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Gesetzentwurf zur Reform der Insolvenzanfechtung beschlossen

In den vergangenen Jahren ist vermehrt kritisiert worden, dass die Insolvenzverwalter und Gerichte den Wirtschaftsverkehr durch

eine allzu

praktische Handhabung des geltenden Insolvenzanfechtungsrechts mit unverhältnismäßigen und

unkalkulierbaren Risiken belasten. Eine Vielzahl von – oft fragwürdigen – Anfechtungsprozessen gibt den Kritikern Recht.

Die Bundesregierung hat am 29. September 2015 nun den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz beschlossen. Die Bundesregierung erhofft sich hierdurch mehr Rechtssicherheit zugunsten des Wirtschaftsverkehrs sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Der Gesetzentwurf enthält einige Änderungen, die

zu einer

Verbesserung der bisherigen Anfechtungspraxis führen dürften:

  • Seit einigen Jahren ist eine ausufernde Tendenz der Insolvenzverwalter zur Anwendung der sog. Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO zu erkennen. Dies hat seine Gründe. Bei einer Anfechtung nach § 133 InsO kann der Insolvenzverwalter

    zur Begründung seines Anspruches auf eine Reihe von Beweisanzeichen und Vermutungsregelungen zurückgreifen. Dies erleichtert dem Insolvenzverwalter die Darlegung und den Beweis des angeblichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners sowie die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon erheblich. Im übrigen bleibt es dem Anfechtungsgegner - zumindest nach derzeitigen Recht - bei einer Anfechtung nach § 133 InsO verwehrt, sich auf den Einwand des Bargeschäftes nach § 142 InsO zu berufen. Nach der bisherigen Rechtslage findet § 142 InsO in Fällen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO keine unmittelbare Anwendung. Der kongruente Leistungsaustausch im Wege eines sog. Bargeschäftes im Sinne von § 142 InsO kann allenfalls ein Beweisanzeichen gegen das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes darstellen, was keine Rechtssicherheit schafft.



  • Der Gesetzesentwurf sieht nun eine Änderung von § 142 InsO dahingehend vor, dass eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO bei Bargeschäften künftig nur noch dann möglich sein soll, wenn der Insolvenzschuldner "unlauter" handelte und der Anfechtungsgegner dies erkannt hat. Natürlich bleibt abzuwarten, welche Konkretisierung der Begriff "unlauter" durch die Rechtsprechung erfährt. Allerdings betont der Gesetzentwurf, dass ein unlauteres Verhalten mehr voraus setzt als die Vornahme der Rechtshandlung in dem Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Nach dem Gesetzentwurf müssen hinreichend gewichtige Umstände hinzutreten, die einen besonderen Unwert des Leistungsaustausches erkennen lassen. Insoweit besteht Hoffnung, dass die beabsichtigte Gesetzesänderung zumindest bei Fällen des kongruenten Leistungsaustausches, etwa bei Sanierungsberatern, die erhoffte Verbesserung bringt.



  • Oftmals ist zu erkennen, dass Insolvenzanfechtungen erst sehr spät nach der Insolvenzeröffnung gerichtlich geltend gemacht werden. Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Nach bislang geltenden Recht ist der Insolvenzanfechtungsanspruch ab dem Tag der Insolvenzeröffnung zu

    mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Hierdurch wurden Fehlanreize für eine verzögerte Geltendmachung von begründeten Insolvenzanfechtungsansprüchen geschaffen, was nunmehr auch der Gesetzgeber erkannt hat. Nach dem Gesetzentwurf sollen Anfechtungsansprüche, die auf eine Geldleistung gerichtet sind, nur noch unter den Voraussetzungen des Schuldnerverzuges oder des § 291 BGB, also ab Rechtshängigkeit der entsprechenden Klage, zu verzinsen sein.



Ob alle Änderungen die gewünschte Verbesserung bringen, ist allerdings fraglich:

  • So sieht der Gesetzesentwurf für die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen zwar einen deutlich kürzeren Anfechtungszeitraum von vier Jahren vor; bislang gilt im Falle der Vorsatzanfechtung ausnahmslos ein zehnjähriger Anfechtungszeitraum. Die Beratungspraxis zeigt jedoch, dass Insolvenzverwalter im Falle der Vorsatzanfechtung meist ohnehin nur einen Zeitraum von 1 bis 3 Jahren vor Insolvenzeröffnung ins Visier nehmen.



  • Der Gesetzentwurf sieht ferner eine Entschärfung der bisherigen Vermutungsregelung in § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vor. Bislang wird die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners gesetzlich vermutet, wenn der Anfechtungsgegner die drohenden Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners kannte. Nach dem Gesetzentwurf soll die Vermutungsregelung nun dahingehend abgeschwächt werden, dass

    für die Vorsatzanfechtung von kongruenten Deckungen

    die gesetzliche Vermutungsregelung nur dann eingreifen soll, wenn der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung die eingetretenen, also nicht mehr bloß drohende, Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners kannte. Ob diese Änderung zu einer Reduzierung der Anzahl an Anfechtungsprozessen führen wird, ist zu hinterfragen. Die Beratungspraxis zeigt, dass Vorsatzanfechtungen meist mit der Behauptung begründet werden, die Insolvenzschuldnerin sei bereits seit langem zahlungsunfähig gewesen. Zur Untermauerung der Behauptung werden häufig – für den Anfechtungsgegner mangels Buchhaltungsunterlagen der Insolvenzschuldnerin meist nur schwer nachvollziehbare – Privatgutachten vorgelegt, welche die angebliche Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin belegen sollen.



Fazit:

Auch wenn der

Gesetzentwurf in der Praxis vielleicht nicht in allen Punkten zu merklichen Verbesserungen führen dürfte, so ist er, insbesondere wegen seinen Änderungen in § 142 InsO, sehr zu begrüßen.

Bei Fragen zum Thema kontaktieren Sie bitte: Dr. Florian Weichselgärtner

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