BLOG -


Gewerbesteuerliche Hinzurechnungslücke: Volle Schachtelprivilegierung im Organkreis

BFH, Urteil vom 17.12.2014 (I R 39/14, DStR 2015, 637)

Der BFH bestätigt mit einer Entscheidung vom 17. Dezember 2014 im Sinne des Steuerpflichtigen eine im Schrifttum (nahezu) einhellig und von der Finanzverwaltung (teilweise) vertretene Auffassung. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst verwunderlich, warum eine höchstrichterliche Entscheidung zugunsten der Steuerpflichtigen erforderlich war. Aufgrund einer abweichenden Auffassung im Gewerbesteuer-Handbuch 2009 und bei der ehemaligen Oberfinanzdirektion Münster (heute OFD Nordrhein-Westfalen) war der Instanzenzug für den Steuerpflichtigen (wohl) notwendig.

Der BFH entschied mit dem oben genannten Urteil vom 17. Dezember 2014, dass Ausschüttungen aus dem Ausland an eine Organgesellschaft gewerbesteuerlich zu keiner Schachtelstrafe in Höhe von fünf Prozent der Ausschüttung führen, wenn die Ausschüttungen die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs erfüllen.



Hintergrund

Dividenden und ähnliche Bezüge sind bei der empfangenden Körperschaft gemäß § 8b Abs. 1 S. 1 KStG für körperschaftsteuerliche Zwecke grundsätzlich vollständig steuerbefreit („Körperschaftsteuerliches Schachtelprivileg“). Dieser Grundsatz gilt wiederum insbesondere nicht, wenn der Empfänger eine Mindestbeteiligungsquote nicht erfüllt oder ein Unternehmen aus der Finanz- und Versicherungsbranche ist. Greift kein Ausnahmetatbestand, gelten gemäß § 8b Abs. 5 S. 1 KStG fünf Prozent der Bezüge als nichtabziehbare Betriebsausgaben („Körperschaftsteuerliche Schachtelstrafe“), sodass effektiv 95 Prozent der Bezüge steuerbefreit sind.

Diese Vorschriften sind unter der Berücksichtigung von gewerbesteuerlichen Sondervorschriften auch bei der Gewerbeertragsermittlung anzuwenden, § 7 S. 1 GewStG. Eine entsprechende gewerbesteuerliche Schachtelstrafe enthält das Gewerbesteuergesetz nicht, sondern die Regelungen der körperschaftsteuerlichen Schachtelstrafe sind grundsätzlich auch bei der Gewerbeertragsermittlung anzuwenden. Zudem sind gewerbesteuerlich unter bestimmten Voraussetzungen auch Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft aus dem Gewerbeertrag zu kürzen, wenn diese trotz entsprechender Anwendung des Körperschaftsteuergesetzes noch im Gewerbeertrag enthalten sind („Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg“). In diesem Zusammenhang bestehen jeweils gesonderte Regelungen für in- und ausländische Beteiligungen.

Im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft ermitteln die Organgesellschaft und der Organträger ihr Einkommen grundsätzlich getrennt voneinander, sodass grundsätzlich das Schachtelprivileg bei der Einkommensermittlung auf Ebene der Organgesellschaft Anwendung fände. § 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG schließt diese Vorgehensweise aber aus, sodass das dem Organträger zugerechnete Einkommen die Bruttobezüge beinhaltet („Bruttomethode“). Sodann sind die Regelungen des Schachtelprivilegs und der Schachtelstrafe technisch auf Ebene des Organträgers anzuwenden, sodass die Bezüge ebenso effektiv zu 95 Prozent (40 Prozent bei einer natürlichen Person als Organträger) steuerbefreit sind.

Im Rahmen der gewerbesteuerlichen Organschaft gilt die Organgesellschaft gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG als Betriebsstätte des Organträgers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH erfolgt die Gewerbeertragsermittlung im gewerbesteuerlichen Organkreis zweistufig („Eingeschränkte Einheitstheorie“). Auf der ersten Stufe ermitteln alle Gesellschaften des Organkreises ihren Gewerbeertrag gesondert voneinander. Auf der zweiten Stufe sind sämtliche Gewerbeerträge auf Ebene des Organträgers zusammenzurechnen. Dabei sind unberechtigte Doppelbelastungen auszuscheiden.

In diesem Zusammenhang war es bisher nicht höchstrichterlich entschieden, zu welchem Ergebnis das Zusammenspiel der Bruttomethode, der Schachtelprivilegien und der Schachtelstrafe gewerbesteuerlich führen, wenn eine Organgesellschaft Ausschüttungen von einer Tochtergesellschaft erhält.

Die einhellige Meinung in der Literatur vertritt die Auffassung, dass auf der ersten Stufe die Dividende vollständig aus dem Gewerbeertrag zu kürzen ist („Kürzungsbetrag“), sodass auf der zweiten Ebene keine Schachtelstrafe hinzugerechnet werden kann. Diese Vorgehensweise entspricht grundsätzlich auch der allgemeinen Praxis der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben vom 26. August 2003, IV A 2-S 2770-18/03, BStBl. 2003 I, S. 437, Tz. 28-30). Gegenteilige profiskalische Auffassungen bestanden teilweise seit dem Gewerbesteuer-Handbuch 2009 (Anlage 7 zu GewStH 2009; so auch: OFD Münster, Verfügung vom 4. September 2006, G 1421-138-St 12-33, juris; OFD München, Verfügung vom 9. Februar 2005, G-1532-72 St 423, SIS-Nr. 051742). Diese Ansicht bestätigen überwiegend Autoren, die hauptberuflich für die Finanzverwaltung tätig sind.



