Juni 2013 „unter Wahrung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist“. Die Mitarbeiterin vertrat die Ansicht, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Im Übrigen sei die Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende aus § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB nicht eingehalten. Eine Umdeutung in eine Kündigung zum 31. Juli 2013 komme nicht in Betracht. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Juli 2013 bestanden hätte, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ebenfalls ab, stellte jedoch eine Beendigung bereits zum 30. Juni 2013 fest.



Entscheidung:

Das BAG folgt der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts. Eine vertragliche Kündigungsfrist kann sich gegen die maßgebliche gesetzliche Kündigungsfrist nur durchsetzen, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Es genügt nicht, dass die vertragliche Regelung für die längere Zeit innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz gewährt (hier: Kündigung nur zum 30. Juni oder zum 31. Dezember möglich). Die einzelvertragliche Kombination einer kürzeren als der gesetzlich einschlägigen Kündigungsfrist mit eingeschränkten Kündigungsterminen (z. B. nur zum Quartals- oder Halbjahresende) setzt sich also nur dann gegen das Gesetz durch, wenn sie immer innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz gewährt.

Bei der entsprechenden Prüfung sind einzelvertragliche Regelung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin regelmäßig als Einheit zu betrachten. Spätestens mit dem Eintritt des Arbeitnehmers in die jeweilige „Stufe“ des § 622 Abs. 2 BGB müsse bereits klar sein, welche Regelung Anwendung finden wird. Die vorliegende Kombination von Kündigungsfrist und Kündigungstermin (Ende eines Halbjahres) sei nicht durchweg günstiger als die gesetzliche Regelung. Dies verstoße gegen § 622 Abs. 5 Satz 3 BGB (Vorrang günstigerer individualvertraglicher Kündigungsfristenregelungen). Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass einzelvertraglich vereinbarte Kündigungsfristen „länger“ (also „immer länger“) und nicht „meistens länger“ sein müssen.

Außerdem hat das BAG festgestellt, dass die Kündigung in eine solche zum 31. Juli 2013 umgedeutet werden könne. Es gäbe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich zum 30. Juni 2013 gewollt hätte. Die Überzeugung des Arbeitgebers, er habe mit zutreffender Frist gekündigt, hindere nicht die Annahme, er hätte bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis zum nächstzulässigen Termin beenden wollen.



Konsequenzen für die Praxis:

Bislang wurde stets ein Günstigkeitsvergleich vorgenommen, der auf den konkreten Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abgestellt hat. Nun kommt es jedoch bei der Beurteilung der Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Regelungen nicht mehr auf den konkreten Einzelfall an, vielmehr ist eine abstrakte Wirksamkeitskontrolle vorzunehmen. Das führt – wie im hier besprochenen Urteil deutlich wird – unter Umständen dazu, dass selbst wenn in acht von zwölf Monaten die einzelvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist als die gesetzliche, sich die gesetzliche Kündigungsfrist dennoch durchsetzen kann.



Praxistipp:

Vor dem Hintergrund dieser aus Sicht der Mitarbeiter wahrscheinlich als unfair erachteten Rechtsprechung erscheint es ratsam, auf Quartalskündigungsfristen zu verzichten. Zumindest sollte auf eher kurzfristige Quartalskündigungsfristen, zum Beispiel sechs Wochen zum Quartalsende, verzichtet werden, weil diese schon nach überschaubarer Betriebszugehörigkeitszeit obsolet sind. Um eine bessere Transparenz für den Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist es ratsam, anstatt der Kündigungsfristen zum Quartalsende oder zum Jahres- bzw. Halbjahresschluss Kündigungsfristen zum Monatsende zu vereinbaren.

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