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Gewerbesteuer gleicht "Lasten" inländischer Gemeinden aus, die Urlauber in ausländischen Feriengebieten verursachen

FG Münster, Urteil vom 4. Februar 2016, 9 K 1472/13 G

Das Finanzgericht Münster hat im Rahmen eines Zwischenurteiles (FG

Münster, Urteil vom 4. Februar 2016, 9 K 1472/13 G, veröffentlicht am 2. Mai 2016) die Gelegenheit gehabt, über die gewerbesteuerlichen Folgen von eingekauften Reisevorleistungen bei Reiseveranstaltern zu entscheiden.

Ursprünglich wurde die Gewerbesteuer als Ausgleich für die Lasten geschaffen, die Gewerbebetriebe für die Gemeinde verursachen (sog. Äquivalenzprinzip). Im Zeitverlauf hat sich die Gewerbesteuer von einer solchen Objektsteuer zu einer Ertragsteuer gewandelt. Dieser Wandel zu einer Ertragsteuer wird insbesondere an dem genannten Urteil deutlich.

Was ist passiert:

Ein Reiseveranstalter hat Reisevorleistungen in Form von Hotelgebäuden (selbst betrieben), Dritten bewirtschafteten Hotels, Hotelzimmern und Hotelzimmerkontingenten sowie Schiffscharter eingekauft. Gewerbesteuerlich mindert im Ergebnis ein Teil der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von bestimmten Wirtschaftsgütern den Gewerbeertrag nicht. Zudem sind die Ergebnisanteile aus ausländischen Betriebsstätten gewerbesteuerlich nicht zu berücksichtigen. Das Finanzgericht Münster hatte sich mit der Fragestellung zu beschäftigen, ob die Aufwendungen für die Reisevorleistungen den Gewerbeertrag vollständig mindern.

Hierbei kommt das Finanzgericht Münster zu einer differenzierten Entscheidung:

Soweit die eingekauften Reisevorleistungen in Form von angemieteten Hotelgebäuden (selbst betrieben) zu einer ausländischen Betriebsstätte führen, unterlägen deren Ergebnisse nicht der Gewerbesteuer. Diese Entscheidung ist folgerichtig, da die Aufwendungen bereits nicht in die Ermittlung des Gewerbeertrags einzubeziehen sind und somit auch nicht in einem zweiten Schritt hinzugerechnet werden können.

Können die Reiseleistungen hingegen keiner ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden, unterlägen diese im Ausland erbrachten Reiseleistungen der Gewerbesteuer. Dabei ordnet das Finanzgericht Münster die Aufwendungen für die Reisevorleistungen (von Dritten bewirtschaftete Hotels und Hotelzimmer und Hotelzimmerkontingente) den teilweise hinzuzurechnenden Mietzinsen zu, sodass diese Aufwendungen für die Reisevorleistungen den Gewerbeertrag nicht vollständig mindern. Hierbei knüpft das Finanzgericht Münster an die konkrete vertragliche Ausgestaltung der Nutzungsüberlassung an. Das Finanzgericht Münster stellt dabei klar, dass nur der Anteil der Miet- und Pachtzinsen hinzuzurechnen ist, sodass eine Aufteilung zwischen den Miet- und Pachtzinsen, den Betriebskosten und den eigenständig zu beurteilenden Nebenleistungen vorzunehmen ist.

Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der Auffassung der Finanzverwaltung. Die OFD Nordrhein-Westfalen (OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 4. November 2013, G 1422 – 2013/0023 – St 161, DStR 2014, S.

373) bezeichnet dieses Verfahren als Musterverfahren und gewährt für alle anderen Fälle ein Ruhen des Einspruchsverfahrens sowie eine Aussetzung der Vollziehung. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zugelassen, sodass sich voraussichtlich der Bundesfinanzhof dieser Thematik annehmen darf.

Es soll dahinstehen, ob die Reisevorleistungen entsprechend zu qualifizieren sind. Dennoch ist es vor dem historischen Hintergrund höchst interessant, dass im Ergebnis – überspitzt formuliert – durch die Hinzurechnung der Aufwendungen für ausländische Reisevorleistungen "Lasten" inländischer Gemeinden ausgeglichen werden, die Urlauber in ausländischen Feriengebieten verursachen. Im Ergebnis trifft eine ursprünglich lokale Steuer auf globalreisende Bürgerinnen und Bürger.

Für die Vergangenheit sollten die betroffenen Reiseveranstalter die betreffenden Jahre offenhalten, wenn die Rechtssache beim Bundesfinanzhof anhängig wird. Wollen die betroffenen Reiseveranstalter die Steuerrisiken durch die beschriebene Rechtsunsicherheit zukünftig vermeiden, sollten sie proaktiv den Bezug der Reisevorleistungen anpassen. Kann der jeweilige Reiseveranstalter die Bezugsstrukturen nicht anpassen, sollte er zumindest eine entsprechende Aufteilung der Aufwendungen für die Reisevorleistungen vornehmen.

Bei Fragen zum Thema, kontaktieren Sie bitte: Florian Teichert

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