Entscheidungssachverhalt

Die Klägerin (GmbH & Co. KG) hielt im Streitjahr 100 Prozent der Anteile an der Y-GmbH. Zwischen beiden Gesellschaften bestand für körperschaft- und gewerbesteuerliche Zwecke eine Organschaft.

Die Y-GmbH hielt wiederum 72,3 Prozent der Anteile an der in Italien ansässigen Kapitalgesellschaft Y-S.p.A. Im Streitjahr schüttete die Y-S.p.A. eine Dividende an ihre Gesellschafter aus. Die Y-GmbH wandte das körperschaftsteuerliche Schachtelprivileg entsprechend der Bruttomethode auf der ersten Stufe der Gewerbeertragsermittlung nicht an. Dennoch nutzte sie das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg für Auslandsdividenden, sodass der auf ihrer Ebene ermittelte Gewerbeertrag die Dividenden nicht enthielt.

Die Klägerin berücksichtigte den ihr von der Y-GmbH zugerechneten Gewerbeertrag entsprechend auf der zweiten Stufe. Im Einklang mit der dargestellten einhelligen Auffassung in der Literatur und der allgemeinen Praxis der Finanzverwaltung wandte die Klägerin die Regelung zur körperschaftsteuerlichen Schachtelstrafe auf der zweiten Stufe nicht an. Das zuständige Finanzamt folgte dieser Auffassung entsprechend der Verfügung der OFD Münster und mit einem (wohl) fälschlichen Verweis auf das dargestellte BMF-Schreiben nicht. Der Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid blieb zwar erfolglos, aber das Finanzgericht Münster (FG Münster, Urteil vom 14. Mai 2014, 10 K 1007/13 G, EFG 2014, S. 1511) gab der Klage statt.



Entscheidung des BFH

Der BFH folgte in seiner Entscheidung dem FG Münster. Zunächst bestätigt der BFH seine ständige Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis der eingeschränkten Einheitstheorie bei der Ermittlung des Gewerbeertrages im Organkreis.

Darauf aufbauend folgt der BFH mit wortlautbezogenen und systematischen Argumenten der einhelligen Auffassung in der Literatur und dem FG Münster im Hinblick auf die körperschaftsteuerliche Schachtelstrafe bei von Organgesellschaften empfangenen Dividenden im gewerbesteuerlichen Organkreis. Im Ergebnis seien die Dividenden aufgrund des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs bereits auf der ersten Stufe nicht mehr Bestandteil des Gewerbeertrages, sodass für die Anwendung der Schachtelstrafe auf der zweiten Stufe kein Platz mehr verbliebe. Diese Hinzurechnungslücke ließe sich weder über eine Analogie, eine entsprechende Auslegung oder eine organschaftliche Korrektur schließen.



Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des BFH zugunsten der Steuerpflichtigen ist zu begrüßen.

Zunächst sollten die Steuerpflichtigen in entsprechenden Sachverhaltskonstellationen überprüfen, ob das für sie zuständige Finanzamt die Grundsätze des dargestellten Urteils anwendet. Ist dies nicht der Fall, sollten sich die Steuerpflichtigen in allen offenen Fällen auf die Grundsätze der dargestellten Entscheidung beziehen.

Darüber hinaus sollten die Steuerpflichtigen das aktuelle Urteil zum Anlass nehmen, um bestehende Strukturen zu überprüfen oder die Grundsätze bei der Implementierung von Strukturen zu berücksichtigen. Die Entscheidung erging zwar über das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg für Auslandsbeteiligungen, aber die Grundsätze sollten auch für das Schachtelprivileg für Inlandsbeteiligungen gelten. Folglich sollten Steuerpflichtige analysieren, ob es für sie vorteilhaft ist, Schachtelbeteiligungen, mit denen kein Organschaftsverhältnis besteht, über eine Organgesellschaft zu halten.

Dabei ist aber zu beachten, dass die im unmittelbaren Zusammenhang mit Gewinnanteilen stehenden Aufwendungen – in der Regel Finanzierungsaufwendungen – den Kürzungsbetrag mindern. Daher bleibt es anzuraten, bestehende Finanzierungen von Organgesellschaften zu überprüfen und diese Thematik bei der Implementierung entsprechender Strukturen zu berücksichtigen.

So könnte beispielsweise der Organträger Fremdkapital aufnehmen und die Organgesellschaft mit Eigenkapital finanzieren. Auch sollten die Grundsätze der Entscheidung in den Fällen gelten in denen eine Gesellschaft gleichzeitig Organträgerin sowie Organgesellschaft ist und vororganschaftliche Mehrabführungen erhält.

Zusammenfassend ist es zu begrüßen, dass nach der Auffassung des BFH keine gewerbesteuerliche Schachtelstrafe möglich ist, wenn eine Organgesellschaft Ausschüttungen von einer Schachtelbeteiligung erhält.

Bei Fragen zu diesem Thema, kontaktieren Sie bitte: Birgit Fassbender und Florian Teichert

TAGS

Aktuelles Steuerrecht Gewerbesteuer Schachtelprivileg BFH GewStG